Für einen schweren Verstoß gegen das Gebot zur Trennung von Tätigkeiten nach Ziffer 6 des Pressekodex wurden FRANKENPOST und NORDBAYERISCHER KURIER gerügt. Die Tageszeitungen hatten gedruckt und online über die Kritik eines Oberbürgermeisters an der Leitung des örtlichen Klinikums berichtet. Die Verfasserin der Artikel hatte zudem unter der Überschrift „Erst denken, dann handeln“ Stellungnahmen des Oberbürgermeisters kritisch kommentiert. Die Autorin arbeitet jedoch parallel als Redaktionsleiterin der Patientenzeitung des Klinikums. In dieser Doppelfunktion sah der Beschwerdeausschuss einen gravierenden Interessenkonflikt gemäß Ziffer 6, Richtlinie 6.1 des Pressekodex. Deshalb hätte sie nicht für die Zeitungen über dieses Thema berichten dürfen. Zumindest jedoch hätten die Redaktionen ihrer Leserschaft den Interessenkonflikt in geeigneter Weise offenlegen müssen.
Verfälschende Darstellung eines Urteils und Diskriminierung des Täters
BILD und BILD.DE erhielten eine Rüge für die verfälschende Darstellung eines Gerichtsurteils und Diskriminierung des Verurteilten. Die Redaktion hatte auf der ersten Seite der gedruckten Ausgabe mit der Schlagzeile „11-Jährige vergewaltigt – Keine Haft für den Täter“ und online mit dem Teaser „Fall erschüttert Deutschland – Afghane vergewaltigt 11-Jährige – Keine Haft!“ aufgemacht. In den Artikeln erläuterte sie, dass der Täter minderjährig war und – wie in diesen Fällen üblich – nach Jugendstrafrecht zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden war. Die Schlagzeilen verstießen nach Ansicht des Presserats gegen das Wahrhaftigkeitsgebot nach Ziffer 1 und die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex, da sie die Straffreiheit des Täters und ein skandalöses Urteil suggerierten. Zudem verstießen die mehrfache Nennung der Nationalität sowie der Hinweis auf einen vergleichbaren Fall eines anderen Afghanen gegen das Diskriminierungsverbot nach Ziffer 12 des Pressekodex.
Falsches Zitat von Documenta-Entscheiderin
TAGESSPIEGEL.DE erhielt eine Rüge für die falsche Zitierung eines Mitglieds der Docu-menta-Findungskommission. In der Titelzeile behauptete die Redaktion „Entscheiderin nannte Israel ‚Apartheidsstaat‘ – Der Antisemitismus-Skandal auf der Documenta war absehbar“. Zwar hatte die Entscheiderin nach der im Beitrag verlinkten Quelle gesagt, sie habe „es als Schock empfunden, dass junge Menschen Angst hätten, das Wort Apartheid auch nur auszuspre-chen“. Den als Zitat wiedergegebenen Begriff hatte sie aber nicht verwendet, und ihre Aussage bezog sich auf Südafrika. Der Beschwerdeausschuss sah darin einen schweren Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex, weil die Redaktion der Documenta-Entscheiderin ein Zitat zugeschrieben hatte, das so nicht gefallen war.
Verdächtige als Brandstifter bezeichnet
BILD.DE erhielt eine Rüge für den Facebook-Teaser zum Bericht „Hier kommen vier Kegelbrüder frei!“, in dem es um die Entlassung von vier Deutschen aus der Untersuchungshaft aus einem Gefängnis auf Mallorca ging. Ihnen wurde zum Zeitpunkt der Berichterstattung Brandstiftung vorgeworfen. In dem Teaser schrieb die Redaktion: „Nach 19 Tagen in Gefangenschaft auf der spanischen Ferien-Insel Mallorca: Hier kommen die Brandstifter aus dem Knast!“ Die Formulierung „Brandstifter“ verletzte die Unschuldsvermutung nach Ziffer 13 des Pressekodex, stellte der Presserat fest. Die Redaktion hätte zwischen Verdacht und erwiesener Schuld unterscheiden müssen.
Falscher Bericht über William und Kate
Die NEUE POST wurde für einen Beitrag über Prinz William und Herzogin Kate gerügt. Das Blatt hatte unter der Überschrift „Ehe-Drama! Sie wohnt schon bei ihren Eltern“ behauptet, die Herzogin habe nach einem Ehestreit „ihre Sachen gepackt“ und die Kinder mit zu ihren Eltern genommen. Ein Beleg dafür fehlte. Ein Foto des angeblichen Auszugs, laut Artikel „vor einigen Tagen“ aufgenommen, entstand tatsächlich bereits vor Jahren. Bei einem weiteren Bild, das Kate mit ihren Eltern zeigte, handelte es sich um eine nicht gekennzeichnete Fotomontage. Der Beschwerdeausschuss erkannte einen schweren Verstoß gegen die Pflicht zur wahrheitsgetreuen Wiedergabe von Informationen nach Ziffer 2 und zur Kennzeichnung von Fotomontagen nach Richtlinie 2.2 des Pressekodex.
Foto und Name einer psychisch Kranken veröffentlicht
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER wurde wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsschutzes nach Ziffer 8 des Pressekodex gerügt. Die Zeitung hatte unter der Überschrift „Irritation vor der Vorstellung“ darüber berichtet, dass vor Beginn einer Operettenaufführung eine Frau in einem Super-Mario-Kostüm das Theater betreten und sich unter Nennung ihres Namens vorgestellt habe. Dann habe sie das Kostüm ausgezogen, habe wirre Äußerungen von sich gegeben und sei schließlich von Ordnungskräften aus dem Saal begleitet worden. Der Name der Frau wurde genannt und ein Foto von ihr veröffentlicht. In dieser identifizierenden Darstellung einer offensichtlich psychisch Kranken sah der Presserat einen schweren Verstoß gegen den Persönlichkeitsschutz.
Opfer-Fotos von Twitter übernommen
BILD.DE wurde für die Veröffentlichung von Opfer-Fotos des Attentats an einer Grundschule im texanischen Uvalde gerügt. Unter der Überschrift „Als Amerie den Notruf wählte, drückte der Killer ab“ zeigte die Redaktion Porträts von ums Leben gekommenen Kindern und einer Lehrerin. Die Bilder hatte die Redaktion von den Twitter- und Facebook-Accounts der betroffenen Familien übernommen. Nach Ziffer 8, Richtlinie 8.2 des Pressekodex ist die Identität von Opfern für das Verständnis des Tathergangs in der Regel jedoch unerheblich. Die Angehörigen hätten vor der Übernahme der Fotos jedenfalls gefragt werden müssen.
Herabwürdigung eines Polizisten mit eingenässter Hose
BILD und BILD.DE erhielten eine Rüge für die herabwürdigende Darstellung eines Polizisten. Unter den Überschriften „Suff-Fahrer hat die Hose voll“ und „Hose-voll-Fahrer ist selbst Polizist“ hatte die Redaktion über einen betrunkenen Autofahrer berichtet, der sich eine Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert und einen Unfall verursacht hatte. Die Beiträge zeigten jeweils ein Foto, auf dem der Fahrer von hinten mit im Schritt nasser Hose zu sehen war. Der Presserat sah in der Fokussierung auf die eingenässte Hose Verstöße gegen die Menschenwürde nach Ziffer 1, den Persönlichkeitsschutz nach Ziffer 8 und die Ehre des Mannes nach Ziffer 9 des Pressekodex.
Lotterieanbieter namentlich genannt
Wegen Schleichwerbung gerügt wurde die Online-Ausgabe der RHEINISCHEN POST. Die Redaktion hatte unter der Überschrift „Plötzlich 700.000 Euro reicher“ über einen in der Region ansässigen Lotteriegewinner berichtet. Dabei wurde mehrfach der konkrete Lotterieanbieter genannt. Auf einem beigestellten Foto war zudem plakativ das Logo der Lotterie zu sehen. Diese Hervorhebung des Anbieters ist nicht durch ein öffentliches Interesse gedeckt und stellt Schleichwerbung nach Ziffer 7, Richtlinie 7.2 des Pressekodex dar.
Interview mit Optiker über „Trends der Saison”
Ebenfalls Schleichwerbung sah der Presserat in einem Artikel der LIPPISCHE LANDES-ZEITUNG mit dem Titel „Nachhaltigkeit ist gefragt“. Die Zeitung hatte darin auf Basis eines Gesprächs der Redaktion mit dem Inhaber eines Optikergeschäfts in Lemgo über die Trends der Saison bei Sonnen- und Sportbrillen berichtet. Der Presserat sah in der Veröffentlichung einen Wettbewerbsvorteil für den konkreten Optiker, da sich die Berichterstattung ohne erkennbaren Grund ausschließlich auf ihn konzentrierte und andere ortsansässige Anbieter nicht genannt wurden.
Leserschaft Diät-Produkt nahegelegt
Für einen schweren Verstoß gegen das Trennungsgebot von Werbung und Redaktion nach Ziffer 7, Richtlinie 7.2 des Pressekodex wurde FOCUS gerügt. Das Magazin hatte unter der Überschrift „Überflüssige Kilos einfach pulverisieren?“ positiv über sogenannte Formulardiäten berichtet und dabei ein bestimmtes Präparat mehrfach namentlich genannt, ohne dass ein Alleinstellungsmerkmal für dieses Produkt erkennbar war. Zudem gab die Redaktion einer sogenannten „Expertin”, die zum Hersteller des Produktes gehörte, Gelegenheit zur Bewertung des Diät-Shakes. Die Produktnennung war daher nicht hinreichend von einem öffentlichen Informationsinteresse gedeckt und überschritt die Grenze zur Schleichwerbung deutlich.
Werbliches Firmenporträt
Die SÄCHSISCHE ZEITUNG wurde für ein Interview mit den Inhabern einer regionalen IT-Firma unter der Überschrift „‚In anderthalb Stunden 10.000 Euro abgeräumt‘“ gerügt. Die Interviewten bekamen dabei die Gelegenheit, ihre Leistungen und deren Preise ausführlich darzustellen, ohne dass hierfür ein hinreichender Anlass oder ein erkennbares Alleinstellungsmerkmal bestanden hätte, welche die porträtierte Firma von anderen, lokalen Anbietern nachvollziehbar herausgehoben hätte. Die Berichterstattung ging daher in dieser Form über das öffentliche Interesse hinaus und überschritt damit deutlich die Grenze zur Schleichwerbung nach Ziffer 7, Richtlinie 7.2 des Pressekodex.
Statistik
Insgesamt behandelt wurden 99 Beschwerden, wovon 56 als begründet und 30 als unbegründet erachtet wurden. Dazu gehören 13 öffentliche Rügen, 15 Missbilligungen und 22 Hinweise. Sechs Beschwerden waren begründet, es wurde aber auf eine Maßnahme verzichtet. Bei 13 Beschwerden handelte es sich um Wiederaufnahmen und Einsprüche.
Den aktuellen Stand der Rügen-Veröffentlichungen aus den vergangenen Sitzungen können Sie hier einsehen: https://www.presserat.de/…
Zum Pressekodex: http://www.presserat.de/…
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