Als betroffene Projektmitarbeiterin mit EX-IN-Ausbildung bildet Lena Grünberg zusammen mit Thomas Thielking, Regionalleiter Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg, ein Tandem und bereitet den Einsatz von Genesungsbegleiter*innen im Fachbereich Psychiatrie vor.
Was bisher geschah
Das Projekt „Mit Peers arbeiten“ prüfte, wie der Einsatz der Genesungsbegleiter*innen aussehen kann, welche Vorbereitungen zu treffen oder Strukturen zu schaffen sind. Es besuchte die Teams des Fachbereichs, um über das Projekt und die Inhalte der EX-IN-Ausbildung zu informieren und Fragen zu beantworten, aber auch Möglichkeiten für Dialog zu schaffen. Dabei spielten die Einschätzungen der Kolleg*innen aus den Teams eine wichtige Rolle. Ein Fragebogen für die Teams erfasste beispielsweise die bisherigen Erfahrungen mit EX-IN-Praktikant*innen.
Workshops und Videokonferenzen boten den Kolleg*innen die Möglichkeit, sich über Genesungsbegleitung zu informieren, auszutauschen und gemeinsam verschiedene Möglichkeiten des Einsatzes von EX-IN-Mitarbeiter*innen im Fachbereich zu erarbeiten.
Ein Erklär-Video kam dann zum Einsatz, wenn coronabedingt keine Teambesuche möglich waren. „Wichtig ist uns, die Kolleg*innen mitzunehmen und einzubeziehen, es geht um Partizipation“, so Lena Grünberg.
Gewonnene Erkenntnisse
Die Offenheit im Unternehmen und bei den Kolleg*innen ist von zentraler Bedeutung. Aber es gibt noch weitere Faktoren, die für den erfolgreichen Einsatz der Expert*innen aus Erfahrung wichtig sind. So sollen beispielsweise nur ausgebildete Genesungsbegleiter*innen zum Einsatz kommen, die bereits gut auf die vor ihnen liegende Aufgabe vorbereitet sind. Auch verlässliche Rahmenbedingungen für alle Beteiligten spielen eine große Rolle. Aktuell wird deshalb beispielsweise an einer Stellenbeschreibung für die Genesungsbegleitung gearbeitet. Diese soll für Klarheit und Transparenz sorgen.
Die Kolleg*innen eines Teams verständigen sich darüber, was ihnen wichtig ist und wer gut ins Team passen könnte. Sie werden dann bei der Ausschreibung der Genesungsbegleitung, und auch darüber hinaus, begleitet.
Ein*e feste*r Ansprechpartner*in im Team ist später wichtig und kann dabei unterstützen, dass der neue Kollege oder die neue Kollegin möglichst gut und schnell Teil des Teams wird.
Pilotprojekt in der Beschäftigungstagesstätte (BTS) Neukölln
Mit Projektbeginn startete auch das Leuchtturmprojekt in der BTS Neukölln. Es soll zeigen, wie ein EX-IN-Einsatz im Unionhilfswerk gelingen kann und gibt die Gelegenheit, praktische Erfahrungen zu sammeln und auszuwerten, um den Einsatz von Genesungsbegleiter*innen bestmöglich vorzubereiten.
Dafür arbeitet Lena Grünberg selbst als Genesungsbegleiterin in der Beschäftigungstagesstätte und findet so heraus, mit welchen Aufgaben und Tätigkeiten und in welchen Arbeitsbereichen EX-IN-Mitarbeiter*innen sinnvoll eingesetzt werden können.
Praxiserfahrungen aus dem Pilotprojekt in der Beschäftigungstagesstätte
Es zeigte sich, dass neben Gesprächen auch die Moderation einer Recovery-Gruppe (*siehe unten) eine sinnvolle Aufgabe für Genesungsbegleiter*innen sein kann. Im Pilotprojekt in der BTS Neukölln ist es mit diesem moderierten Selbsthilfeformat gelungen, den Klient*innen einen vertrauensvollen Raum zur Verfügung zu stellen, in dem sie sich über ihre eigenen Themen austauschen.
„Ich habe mich in der Gruppe heute geborgen gefühlt und gehe mit guten Gedanken nach Hause“, fasste Herr S. nach einer Recovery-Gruppe zusammen.
Natürlich können auch andere Angebote gemacht werden, je nach eigenen Vorlieben und Interessen. Gespräche, Musik, Kunst – vieles ist möglich. Generell haben Klient*innen einen großen Bedarf an Gesprächen. Deshalb sollte für die Genesungsbegleiter*innen im Idealfall viel Raum für Gespräche zur Verfügung stehen. Manchmal geht es dabei auch „nur“ um ein aktives Zuhören.
Chance für die Betroffenen, aber auch für die „Profis“
Die Genesungsbegleitung kann ein großer Gewinn für das Team sein. Durch die eigene Psychiatrie-Erfahrung bringt die Kollegin oder der Kollege ein sensibles Gespür für die Anliegen der Klient*innen, deren Sichtweisen und Ängste mit. Die Diversität und verschiedenen Hintergründe der Genesungsbegleiter*innen bieten ebenfalls eine große Chance.
Klientinnen und Klienten wiederum sehen, dass andere Betroffene ihre Krise gemeistert haben. Das kann Mut machen und Hoffnung geben. Die gemeinsame Erfahrungswelt schafft eine Verbindung und sorgt für Vertrauen. Dabei bricht die Genesungsbegleitung mit dem sonst üblichen Nähe-Distanz-Verhältnis. Im Idealfall entsteht eine „Professionelle Nähe“, ein gleichberechtigter Umgang auf Augenhöhe zwischen dem Betroffenen und dem oder der Genesungsbegleiter*in.
Auch die Genesungsbegleiter*innen selbst profitieren von dieser Arbeit. Lena Grünberg berichtet: „Betroffene unterstützen zu können und sie auf ihrem Genesungsweg zu begleiten, stärkt und empowert auch mich selbst. Ich empfinde diese Aufgabe als sehr sinngebend und erfüllend.“
Inklusion heißt auch, Betroffene einzubeziehen
Lena Grünberg ist aktuell auch Ansprechpartnerin für EX-IN-Praktikant*innen. Da sie selbst die Ausbildung gemacht hat, kann sie die Praktikant*innen mit der notwendigen Sensibilität beraten und begleiten. Perspektivisch wird sie auch als Ansprechpartnerin für die Genesungsbegleiter*innen zur Verfügung stehen, ebenso für die Fragen der Teams, die sich rund um das Thema Genesungsbegleitung ergeben.
Es sind weitere Teambesuche, weitere Workshops sowie perspektivisch ein interner Fachtag geplant, um interessierten Kolleginnen und Kollegen einen intensiven Austausch zu ermöglichen. Das Projekt „EX-IN – Mit Peers arbeiten“ läuft bis Mitte 2023.
EX-IN ist eine Möglichkeit, Betroffene einzubeziehen. Echte Inklusion sieht genau dies vor – und wir sollten es, wo immer möglich, umsetzen.
An dieser Stelle ist es dem Projektteam wichtig, an den verstorbenen Kollegen Klaus Körner zu erinnern. Als Einrichtungsleiter der Beschäftigungstagesstätte (BTS) in Neukölln hat Klaus Körner das Projekt „EX-IN – Mit Peers arbeiten“ mit initiiert und stets eng begleitet. Seine tatkräftige und ideenreiche Unterstützung sowie seine humorvolle Art fehlen.
* Recovery geht davon aus, dass jeder von psychischer Erkrankung Betroffene Genesungspotential in sich trägt. In Recovery-Gruppen geht es darum, dieses individuelle Genesungspotential im Austausch mit anderen ressourcenorientiert zu entdecken. Diese Ressourcen sollen sowohl dem Erhalt der psychischen Stabilität dienen als auch für kommende Krisen nutzbar gemacht werden. Durch die Gespräche in der Gruppe sollen Prozesse angestoßen werden, die den Klient*innen dabei helfen, herauszufinden, wie sie gut mit Krisen umgehen und für sich selbst sorgen können. Für das Gelingen einer Recovery-Gruppe ist es wichtig, dass sich alle Teilnehmer*innen – auch die Moderator*innen – öffnen und von sich erzählen.
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