Das war einmal: Lebensversicherungen mit stillen Reserven
Stille Lasten sind das Gegenteil von stillen Reserven. Stille Reserven sind grundsätzlich positiv. Bei Gesellschaften mit hohen stillen Reserven könnte man sagen, „da geht noch was“, denn es besteht ja eine Reserve. Wenn wir zunächst das Entstehen von stillen Reserven erklären, wird verständlich, dass stille Lasten sich unter bestimmten Gegebenheiten negativ für Sparer:innen auswirken können, die auf Lebensversicherungen als Geldanlage setzen.
Stille Reserven, stille Lasten: Alles ein Ergebnis der Geldanlagepolitik der Lebensversicherungen
Wie eingangs geschrieben, dreht sich alles um die Zinsen. Dies ergibt sich aus der Zusammensetzung des Vermögens, welches die Lebensversicherungen aus dem Geld der Kunden:innen und für die Kunden:innen gebildet haben. Der weit überwiegende Teil der Anlagen erfolgt in Renten (2). Der Anteil lag im Jahr 2021 knapp unter 80%.
Renten sind für Laien möglicherweise ein missverständlicher Begriff. Statt Renten kann man auch den Begriff Anleihen oder festverzinslicher Wertpapiere verwenden. Allerdings fallen auch Wertpapiere mit variabler Verzinsung unter diesen Oberbegriff. Anleihen werden von Staaten oder Unternehmen ausgegeben. Sie zeichnen sich durch einen bei Ausgabe des Wertpapiers vereinbarten festen Zins aus, der jährlich zu zahlen ist. Weiter ist eine Laufzeit festgelegt, an dessen Ende der Betrag an den/die Anleger:in zurückgezahlt wird. Festverzinsliche Wertpapiere gelten als sicherer als zum Beispiel Aktien. Deutsche Staatsanleihen gelten dabei als besonders sicher.
Warum konnten Lebensversicherungen in der Vergangenheit stille Reserven statt stille Lasten bilden?
Diese Frage beantwortet sich, wenn man einmal betrachtet, weshalb die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen der Lebensversicherung in den letzten Jahren nicht noch tiefer gesunken ist.
Seit dem Jahr 2009 sind die Zinsen kontinuierlich gesunken. Die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen hat aber bei weitem nicht im gleichen Ausmaß abgenommen. (Eine Grafik dazu finden Sie im Originalbeitrag auf FINANZEN-NEWS-ANDERS.
Dies ist kaum verständlich, wenn in Betracht gezogen wird, dass über 80% der Kapitalanlagen von Lebensversicherungen in Anleihen/Renten erfolgt, deren laufender Ertrag sich aus den Zinsen ergibt.
Verständlich wird dies erst, wenn man die Fußnoten zu den Zahlen des GDV ab dem Jahr 2012 betrachtet: „Sondereffekt durch verstärkte Realisierung von Bewertungsreserven“.
Diese Bewertungsreserven entstehen dadurch, dass in Zeiten sinkender Zinsen der Kurswert von festverzinslichen Wertpapieren steigt. Das Prinzip ist ganz einfach. Stellen Sie sich vor, Sie hätten in „guten“ Zinszeiten eine Anleihe mit 10-jähriger Laufzeit und einem jährlichen Zins von 4% erworben. Nach 5 Jahren benötigen Sie Geld und wollen die Anleihe über die Börse verkaufen. Zu diesem Zeitpunkt gibt es für neue Anleihen mit der gleichen Restlaufzeit, wie ihr Wertpapier sie hat, nur noch 2% Zinsen. Wetten, dass jeder ihnen gerne ihre alte Anleihe abkauft? Diese bringt schließlich jedes Jahr 2% mehr Zinsen. Sie werden also für Ihre Anleihe einen höheren Preis erhalten, als Sie ursprünglich gezahlt haben. Sie erzielen einen Kursgewinn. Man kann auch sagen, sie lösen stille Reserven auf. So sind also die Bewertungsreserven der Lebensversicherungen zumindest teilweise zu erklären. Die Lebensversicherungen haben relativ gut verzinste Anleihen vorzeitig verkauft. Nur irgendwann sind keine entsprechenden Anleihen im Geldtopf der Lebensversicherung mehr enthalten. Bis dahin galt: Niedrige Zinsen sind zweifelsohne schlecht für Lebensversicherungen. Solange die Zinsen aber sinken, sind zumindest teilweise Gewinne möglich.
Steigende Zinsen führen bei Lebensversicherungen zu stillen Lasten
Bei steigenden Zinsen ist es genau umgekehrt. Wenn Sie eine Anleihe mit einem sehr geringen Zins von zum Beispiel 0,29% mit 10-jöhriger Laufzeit gekauft haben und dieses Papier nach 4 Jahren verkaufen wollen zu einem Zeitpunkt, wo das Zinsniveau 4% beträgt, wird man Ihnen dieses Papier nur mit einem hohen Kursabschlag abkaufen. Und weil Lebensversicherungen auch zu Zeiten des sehr niedrigen Zinsniveaus Anleihen gekauft haben, haben Sie jetzt eben stille Lasten.
Wann entfalten stille Lasten in Lebensversicherungen negative Wirkungen?
Grundsätzlich haben die Gesellschaften zunächst einmal nur eingeschränkte Chancen von den steigenden Zinsen zu profitieren. Einfach umschichten von den schlecht verzinsten Anleihen auf die neuen höher verzinsten Papiere kann mit sehr hohen Verlusten verbunden sind.
Können Lebensversicherungen dann überhaupt von steigenden Zinsen profitieren?
Am besten geht dies, wenn den Gesellschaften sukzessive möglichst viel neue Gelder zufließen. Diese können dann in die besser verzinsten Anleihen investiert werden. Negativ sind die Aussichten aber auch, wenn den Gesellschaften zu viele Verträge storniert werden. Es fehlen dann eben die monatlichen Beiträge, die zu besseren Zinskonditionen angelegt werden können. Aktuell sieht es in dieser Hinsicht für die Branche weniger gut aus. Die Stimmung hinsichtlich möglichen Neugeschäfts ist schlecht (3). Auch haben einige Gesellschaften eine durchaus große Zahl von Vertragskündigungen hinzunehmen (4).
Wie sieht es mit Ihrem Vertrag aus?
Es reicht nicht allein, sich die Hochrechnungen der Gesellschaften anzuschauen. Wichtig ist es, unterschiedliche Ratings und zusätzlich die Anzahl der neu gewonnen Verträge zu betrachten. Zudem ist eine Einschätzung der Geschäftspolitik der Lebensversicherungsgesellschaft vorzunehmen. Wenn Sie eine Einschätzung Ihres Lebensversicherungsvertrages wünschen, nehmen Sie gern Kontakt mit uns auf.
Quellen/Links:
(1) procontra online, LV-Check: Bei diesen Lebensversicherern drohen stille Lasten, 30.08.2022
(2) GDV – Link
(3) AssCompact, Geschäft mit Lebensversicherungen bleibt angespannt, 01.09.2022
(4) procontra online, Diese Lebensversicherer verloren über 50.000 Verträge, 02.09.2022
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