„Unsere multizentrische Langzeitstudie C19.CHILD ist ein weiteres großes Puzzleteil für die Gesamtschau auf die Corona-Pandemie. Sie nimmt gesunde und chronisch kranke Kinder aus ganz Hamburg in den Blick und liefert uns so eine umfassende Datenbasis, die wir in Hinblick auf die immunologischen Folgen der Interaktion des Virus mit dem kindlichen Immunsystem untersucht haben. Unsere vertiefenden Analysen zeigen, dass Kinder mit chronischen Erkrankungen kein erhöhtes Infektionsrisiko haben und auf eine Infektion mit einer guten Immunantwort reagieren“, sagt Prof. Dr. Ania C. Muntau, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, die gemeinsam mit Prof. Dr. Søren W. Gersting, Direktor des Forschungszentrums der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, und Prof. Dr. Thomas S. Mir, stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinderherzmedizin und Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern, die Studie leitet.
Für die C19.CHILD-Studie wurden zwischen Mai und Juni 2020 mehr als 6.000 gesunde und chronisch kranke Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis 17 Jahren aus dem gesamten Hamburger Stadtgebiet untersucht: 47 Prozent Mädchen, 53 Prozent Jungen, die im Schnitt 7,6 Jahre alt waren und aus mehr als 4.000 Familien kamen. Etwa bei einem Drittel der Kinder lag eine chronische Grunderkrankung vor. Darüber hinaus wurde bei 4.657 Kindern eine Blutuntersuchung auf Antikörper gegen SARS-CoV-2 durchgeführt, um Kinder mit bereits durchgemachter Corona-Infektion (sogenannte seropositive Kinder) zu identifizieren. Wurde während der ersten Studienphase besonders die Infektiosität und die Rolle der Kinder als Virus-Übertrager:innen untersucht, standen in Follow-Up-Studien die Entwicklung der kindlichen Immunantworten im Fokus.
Ergebnis 1: Rolle von Kindern im Pandemiegeschehen gering
Die Rekrutierung für die Studie hatte unmittelbar nach dem ersten Hamburger „Lockdown“ stattgefunden. Eine akute SARS-CoV-2 Infektion lag zu dieser Zeit nur bei einem Kind in der gesamten Kohorte vor. Antikörper gegen SARS-CoV-2 wurden bei 67 Kindern nachgewiesen, das entspricht 1,44 Prozent der untersuchten Population. Der Anteil der seropositiven Kinder war in der jüngsten Altersgruppe am niedrigsten und stieg mit jedem Lebensjahr an. Dieses Ergebnis zeigt ein geringes Infektionsgeschehen während der ersten Pandemiewelle.
29 Prozent der in der C19.CHILD-Studie untersuchten Kinder hatten chronische Erkrankungen, dennoch war die Seroprävalenz bei ihnen nicht höher als in der Gruppe der gesunden Kinder. Auch wurden bei den 16 seropositiven Kindern mit einer chronischen Erkrankung keine besonders schweren Krankheitsverläufe berichtet. Diese Kinder nahmen mit allen im gleichen Haushalt lebenden Kontaktpersonen an einer Folgestudie teil. Alle Familienmitglieder wurden auf eine akute oder abgelaufene Corona-Infektion (Antikörper) getestet. Die Analyse zeigte, dass in Familien, in denen das Kind die zuerst infizierte Person im Haushalt („Indexperson“) war, weniger Familienmitglieder Antikörper entwickelt haben als in Familien mit erwachsenen Indexpersonen. Diese Beobachtung deutet auf eine geringere Übertragbarkeit des Virus durch Kinder als durch Erwachsene hin.
Diese Familien nahmen 2020 an insgesamt drei Follow-Up-Terminen über sechs Monate teil, so konnten die Wissenschaftler:innen den Antikörperspiegel im Blut über einen langen Zeitraum (bis zu neun Monate nach Infektion) beobachten und stellten fest, dass Kinder im Durchschnitt eine höhere Antikörper-Konzentration gegen das Spike-Protein des SARS-CoV-2 entwickelt haben als die erwachsenen Kontaktpersonen. Der Unterschied zu den Erwachsenen nahm mit der Zeit ab, bestand aber auch noch sechs Monate nach Studieneinschluss. Eine Zweitinfektion wurde bei keinem der Studienteilnehmenden bis Ende 2020 beobachtet. Die Wissenschaftler:innen stellten fest, dass Kinder sehr gut in der Lage sind, mit einer deutlichen Antikörperantwort auf die natürliche Infektion durch SARS-CoV-2 zu reagieren.
Literatur: G. A. Dunay, S. W. Gersting et al., Long‑Term Antibody Response to SARS‑CoV‑2 in Children. J Clin Immunol 2022.
DOI: https://doi.org/10.1007/s10875-022-01355-w
Ergebnis 2: Stabiler Immunschutz bei Kindern
Bei 126 Kindern, verteilt über alle Altersgruppen, wurde im Rahmen der C19.CHILD-Studie die Immunantwort der sogenannten T-Zellen gegen das SARS-CoV-2 untersucht. Bei 61 Prozent der Kinder nach gesicherter SARS-CoV-2-Infektion konnte eine spezifische T-Zell-Immunität mit starker antiviraler Qualität nachgewiesen werden. Vorschulkinder zeigten durchschnittlich jedoch geringere T-Zellantworten als ältere Kinder. Bei 45 Prozent der Kinder, die sich in der ersten Welle mit SARS-CoV-2 infiziert hatten, konnte eine kreuzreaktive T-Zellantwort gegen die erst später aufgetauchte Beta-Variante von SARS-CoV-2 nachgewiesen werden. Frühere Infektionen durch andere humane Corona-Viren hatten hingegen keinen Einfluss auf die Bildung der T-Zellantwort auf SARS-CoV-2. Die Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die T-Zell vermittelte Immunität bei neuen Virusvarianten erhalten bleibt. Die Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass dies auch auf die Immunantwort nach einer Impfung übertragbar ist.
Literatur: K. Paul, S. W. Gersting, G. A. Dunay et al., Specific CD4+ T Cell Responses to Ancestral SARS-CoV-2 in Children Increase with Age and Show Cross-Reactivity to Beta Variant. Front Immunol., 2022.
DOI: https://doi.org/10.3389/fimmu.2022.867577
Ergebnis 3: Effektiver Analyseansatz von kleinen Blutproben gefunden
Im Rahmen der C19.CHILD-Studie wurde ein neuer Ansatz zur Analyse von kindlichen Immunzellreaktionen entwickelt, dabei können selbst geringe Mengen kindlicher Blutproben analysiert werden. Die neue Methodik kommt insbesondere großen, langfristig angelegten Studien zugute, da der Ansatz für im Flüssigstickstoff archivierte Proben optimiert wurde und somit künftig auf andere, neuartige Virusinfektionen und -varianten übertragen werden kann.
Literatur: F. Sibbertsen, G. A. Dunay et al., Phenotypic analysis of the pediatric immune response to SARS-CoV-2 by flow cytometry. Cytometry. A, 2021.
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