In der Studie zu Grippe-Erkrankungen wählt das Forschungsteam einen neuartigen Ansatz, bei dem Daten aus moderner Erdbeobachtung im städtischen und ländlichen Gebiet mit anonymisierten Krankenversicherungsdaten kombiniert werden. „Durch die unterschiedlichen Daten, die das DLR und die AOK Baden-Württemberg einbringen, können wir flächendeckend regionalisierte Auswertungen durchführen, um Zusammenhänge zu identifizieren“, betont Prof. Dr. Jörn Rittweger, Leiter der Abteilung Muskel- und Knochenstoffwechsel im DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin. „Der aggregierte Datensatz und die statistische Modellierung bieten großes Potential. Sie ermöglichen uns eine postleitzahlgenaue Analyse von gesundheitlichen Auswirkungen der Umweltfaktoren.“ Ein besonderer Fokus der gemeinsamen Forschung liegt auf der Wirkung der untersuchten Umweltstressoren auf vulnerable Bevölkerungsgruppen.
Signifikanter Effekt von Feinstaub und Temperatur auf Grippe-Inzidenz
In der Untersuchung zeigen sich deutliche saisonale Schwankungen bei der Grippe-Neuerkrankungsrate. Von den 513.404 im Untersuchungszeitraum von 2010 bis 2018 identifizierten Influenzafällen traten über 54 % in den Monaten Januar bis März auf. Solche vierteljährlichen Schwankungen bei der Grippe-Inzidenz sind auch für Feinstaub und Temperatur sichtbar. Die statistische Modellierung bestätigt einen signifikanten Effekt von Feinstaub und Temperatur auf die Grippeerkrankung der Versicherten. Gemäß den Hochrechnungen der Studie ist das Risiko an Grippe zu erkranken in Regionen mit der höchsten beobachtetenq Feinstaubbelastung in etwa doppelt so hoch wie in Regionen mit den niedrigsten Feinstaubwerten. Noch größer als beim Feinstaub ist der Einfluss der Temperatur auf die Inzidenz. So ergibt sich nach den statistischen Berechnungen ein etwa 8-fach größeres Risiko zur Infizierung bei den niedrigsten beobachteten Temperaturen.
„Unsere Studie zeigt, dass das Risiko in Regionen am höchsten ist, in denen es besonders kalt und in denen die Feinstaubkonzentration besonders hoch ist“, fasst Bauerfeind die Ergebnisse zusammen. „Feinstaub entsteht insbesondere durch Industrieprozesse, Verkehr und Haushaltsheizungen. Um das gesundheitliche Risiko von Luftschadstoffen zu minimieren, ist es ratsam, durch regelmäßige körperliche Betätigung, wie Radfahren oder Gehen, die Lunge sowie das Herz- und Kreislaufsystem zu aktivieren und gesund zu halten. Gleichzeitig hilft eine bewusste Ernährung und die Aufnahme von Antioxidantien, etwa durch einen erhöhten Obst- und Gemüsekonsum. Gerade der vulnerablen Bevölkerungsgruppe legen wir eine Grippe- und Pneumokokkenschutzimpfung nahe, um das Erkrankungsrisiko merklich zu reduzieren.“
Die AOK Baden-Württemberg möchte die Erkenntnisse aktiv nutzen, um die Versorgung der Versicherten zu verbessern, betont Bauernfeind: „Für uns als Gesundheitskasse ist es überaus relevant, die Auswirkung von Umwelt- und Klimaeinflüssen auf die Gesundheit im Detail zu kennen, um unseren Versicherten den bestmöglichen Schutz und Prävention bieten zu können.“ Die Ergebnisse sollen zudem in bestehende Versorgungsformen der Krankenkasse, wie im Hausarzt- und Facharztprogramm, implementiert und ausgestaltet werden.
Erstmalig Berücksichtigung ländlicher Bevölkerungsgruppen
„Die Untersuchung belegt, dass die Kombination von Erdbeobachtung und Krankenversicherungsdaten ein leistungsfähiges Konzept für Studien zur öffentlichen Gesundheit ist. Die angewandte Methodik und das statistische Modell liefern eine hohe Zuverlässigkeit und Validität der Ergebnisse“, so Rittweger. So stehen die Erkenntnisse der Forschungspartner im Einklang mit früheren Studien aus Metropol-Regionen, erweitern diese jedoch erstmalig flächendeckend mit Daten für den städtischen und ländlichen Raum. Perspektivisch sieht die AOK Baden-Württemberg dadurch Möglichkeiten, regionalspezifische Leistungen und Angebote für Prävention und Vorsorge der Versicherten abzuleiten. Besonders vulnerable Gruppen können somit vor Auswirkungen von Umwelt- und Klimaeinflüssen besser geschützt werden. Langfristig könnten dadurch auch die Kosten des Gesundheitssystems nachhaltig sinken. „Die AOK Baden-Württemberg nimmt mit dieser Studie und Forschungskooperation ihre Rolle als Gestalterin für ein resilientes Gesundheitswesen ernst und nutzt ihre wissenschaftliche Vernetzung, um das Gesundheitssystem aktiv mitzugestalten,“ unterstreicht Bauernfeind.
Influenza ist das erste untersuchte Krankheitsbild bei der langfristigen Zusammenarbeit von AOK Baden-Württemberg und DLR. Weitere Studien für andere Krankheitsbilder, beispielsweise Atemwegs-, Kreislauf-, Haut- und Stoffwechselerkrankungen, sollen folgen.
Hinweise für die Redaktionen:
Die AOK Baden-Württemberg sieht sich als Gesundheitskasse in der Verantwortung zum Erhalt von Gesundheit und Wohlergehen der Menschen beizutragen. Dabei setzt die Südwestkasse auf eine nachhaltige Ausrichtung unter gleichwertiger Betrachtung ökonomischer, ökologischer und sozialer Aspekte und entwickelt Maßnahmen, um auf sich verändernde Werte in der Gesellschaft und Rahmenbedingungen in der Umwelt reagieren zu können sowie Entscheidungen auch im Hinblick auf zukünftige Generationen zu treffen. Die AOK Baden-Württemberg verfolgt als elementaren Aspekt ihrer gesellschaftlichen Verantwortung das Ziel, bis 2030 klimaneutral zu sein. Das Marktforschungsinstitut DFSI und das Wirtschaftsmagazin EURO haben die AOK Baden-Württemberg als „Deutsch-lands nachhaltigste Krankenkasse“ ausgezeichnet (Ausgabe 08/2022). Mehr Informationen: www.aok.de/bw/nachhaltigkeit
Die Veröffentlichung im wissenschaftlichen Fachmagazin Environmental Health finden Sie hier.
Einzelprojekte aus der Forschungspartnerschaft zwischen der AOK Baden-Württemberg und dem DLR werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Die AOK Baden-Württemberg versichert über 4,5 Millionen Menschen im Land und verfügt über ein Haushaltsvolumen von über 20 Milliarden Euro.
Informationen zur AOK Baden-Württemberg unter:
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