Nicht nur der soziale Wohnungsbau ist seit Ende der 1980er-Jahre in Deutschland immer mehr eingeschlafen, die damalige Regierung schaffte 1990 auch die sogenannte Wohngemeinnützigkeit ab. Seither ist es nicht mehr möglich, Unternehmen, die günstigen Wohnraum für Menschen mit kleinen oder mittleren Einkommen anbieten, durch Steuererleichterungen und Zulagen zu fördern. Dabei haben gemeinnützige Wohnungsunternehmen zwischen 1950 und 1985 mehr als 3,6 Millionen Wohnungen errichtet und damit erheblich zur Linderung des Wohnungsmangels in der alten Bundesrepublik beigetragen.
Heute steht der Mangel an – bezahlbaren – Wohnungen wieder oben auf der sozialpolitischen Tagesordnung. Denn besonders seit der Finanzkrise von 2008 steigen die Mieten rasant. So ist auch die Wiedereinführung der Gemeinnützigkeit seit einigen Jahren im Gespräch – und laut Koalitionsvertrag der Bundesregierung geplant, wobei noch kein Gesetzentwurf vorliegt. Eine offene Frage ist: Wäre eine entsprechende Subventionierung von Bauunternehmen mit dem Wettbewerbsrecht der EU in Einklang zu bringen?
Prof. Dr. Pia Lange, Professorin für Öffentliches Recht und Europarecht an der Universität Bremen, hat sich in einem Gutachten für die Hans-Böckler-Stiftung mit dem Thema auseinandergesetzt. Auf den ersten Blick scheint die Sache ziemlich klar zu sein: Wenn bestimmte Unternehmen keine oder geringere Steuern zahlen als andere und staatliche Zulagen bekommen, gilt dies meist als Wettbewerbsverzerrung und ist im EU-Binnenmarkt unzulässig. Dennoch gibt es nach Analyse der Juristin eine Rechtsgrundlage für das Vorhaben: den sogenannten Freistellungsbeschluss der EU-Kommission für die Förderung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse von 2011, abgekürzt: DAWI-Beschluss.
Der DAWI-Beschluss ermöglicht es den Mitgliedsstaaten der EU, Ausnahmen vom allgemeinen Wettbewerbsprinzip zu machen und Ausgleichszahlungen an Unternehmen zu leisten, sofern auf diese Weise ein "sozialer Bedarf" gedeckt wird. Und der Wohnungsbau zählt ausdrücklich zu den Anwendungsbereichen des Beschlusses. Es bestehe "Einigkeit darüber, dass eine neue Wohngemeinnützigkeit im Kern eine Gemeinwohlverpflichtung im Sinne einer DAWI darstellen kann", so Lange. Bestimmte Voraussetzungen müsste ein Gesetz zur Wohngemeinnützigkeit allerdings erfüllen.
Grundsätzlich muss ein gefördertes Unternehmen mit einer konkret definierten Aufgabe "betraut sein", etwa "Schaffung von preisgünstigem Mietwohnraum durch Neubau, Änderung oder Erweiterung von Gebäuden". Sichergestellt werden muss außerdem, dass geförderte Unternehmen nicht mehr Unterstützung erhalten, als für den gewünschten Zweck erforderlich ist. Weiter ist auszuschließen, dass die Unternehmen staatliche Förderung zur Quersubventionierung anderer Geschäftsbereiche nutzen. Und: Die Zielgruppe muss klar definiert sein, indem beispielsweise Einkommensgrenzen für den Bezug einer gemeinnützig gebauten Wohnung festgelegt werden.
Dabei muss diese Grenze nicht extrem niedrig gezogen werden, sondern kann durchaus Mittelschichthaushalte umfassen, wie eine Verständigung zwischen den Niederlanden und der EU-Kommission zu sogenannten Woningcorporaties als gemeinnützige Unternehmen zeigte. Die Regierung in Den Haag setzte die Einkommensgrenzen so hoch an, dass gut 40 Prozent der niederländischen Bevölkerung Zugang zu Corporatie-Wohnungen haben, die Kommission akzeptierte das. Eine Anknüpfung an die in Deutschland für den Wohnberechtigungsschein oder das Wohngeld geltenden Kriterien wäre Lange zufolge in jedem Fall möglich.
*Pia Lange: Kurzgutachten zu der Frage einer unionsrechtskonformen Ausgestaltung der sozialen Zielgruppe einer Neuen Wohngemeinnützigkeit (NWG), Working Paper der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 263, Dezember 2022. Download: https://www.boeckler.de/…
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