Jahressteuergesetz 2022: Sachverständige können auch zukünftig einen niedrigeren Immobilienverkehrswert nachweisen

Mit dem im Oktober von der Bundesregierung vorgestellten Jahressteuergesetz 2022 passen die Finanzämter die steuerliche Immobilienbewertung stärker an das Marktgeschehen an. Das zum 1. Januar 2023 in Kraft tretende Gesetz enthält einige deutlich stärker als bislang am Markt orientierte Ansätze zur Bewertung von Immobilien im Erbschafts- oder Schenkungsfall. So wird die im Juli 2021 beschlossene Immobilienbewertungsverordnung (ImmoWertV 2021) nun auch von den Finanzämtern zur Ermittlung der Erbschaft- und Schenkungsteuer herangezogen. Dies kann dort zu höheren Bewertungen der Immobilien und einem Anstieg der Steuerlast bei Erbschaften oder Schenkungen führen. Mit dieser Neuerung möchte sich der Fiskus an das zunächst nur für behördliche Wertermittlungen, de facto aber auch für Sachverständige seit dem 1. Januar 2022 verbindliche Bewertungsrecht anpassen. Die Neuregelung des Bewertungsgesetzes ändert nichts an der Möglichkeit, einen geringeren Verkehrswert als den durch das Finanzamt errechneten Grundbesitzwert durch ein Sachverständigengutachten nachzuweisen. Hiermit können höhere Besteuerungen vermieden werden, wenn die steuerliche Bewertung über dem Verkehrswert liegt.

Vor allem bei denen, die in Regionen mit hohen Immobilienpreisen ein Haus oder eine Wohnung geschenkt oder vererbt bekommen, wird der Immobilienwert nun häufiger den Freibetrag übersteigen. Die Steuererhöhungen beruhen auf einer Änderung des Bewertungsgesetzes im Jahressteuergesetz 2022, nach der steuerliche Immobilienwerte künftig näher an marktüblichen Preisen festgestellt werden müssen. Dabei sollen die Finanzämter vorrangig die Daten der örtlichen Gutachterausschüsse berücksichtigen. Im Erbschaftsfall etwa würde bei einem Haus dann der Verkehrswert, auch bekannt als „Marktwert“, angesetzt. Durch die teils enormen Preissteigerungen am Immobilienmarkt in den vergangenen Jahren können somit höhere Erbschaft- und Schenkungsteuern anfallen.

Ina Viebrok-Hörmann, Bundesfachbereichsleiterin Immobilienbewertung beim BVS e.V., sagt: „Während die Freibeträge bei einer Schenkung oder Vererbung gleich geblieben sind und zum Beispiel bei 400.000 Euro für Kinder liegen, übersteigen die aktuell ermittelten Immobilienwerte in vielen Regionen diesen Wert um ein Vielfaches. Die aus der Anwendung der Novelle des Bewertungsgesetzes durch die Finanzämter resultierenden höheren Bewertungen können selbstgenutzte Wohnungen und Häuser, vermietete Objekte sowie Betriebsgrundstücke betreffen. Wesentliche Werttreiber sind die Senkung der Liegenschaftszinssätze, die Verlängerung der modellhaften Gesamtnutzungsdauer und die Anhebung der Wertzahlen, wenn es keine örtlichen Sachwertfaktoren gibt“.

Die vom Finanzamt zugrunde gelegten Bewertungsansätze berücksichtigen laut BVS nicht die besonderen Eigenheiten eines Hauses wie z. B. örtliche Lage, Instandhaltungs- oder Modernisierungsrückstand, aber auch Einflüsse aus Rechten und Lasten wie Wohn-, Nießbrauch- oder Wegerechten. Daher kann eine Verkehrswertermittlung einen geringeren als den gemeinen Wert nach Bewertungsgesetz ergeben.

Die öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige Viebrok-Hörmann erklärt: „Durch die Änderungen am Bewertungsgesetz hat sich aber weder die Verkehrswertermittlung selbst geändert, noch werden die ermittelten Verkehrswerte davon berührt. Sachverständige haben schon immer die Aufgabe gehabt, den Wert einer Immobilie marktkonform abzuleiten. Gleichwohl müssen Immobilienbesitzer die steuerlichen Bewertungen nicht einfach hinnehmen. Mit einem von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen angefertigten Verkehrswertgutachten haben Erben und Beschenkte nach § 198 BewG auch zukünftig die Möglichkeit, einen niedrigeren Verkehrswert nachzuweisen. Ein Verkehrswertgutachten lohnt sich als Entscheidungsgrundlage auch für Eigentümer, die erwägen, ihre Immobilien noch in diesem Jahr zu übertragen, für das noch die alten Bemessungsgrundlage gilt.“

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