11. DEBUT Klassik-Gesangswettbewerb: Packende Opernarien, fallende Stecknadeln

Das mitreißende Galakonzert des 11. DEBUT Klassik-Gesangswettbewerbs im Konzertsaal der TauberPhilharmonie in Weikersheim wurde zu einem Fest bekannter und anspruchsvoller Arien. Gehörigen Anteil daran hatte das Philharmonische Orchester Würzburg, das zuvor alle zwölf Arien mit den Finalisten einstudiert hatte.

Das Orchester folgte exzellent den vom Dirigenten GMD Enrico Calesso gesetzten zurückhaltenden oder auch intensiven und dramatischen Impulsen. Die zur Gala gespielte Ouvertüre von Rossinis letzter Oper „Wilhelm Tell“ mit einem Bild der Schweizer Alpen von der Morgendämmerung, die in einem Sturm mündet, bis zum rasanten Marsch der Schweizer Soldaten, war die perfekte Einstimmung auf das Gesangsfinale.

Jury mit klangvollen Namen

Sechs Finalisten hatten sich in der Vorrunde und dem Semifinale für die Gala qualifiziert. Eine herausragende Jury mit der Vorsitzenden Anna Larsson, Prof. Gerd Uecker, Bernd Loebe, Prof. Dr. Stephan Mösch, Rebekah Rota, Susanne Schmidt, Shirley Thomson, Franco Vassallo und Evamaria Wieser kürten den 1994 in Karaganda (Kasachstan) geborenen Tenor Kudaibergen Abildin zum überglücklichen Gewinner der Goldenen Viktoria 2022. Die Auszeichnung war verbunden mit einem Geldpreis in Höhe von 10.000 Euro. Insgesamt waren bei der Gala und dem vorangegangenen Liederabend über 37.000 Euro ausgelobt. Die Schirmherrschaft hatten Prof. Dr. hc. mult. Reinhold Würth und die Kammersängerin Brigitte Fassbaender übernommen, die während der Jury-Beratung vom Moderator und Fernsehjournalisten Felix Seibert-Daiker, der unterhaltsam durch die Gala führte, zu ihrer Karriere befragt wurde. Sie selbst habe nie an einem Wettbewerb teilgenommen, bekannte ein Weltstar der Oper wie des Liedgesangs. Dass die Wettbewerbswoche in Weikersheim mehr als nur ein Kräftemessen ist, meinte Prof. Dr. Stephan Mösch. Andernorts im Wettbewerbszirkus würde nicht die Interpretation eines zeitgenössischen Liedes verlangt. Diese große Herausforderung sei eine seltene Chance, um einmal zu sich selbst zu finden. Vielleicht liegt in der Förderung zeitgenössischer Kompositionen als Alleinstellungsmerkmal eine große Chance von DEBUT. Bei der zeitgenössischen Arie von Lucia Ronchetti, die Inna Husieva, begleitet vom Cellisten Florian Schmidt-Bartha, schon am letzten Donnerstag den Liedpreis eingebracht hatte, wurde es im Konzertsaal unfassbar still; man hätte eine Nadel fallen hören können.

Ein Sänger auf dem Weg nach oben

Schon vor dem Gesangswettbewerb im Taubertal waren die Talente des siegreichen Tenors nicht verborgen geblieben. Der Absolvent der National University of the Arts in Astana verstärkt ab der Spielzeit 2022/23 das Ensemble der Oper Frankfurt, wo er Partien wie Tamino (Die Zauberflöte), Lukasch (Die Zauberin) und Lenski (Eugen Onegin) übernehmen wird.

In dem seit 2002 auf Initiative von Dr. Manfred Wittenstein aus der Taufe gehobenen Wettbewerb im zweijährigen Turnus ist Kudaibergen Abildin nach Kartal Karagedik vor vier Jahren erst der zweite Sänger, der den inzwischen international renommierten Wettbewerb gewinnen konnte. Der Moderator begrüßte vor der Preisverleihung die Sopranistin Karolina Bengtsson aus Schweden. Sie war im DEBUT-Jubiläumsjahr 2020 die letzte von bisher neun Sängerinnen, die in den Jahren zuvor jeweils den ersten Platz erringen konnten.

Herausragende Stimmen

Nicht immer glücklich sind Sängerinnen oder Sänger, die in einer Konkurrenz-Situation als Erste auf die Bühne müssen. Doch die in Wuppertal geborene Sarah Yang glänzte mit ihrem ausgereiften Vortrag der Arie der Sophie „Ich bin Euer Liebden sehr verbunden“ aus „Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss und der Arie der Frau Fluth „Nun eilt herbei“ aus Otto Nicolais Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“. Ihre stimmliche und darstellerische Präsenz und die spürbare künstlerische Reife wurde mit einem Engagement-Preis vom Richard-Wagner-Verband Würzburg-Unterfranken belohnt. Bereits beim DEBUT-Liederabend zwei Tage zuvor war sie gemeinsam mit der deutschen Mezzosopranistin Marlen Bieber mit einem von Dr. Wittenstein gestifteten Sonderpreis ausgezeichnet worden.

Die 1999 geborene Mezzosopranistin Rebecka Wallroth aus Schweden hatte die Arie des Sesto „Parto, parto“ aus Mozarts Oper „La Clemenza di Tito“ und die Arie des Octavian „Wie du warst“ aus „Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss ausgewählt. Sie überzeugte mit einer reizvollen, gut kontrollierten und vielversprechenden Stimme, auch wenn es nicht zu einem Preis reichte. Zu bewerten war das „Gesamtpaket“ eines Vortrags, zu dem nach den Kriterien der DEBUT-Jury Stimme, Technik, Musikalität und künstlerische Persönlichkeit gehören.

Inspirierende Erlebnisse

Mit ihrem glutvoll-innigen Gesang entlockte dann die Sopranistin Caterina Marchesini den Zuhörern geradezu emotionale Aufwärtsspiralen. Ausgewählt hatte sie die Arie der Elettra „Oh, smanie! Oh, furia!“ aus Mozarts „Idomeneo“ und die Arie der Tatianah „Puskaj pogibnur ja“ aus Tschaikowskis Oper „Eugen Onegin“. Das Mulittalent hat Klavier und Geige studiert und wirkte sogar in einem Filmdrama mit („Diminuta“ von Regisseur Bruno Saglia).

Schon im umfangreichen Programmheft mit vielen Details über den diesjährigen Wettbewerb, der alle 37 Nachwuchstalente in alphabetischer Reihenfolge vorstellt, steht der Tenor Kudaibergen Abildin an erster Stelle. Und diese behielt er bis zum Schluss. Mit seiner profunden Interpretation der Arie des Lenski „Kuda, kuda“ aus Tschaikowskis Oper „Eugen Onegin“ und der Arie des Faust „Salut, demeure chaste et pure“ aus Charles Gounods Oper „Faust“ überzeugte er nicht nur mit schöner Stimmgebung und genauer Linienführung. Mit sehr sparsamen Gesten legte er alle Inbrunst in den Ausdruck und offenbarte die Psychologie der Figur.

Zu einem inspirierenden Erlebnis wurde der Auftritt von Inna Husieva. Sie interpretierte die Arie der Juliette „Dieu! Quel frisson“ aus Gounods Oper „Romeo et Julliette“ und war als Lucia mit der Arie „Regnava nel silenzio“ aus Donizettis „Lucia di Lammermoor“ zu hören. Die an die Zofe gerichtete düstere Erzählung über den Geist eines Verstorbenen und die Freude über das baldige Erscheinen von Edgardo („Quando rapito in estasi“) sind mit einer kräftigen Prise ins Tragische gewürzt. Husieva gelingen schöne Verzierungen, Triller und schwierige große Tonsprünge scheinbar mühelos. Die Silberne Viktoria mit einem Preisgeld 7.500 Euro und ein Engagement-Preis des Philharmonischen Orchesters Würzburg waren der Lohn.

Als letzter Finalist wusste sich der 1990 in Seoul geborene Beomjin Angelo Kim publikumswirksam mit der Frische eines jugendlichen Tenors und Höhenglanz in seiner Stimme zu behaupten. Der Koreaner ist in der Opernszene kein unbeschriebenes Blatt, denn Anfang des Jahres überzeugte er schon das Karlsruher Publikum im Badischen Staatstheater. Dort gefiel er als verliebter Ernesto, der zweiten männlichen Hauptrolle in Donizettis Oper „Don Pasquale“. In Weikersheim gewann er dank formvollendeter Vorträge der Arie des Tamino aus Mozarts Zauberflöte („Dies Bildnis ist bezaubernd schön“) und der Arie des Alfredo „Lunge da lei …“ aus Verdis „La Traviata“ die Bronzene Viktoria mit dem Preisgeld von 5.000 Euro und zusätzlich den mit 3.000 Euro dotierten Publikumspreis, gestiftet von Dr. Cornelia Müller-Reiter, Edelgard und Max Bieniussa Leuser und Dr. Andreas Marb.

Bei der Gala wurde noch der Musikalische Förderpreis Jugend, gestiftet von der Sparkasse Tauberfranken mit einem Preisgeld von 1.500 Euro an die junge Isländerin Marta Kristín Fridriksdòttir verliehen. Zudem vergab die Jeunesses Musicales Deutschland ein Stipendium im Rahmen „Junge Oper Weikersheim 2023“ an den Liedpreis-Gewinner Geng Lee aus China.

Die Aufzeichnung des Galakonzerts wird vom SWR2 am 9. Oktober um 20 Uhr ausgestrahlt.

Alle Informationen zum Wettbewerb sowie Text- und Bildmaterial in printfähiger Qualität unter www.debut.de.

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