Aus Sicht des WWF ist die Entscheidung nicht nachvollziehbar. „Es kann nicht sein, dass der MSC sich nicht an seine eigenen Regeln hält und sie sich so zurechtbiegt, wie es gerade passt. Die Fischerei auf den Hering in der zentralen Ostsee ist zurzeit nicht nachhaltig, sondern eine ökologische Katastrophe“, erklärt Philipp Kanstinger, Fischereiexperte beim WWF Deutschland.
Aufgrund des kritischen Zustandes der Heringspopulation in der zentralen Ostsee entzog der MSC im Sommer 2021 allen beteiligten Fischereien aus Deutschland, Dänemark, Estland, Schweden und Finnland das Nachhaltigkeitssiegel. Wenige Monate später aber erteilte er eine Ausnahmeregelung für die industriellen Fangschiffe, die vorwiegend Tierfutter produzieren. Gegen diese Ausnahmeregelung eröffnete der WWF im April 2022 ein Beschwerdeverfahren beim MSC. Als Ergebnis erkennt der MSC zwar in der Tat potenzielle Fehler bei der Vergabe der Ausnahmeregelung, dies hätte aber aus Sicht der Organisation keinen Einfluss auf die bereits getroffene Entscheidung, den industriellen Fischereien das Siegel zurückzugeben. Auch eine große Anzahl von handwerklichen Kleinfischern, die für den menschlichen Konsum fangen, ist vom Hering aus der zentralen Ostsee abhängig. Sie aber dürfen das MSC-Siegel weiterhin nicht für den Hering verwenden.
“Es ist unverständlich, dass die Industriefischerei weiter mit dem Siegel arbeiten darf. Hering ist zu selten und zu wertvoll geworden, um ihn als Tierfutter zu verschwenden. Dieses dann auch noch mit einem Nachhaltigkeitssiegel zu dekorieren, ist fahrlässig“, kritisiert Philipp Kanstinger.
Der WWF fordert den MSC auf, sich an die eigenen Regeln zu halten und alle Fischereien auf den Hering in der zentralen Ostsee zu suspendieren. „Solange der Fischereidruck nicht auf ein nachhaltiges Niveau gesenkt wird und der Bestand sich wieder erholt hat, führt das Siegel in die Irre.“ Generell sollte der MSC nicht tolerieren, dass Fischbestände stärker als mit dem maximalen, nachhaltigen Fischereidruck (FMSY) befischt werden.
Darüber hinaus fordert der WWF, dass die EU-Fischereiminister:innen auf ihrer nächsten Sitzung Mitte Oktober verantwortungsvolle und nachhaltige Fangmengen für alle Fischbestände in der Ostsee für das Jahr 2023 festlegen. Die Fangquoten müssen den wissenschaftlichen Empfehlungen entsprechen und einen ökosystemorientierten Ansatz für das Fischereimanagement berücksichtigen. Nur so lässt sich die Überfischung des Ostseeherings und anderer Ostseebestände beenden.
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