- Keine Versprechungen auf spätere Entlastungen („Vorgriffsstunden“), die nicht gehalten werden können
- Keine Erhöhung der Regelstundenzahl
- Keine Anrechnung von Zuverdienst auf das Altersruhegeld
- Keine größeren Klassen
- Kein digitaler Scheinunterricht
Stattdessen:
- Ländereinheitliche Besoldung, die verfassungsgemäß und amtsangemessen ist
- Beförderungen gegen das vorzeitige Ausscheiden aus dem Beruf
- Beförderungsgerechtigkeit für Lehrkräfte in den östlichen Bundesländern
- Planvolle Abdeckung des Lehrkräftebedarfs: zukünftig höhere Unterrichtsabdeckung
- Seriöse Qualifizierung von Quer- und Seiteneinsteigern
- Einstellung professioneller Unterstützer für Aufgaben jenseits des Unterrichts (z.B. IT- und Labor-Assistenten)
- Reduzierung der außerunterrichtlichen Aufgaben
- Attraktivierung des Arbeitsplatzes Schule
- Konzentration auf den Fachunterricht
Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz (KMK) hat eine Stellungnahme zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel vorgelegt. Und so sehr eine wissenschaftliche Betrachtung der Problemlage begrüßenswert ist, so sehr kritisiert der DPhV die Einseitigkeit der Empfehlungen im Einzelnen. Diese ließen die Realität des Arbeitsplatzes Schule außer Acht und nähmen keinerlei Kritik am herkömmlichen Aufgabenspektrum vor. „Dass die erste Empfehlung ausgerechnet die Erhöhung des Drucks auf die im Dienst befindlichen Lehrkräfte ist, ignoriert nicht nur die bestehende Überlast, sondern wird umgekehrt zu mehr statt weniger Unterrichtsausfall führen, weil immer mehr Kolleginnen und Kollegen einfach nicht mehr können“, so die Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing. „Dass dann gleichzeitig den Lehrkräften eMental-Health-Angebote als Maßnahmen zur Gesundheitsförderung empfohlen werden, ist schon fast ein Hohn“, so Lin-Klitzing weiter.
Eine grundsätzliche Aufgabenkritik mit Blick auf die vielen Herausforderungen des Lehrkräfteberufs fehle komplett. Dies sei jedoch nötig. „Die SWK empfiehlt Lehrkräften individuelle Achtsamkeitstrainings, aber es erfolgt kein Vorschlag, professionelle Supervision strukturell im System zu verankern. Das ist individuelle Verhaltensprävention, aber keine strukturelle Verhältnisprävention. Beides ist jedoch nötig“, erklärt Lin-Klitzing.
Es könne nicht sein, dass Lehrkräfte weiterhin ihre Zeit in die Organisation von Klassenfahrten und deren Abrechnung stecken, statt sich qualifiziert auf Unterricht vorzubereiten. Es müsse eher geprüft werden, ob die bisherige Aufgaben- und Arbeitsverteilung in den Schulen noch zeitgemäß und von den Lehrkräften leistbar sei, wenn man sich das gesamte Ausmaß des Lehrkräftemangels vor Augen führe, so die DPhV-Vorsitzende. Eine Konzentration auf das Kerngeschäft Unterricht sei für die Lehrkräfte mehr als an der Zeit!
Lin-Klitzing weiter: „Die Kultusministerinnen und -minister der Länder werden für das herkömmliche Aufgabenspektrum nicht genügend Lehrkräfte finden und Eltern und Kindern sagen müssen, dass sie immer wieder über einen längeren Zeitraum mit temporärem Unterrichtsfall rechnen müssen, der je nach Region und Schulart unterschiedlich stark sein wird“, erklärt die DPhV-Bundesvorsitzende Lin-Klitzing. Dass dies im Wesentlichen auf eine kurzsichtige Ausbildungs- und verfehlte Einstellungspolitik der vergangenen Jahre zurückzuführen sei, dürfe dabei nicht verschwiegen werden. Aus diesen Fehlern der Vergangenheit müsse die Politik lernen und endlich zu einer höheren Unterrichtsabdeckung mit einer kontinuierlichen und planvollen Lehrkräfte-Einstellungspolitik kommen.
Der Verband rechnet damit, dass der politisch verursachte Lehrkräftemangel voraussichtlich zwei Jahrzehnte andauern wird. Außerdem wird wegen geburtenschwacher Jahrgänge ein Jahrzehnt mit konkretem Nachwuchsmangel für den Lehrerberuf zu überbrücken sein. Lin-Klitzing: „Deutschland hat jetzt so hohe Schülerzahlen wie lange nicht mehr. Die `Babyboomer-Generation´ geht jedoch in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Davon sind die östlichen Bundesländer in besonderem Maße betroffen.“
Bestandslehrkräfte an den Schulen halten
Klar muss sein: Wenn die Lehrkräfte, die bereits an den Schulen unterrichten, nicht im Dienst gehalten werden können, wird das Problem Lehrkräftemangel nahezu unlösbar! Der DPhV fordert deshalb, die Bestandslehrkräfte in den Schulen endlich spürbar zu entlasten, um sie im Dienst zu halten.
Ein Problem ist: Lehrkräften werden Versprechen gemacht, die nicht eingelöst werden können. Zu den nicht geeigneten Maßnahmen einer sog. „Beschäftigungsreserve“ zählt Lin-Klitzing das Instrument der sogenannten „Vorgriffsstunde“. Lehrkräfte unterrichten im „Vorgriff“ mehr und bekommen das Versprechen, diese Stunden würden ihnen später zurückgegeben. Dieses Versprechen ist aber angesichts des deutlich mehr als über ein Jahrzehnt andauernden Lehrkräftemangels nicht mehr solide einlösbar. Eine Erhöhung der Regelstundenzahl wird angesichts der seit Jahren bestehenden Überbelastung der Lehrkräfte nicht erfolgreich sein können. Mehr als die gesetzlich vorgeschriebene wöchentliche Arbeitszeit werden die Lehrkräfte nicht mehr arbeiten können.
Pensionierte Lehrkräfte an den Schulen halten
Wichtig sei es aus Sicht des DPhV, bereits pensionierte und verrentete Lehrkräfte, die gerne noch etliche Stunden unterrichten wollen, an den Schulen zu halten. Dies wird attraktiver, wenn der Zuverdienst künftig nicht mehr auf das Altersruhegeld angerechnet werde. „Zu diesem einfachen Schritt konnte sich die Politik bislang nicht grundsätzlich durchringen. Das ist ein Fehler. In der Privatwirtschaft gibt es diese Zuverdienstgrenze nicht, wohl aber für die Lehrkräfte im öffentlichen Dienst“, so Lin-Klitzing. Bedeutsam könne es auch sein, zu überprüfen, wie viele Lehrkräfte an die Schulministerien für Verwaltungstätigkeiten abgeordnet wurden, die aber in den Schulen nötiger gebraucht werden.
Ein weiterer von vielen Lösungsansätzen sei es, Lehrkräfte, die nach 40 Jahren Dienst „vorzeitig“ in den Ruhestand gehen wollen, endlich mit ausstehenden Beförderungen wertzuschätzen und damit ihren Verbleib an den Schulen zu sichern. Insbesondere die Lehrkräfte in den östlichen Bundesländern bräuchten zudem Beförderungsgerechtigkeit, um im System gehalten zu werden. Hier ist der Lehrkräftemangel am größten und die Vergabe von Beförderungsstellen am geringsten.
Keine größeren Klassen und Kurse
Zu möglichen Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel, die die Bestandslehrkräfte allerdings mehr belasten als entlasten, kann das politische Instrument gehören, die Klassen und Kurse mit noch mehr Schülerinnen und Schülern zu füllen. „Diese Maßnahme lehnen wir ab. Die Gymnasien liegen in jeder Statistik am oberen Rand mit ihren Klassenzahlen (durchschnittlich 26 Schülerinnen und Schüler). Jeder Schüler mehr in einer Klasse bedeutet für die Lehrkraft mehr Korrekturen, weniger Zeit für alle Schüler im Unterrichtsgespräch und weniger Zeit für jeden einzelnen Schüler im Dialog. Eine solche Maßnahme hilft den Schülern nicht und belastet die Lehrkräfte in so hohem Maße, dass der Unterrichtsausfall auf Grund von stressbedingten Fehlzeiten den möglichen positiven Effekt leicht aufzehren kann“, so Lin-Klitzing.
Konzentration auf den Fachunterricht
Lehrkräfte brauchen ihre Arbeitszeit für guten Fachunterricht. Für Verwaltungsaufgaben, IT-Instandhaltung u.ä. sind aus Sicht des Deutschen Philologenverbandes professionelle Unterstützer zu engagieren. „Sollen Lehrkräfte weiter die chemische Sammlung aufräumen, statt Chemie zu unterrichten? Wo bleibt der Laborassistent? Unser Kerngeschäft ist der Unterricht. Deswegen treten wir auch gegen eine Senkung der Stundentafel, aber für mehr Entlastungen für Lehrkräfte zugunsten des Fachunterrichts ein“, erklärt die DPhV-Vorsitzende.
Quer- und Seiteneinsteiger richtig nachqualifizieren
Der Deutsche Philologenverband erneuert seine Forderung an die Kultusministerkonferenz, endlich die überfälligen Qualitäts-Standards für die anspruchsvolle Nachqualifikation von Quer- und Seiteneinsteigern in das Lehramt vorzulegen, damit in den betroffenen Ländern für die Schülerinnen und Schüler mehr qualifizierter Unterricht gewährleistet werden kann. Dazu gehört eine adäquate wissenschaftliche, universitäre sowie eine pädagogische Nachqualifikation für das jeweilige Lehramt. Lehrkräfte für das Gymnasium sind akademisch durch einen Master bzw. ein Staatsexamen und pädagogisch durch ein Studienseminar zu qualifizieren, bevor sie das Abitur abnehmen dürfen.
Staatlich geprüften Angeboten zur freiwilligen Weiterqualifikation von Lehrkräften, die Schülerinnen und Schülern qualifizierten Unterricht und ihnen selbst Aufstiegschancen ermöglichen, beispielsweise in Mangelfächern wie für das Unterrichtsfach Informatik, steht der Deutsche Philologenverband sehr offen gegenüber, sofern dies – wie auch bei der Nachqualifikation –akademisch durch die Universitäten und pädagogisch durch die Studienseminare begleitet geschieht. Wer Quer- und Seiteneinsteiger ins Lehramt aufnimmt, der muss auch dafür sorgen, dass diese so ausgebildet sind, dass sie nicht nach wenigen Jahren wieder aussteigen.
Fazit: Die Stellungnahme der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der KMK zum Problem des akuten Lehrkräftemangels ist von Wissenschaftlern gemacht. Das ist gut so! Sie hat aber im Wesentlichen Lösungen für ein kurzfristiges „Weiter so“ im Blick und enthält keinerlei schulpolitische Aufgabenkritik. Das ist viel zu wenig.
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