Bei der EU-Kommission zeigt der NABU mit seiner Beschwerde den Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot im EU-Vogelschutzgebiet „Östliche Deutsche Bucht“ an. Inzwischen haben unabhängige Studien gezeigt, dass durch den Windpark Butendiek neben den Seetauchern fünf weitere streng geschützte Vogelarten massive Lebensraumverluste im für sie ausgewiesenen Schutzgebiet erleiden. Gleichzeitig kritisiert der NABU die mangelhafte Umsetzung der europäischen Umwelthaftungs-Richtlinie in Deutschland. „Der Fall zeigt, wie ineffizient Deutschland das Umweltschadensrecht umsetzt. Für Abwehr und Sanierung eines Umweltschadens sind unterschiedliche Behörden und damit auch unterschiedliche Gerichte zuständig. Das macht entsprechende Klagen nicht nur für uns als Umweltverband aufwendig und teuer. Zudem darf in Deutschland ein drohender Umweltschaden nicht Gegenstand einer Klage sein. Das bedeutet: Wir müssen im schlimmsten Fall erst abwarten, bis ein Umweltschaden eingetreten und nachgewiesen ist, bevor wir die zuständige Behörde per Klage verpflichten können, aktiv zu werden“, erläutert NABU-Meeresschutzexpertin Anne-Böhnke-Henrichs.
Der Umweltschaden im Vogelschutzgebiet ist heute unstrittig. Um den Ausnahmebetrieb des Windparks zu ermöglichen und eine Stilllegung oder gar den Rückbau zu vermeiden, hat das BfN eine erste sogenannte Kohärenzsicherungsmaßnahme angeordnet, die der NABU scharf kritisiert. „Die Grenzen des Vogelschutzgebietes sollen in das benachbarte FFH-Gebiet erweitert werden, ohne eine einzige Maßnahme zum Schutz der Seevögel zu beschreiben. Dabei erkennt das zuständige Bundesumweltministerium in seinem Verordnungsentwurf selbst, dass die meisten wirtschaftlichen Nutzungen weiterhin möglich sind. Der armselige Rettungsversuch existiert somit nur auf dem Papier und ist de facto ein Nullsummenspiel. Dagegen hatte der der NABU bereits am 8. März einstweiligen Rechtsschutz beantragt“, so Böhnke-Henrichs weiter.
Der Fall Butendiek zeigt: Planung gegen geltendes EU-Recht wird teuer, verzögert Verfahren und schafft Rechtsunsicherheiten. Eine Entwicklung, welche die Bundesregierung durch ihr Osterpaket und das jüngst novellierte Windenergie-auf-See-Gesetz noch verschärft. Der NABU appelliert daher an die Politik, Natur- und Klimaschutz nicht zu Gegnern zu machen. Vielmehr muss beides gemeinsam gelingen, indem andere Nutzungen im Meer, die Fischerei, die Schifffahrt und der Rohstoffabbau, reduziert werden und Deutschland Umweltziele in Nord- und Ostsee endlich ernst nimmt und umsetzt. Die Chance dazu ist da. So enthält der aktuelle Koalitionsvertrag gute Ideen, den Zustand der Meere zu verbessern – von Wiederherstellungsmaßnahmen bis zu einem Aktionsplan Schutzgebiete.
Hintergrund
Seit acht Jahren kämpft sich der NABU juristisch durch die nationalen Instanzen in mehreren Verfahren. Im April 2021 erstritt Deutschlands größter Naturschutzverband eine erfolgreiche Entscheidung am Bundesverwaltungsgericht: Es entschied, dass das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie grundsätzlich auch in den Betrieb des Windparks eingreifen und etwa Abschaltzeiten während der Vogelrast anordnen kann. Das Verfahren wurde zurück an das OVG Hamburg verwiesen. Einen weiteren wichtigen Beschluss fasste das Bundesverwaltungsgericht im März 2022, als es die Revision des NABU gegen das Urteil des OVG Münster zuließ. Die Münsteraner Richter hatten in der weiträumigen Vertreibung der Seetaucher aus dem für sie eingerichteten Vogelschutzgebiet keinen Umweltschaden erkannt.
Das Vogelschutzgebiet „Östliche Deutsche Bucht“ wurde im Jahr 2005 unter Schutz gestellt, unter anderem für die schon damals als störempfindlich bekannten Stern- und Prachttaucher. 2014 wurde der Windpark Butendiek mitten im Verbreitungsschwerpunkt der sensiblen Arten errichtet. Wissenschaftliche Studien und Monitorings zeigen spätestens seit 2017, dass die Auswirkungen des Windparks viel großräumiger sind als bei der Genehmigung angenommen. Allein durch Butendiek werden rund 20 Prozent des Seetaucherlebensraums im Vogelschutzgebiet gestört. Hinzu kommen nachweislich Lebensraumverluste durch weitere Windparks am Rand des Vogelschutzgebiets. Auf dem diesjährigen Meeresumweltsymposium des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie zeigte der Vortrag von Prof. Stefan Garthe (Forschungs- und Technologiezentrum Westküste), dass nicht nur Seetaucher, sondern auch Trottellummen, Eissturmvögel, Tordalk und Basstölpel durch die Windparks Lebensraum im Vogelschutzgebiet verlieren.
Mit mehr als 875.000 Mitgliedern und Fördernden ist der 1899 gegründete NABU der älteste und mitgliederstärkste Umweltverband Deutschlands. Der NABU engagiert sich für den Erhalt der Lebensraum- und Artenvielfalt, den Klimaschutz sowie die Nachhaltigkeit der Land-, Wald- und Wasserwirtschaft. Der NABU begeistert für die Natur und fördert naturkundliche Kenntnisse für ein aktives Naturerleben. Mehr Infos: www.NABU.de/wir-ueber-uns
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