Wie ein blauer Blitz schießt er übers Wasser, der Eisvogel (Alcedo atthis). Für viele ist der farbenprächtige Vogel keine unbekannte Art. Dennoch ist er ein Heimlichtuer par excellence, denn man bekommt den blau-glänzenden Vogel nur selten zu Gesicht. Mit bis zu 40 km/h fliegen sie dicht über der Wasseroberfläche und verraten sich nur durch ihre markanten „ziii“-Rufe. Dass man die heimische Vogelart so selten sieht, hängt auch mit dem Verschwinden seines natürlichen Lebensraums zusammen. Bach- und Flussbegradigungen haben dem Eisvogel die Brutmöglichkeiten genommen. Die Gewässerverschmutzung trägt darüber hinaus zu seiner Gefährdung bei. In Hessen und Baden-Württemberg steht der schillernde Vogel bereits auf der Vorwarnliste, weil in den vergangenen 50 bis 150 Jahren ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen war.
Als Symbol für naturnahe Gewässer haben der BUND Hessen und BUND Baden-Württemberg den Eisvogel zum Heimlichtuer des Jahres 2023 ernannt. Sein unverwechselbar elegantes und zerbrechliches Äußeres täuscht in einigen Punkten – denn der Eisvogel hält einige Überraschungen bereit.
Fliegender Edelstein
Unverkennbar ist das Federkleid des rund 18 cm großen Vogels. In der Sonne funkelt es hellblau, weshalb der Eisvogel auch als „Fliegender Edelstein“ bezeichnet wird. Das Gefieder an Bauch, um die Augen und auf den Wangen ist in einem rostigen Orange gefärbt, während die Rückenfedern und Flügel in Blautönen schimmern. An der Kehle und am Hals sind die Federn wie durch einen Pinselstrich weiß gefärbt. Anders als bei vielen Vogelarten unterscheiden sich männliche und weibliche Tiere nicht signifikant in ihrer Optik. Der einzige Unterschied ist die Farbe des unteren Schnabels, der bei den Weibchen rötlich gefärbt ist.
Beutefang im Sturzflug
Eisvögel fühlen sich an klaren und lebendigen Gewässern wohl. Denn ihr Speiseplan besteht aus Fischen, Kaulquappen und sogar wehrhaften Krebsen. Sie sind bekannt für ihren präzisen Beutefang. Das spiegelt sich in ihrem englischen Namen »kingfisher« (Königsfischer) wider. Von einem Ast aus beobachten die Tiere ihre Beute aufmerksam. Haben sie ein „Opfer“ ins Visier gefasst, schwebt der Eisvogel mit kontrollierten Flügelschlägen wie ein Helikopter über der Wasseroberfläche und schnappt nach einem rasanten Sturzflug zu: Blitzschnell taucht der zielsichere Jäger kopfüber unter Wasser – bis zu 60 cm tief. Wenige Sekunden später schnellt er mit der Beute in seinem langen Schnabel wieder aus dem Wasser und landet auf dem nächsten Ast. Seinen Fang schlägt er dort zunächst bewusstlos, bevor er ihn am Stück mit dem Kopf voran herunterschluckt.
Wasser ist sein Element, aber nur in flüssiger Form
Der Name des Eisvogels ist irreführend, denn anhaltender Frost kann ihm zum Verhängnis werden. Geschlossene Eisdecken in den Lebensräumen führen nicht selten zum Hungertod. Dem Kältewinter 1962/1963 dürften rund 90 Prozent der Population in Hessen zum Opfer gefallen sein. Auch in Baden-Württemberg kommt es im Winter immer wieder zu Verlusten bei den Eisvögeln, obwohl sie hier meist am Oberrhein leben, wo das Klima milder ist. Für die Jagd benötigt der Eisvogel generell ruhige Gewässer mit klarer Sicht. Die schnell fließenden, begradigten Gewässer sind sehr ungünstig für sein Überleben. Unwetter, die zu Wellengang und Wassertrübung führen, oder Pollen auf der Wasseroberfläche erschweren ihm die Jagd.
Liebe geht durch den Magen
Während andere Vögel die Paarungszeit mit imposanten Balztänzen zelebrieren, geht es bei den Eisvögeln kulinarisch zu. Das Männchen umwirbt seine Herzensdame mit frischem Fisch, den er ihr mit einer kleinen Verbeugung übergibt. Sie verschlingt das Geschenk an einem Stück und der Ehebund ist beschlossen. Während des Nestbaus füttert er seine Auserwählte fortwährend, wodurch ihre Paarungsbereitschaft zunimmt und die Beziehung gefestigt wird. Nach dem Liebesakt dauert es nur einen Tag, bis sie das erste Ei legt. Sechs bis acht Eier legen Eisvogel-Weibchen im Schnitt pro Brut. Zwischen März und September kommt es üblicherweise zwei bis drei Mal zur Brut. Die hohe Nachwuchsrate ist dringend erforderlich, denn etwa 70 Prozent der Altvögel sterben während eines Jahres.
Kinderstube: Außen hui, innen Pfui
Eisvögel sind Höhlenbrüter und brauchen dafür naturnahe Flüsse, Bäche, Baggerseen oder Teiche mit ausgeprägten Ufern aus Steilwänden. Die Elterntiere graben einen Brutkessel tief in die Steilwände. Die sogenannte Brutröhre hat ein leichtes Gefälle, denn die Jungvögel spritzen ihren Kot einfach in Richtung Ausgang. Zum Füttern müssen die Eltern sich zuerst durch die mit Exkrementen bespritzten Brutröhren kämpfen und nehmen danach als erstes ein reinigendes Bad. Bewohnte Bruthöhlen erkennt man am Kot, der nach draußen läuft.
Elternzeit geklärt
Das Eisvogelpaar baut die Bruthöhle gemeinsam, wechselt sich beim Brüten der Eier, Füttern und Wärmen des zunächst nackten Nachwuchses ab. Sind die Jungvögel flügge, bereitet das Eisvogel-Weibchen die Brutröhre für die nächste Brut vor. Das Eisvogel-Männchen kümmert sich um die erste Brut, lockt sie vom Nest weg und lehrt sie das Jagen. Sobald die nächste Brut da ist, verjagen die Eltern ihre eigenen Kinder aus dem Revier. Die jungen Eisvögel müssen sich dann auf die Suche nach einem eigenen Revier machen, die durch Flussbegradigungen, zu wenig geeigneten Brutwänden und verschmutzte Gewässer erschwert wird. Unsere „Fliegenden Edelsteine“ sind deshalb ein Indikator für naturnahe Flüsse und Bäche. Diese gilt es zu erhalten und zu vermehren, um das Überleben des Eisvogels und vieler weiterer Arten zu sichern.
Hintergrund
Pottwale sehen Geräusche, Jesus-Echsen laufen über das Wasser und es gibt Spinnen, die ein Lasso um ihre Beute schwingen können – aber auch unsere heimische Natur steckt voller Arten mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Oft sind es unauffällige, unscheinbare Lebewesen, deren Besonderheiten man erst beim genauen Hinsehen wahrnimmt. Der BUND Hessen und BUND Baden-Württemberg küren zum dritten Mal gemeinsam den Heimlichtuer des Jahres. 2021 fiel die Wahl auf das Glühwürmchen, 2022 auf den Ameisenlöwen.
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Weitere Informationen und Bilder vom Eisvogel finden Sie im
Artenporträt von Herwig Winter
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