„So groß die Anzahl der Vorschläge inzwischen auch ist, so einig sind sich Wissenschaft und Zivilgesellschaft doch über die Ausgestaltung einer grundlegenden Reform des Straßenverkehrsrechts“, sagt Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende. „Die Bundesregierung sollte die angekündigte Reform jetzt zusammen mit den Bundesländern entschlossen angehen. Die Aufschiebung des Klimaschutzsofortprogramms darf die Reform nicht beeinträchtigen. Immer mehr Kommunen warten darauf, den städtischen Raum besser heute als morgen lebenswerter gestalten und gerechter verteilen zu können. Deshalb muss die Bundesregierung jetzt endlich ihr Versprechen einlösen. Jede weitere Verzögerung sorgt für Unverständnis.“
Neue Ziele: von Sicherheit über Klimaschutz bis zu nachhaltiger Stadtentwicklung
Dreh- und Angelpunkt der Reform ist für viele Expertinnen und Experten die zeitgemäße Erweiterung der übergeordneten Ziele des Straßenverkehrsrechts. Bisher hatten die „Leichtigkeit“ und „Flüssigkeit“ des Verkehrs auf öffentlichen Straßen oberste Priorität. Das habe in der Praxis dazu geführt, dass Menschen, die zu Fuß, mit dem Rad oder mit Bus und Bahn unterwegs sind, deutliche Nachteile gegenüber dem Autoverkehr haben. Denn die Leichtigkeit des Verkehrs sei, so das Fazit von Agora Verkehrswende, aufgrund des engen Rechtsrahmens und des gemeinhin gültigen Leitbilds der autogerechten Stadt vor allem als Leichtigkeit des motorisierten Individualverkehrs ausgelegt worden.
Zu den Zielen, die in Zukunft vor der Leichtigkeit des Autoverkehrs handlungsleitend werden sollen, gehören nach den Vorschlägen vor allem die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden, Gesundheit, Umwelt- und Klimaschutz sowie nachhaltige städtebauliche Entwicklung. Damit die Kommunen mehr Handlungsspielraum haben, um diese Ziele zu verfolgen, sollen auch die Begründungs- und Nachweispflichten für Eingriffe in den Straßenverkehr gelockert werden. Für das Parkraummanagement sei zum Beispiel eine Umkehr der Beschilderungspflicht sinnvoll, so dass nur noch die Bereiche ausgewiesen werden müssen, in denen kostenloses Parken noch erlaubt ist. Eine weit gefasste Innovationsklausel solle es den Kommunen zudem leichter machen, neue Verkehrsregelungen zu erproben.
Verkehrswende vor Ort gestalten
Zur Umsetzung der Reform müssten die Bundesregierung und der Bundestag in einem ersten Schritt im Straßenverkehrsgesetz (StVG) die erweiterten übergeordneten Ziele aufnehmen. Anschließend müssten in einem zweiten Schritt Passagen in der Straßenverkehrsordnung (StVO) , die für das Erreichen dieser Ziele relevant sind, und die dazugehörigen Verwaltungsvorschriften überarbeitet werden. Dies liege vor allem in der Hand des Bundesverkehrsministeriums sowie der Bundesländer.
„Mit unserem Papier möchten wir den Dialog über eine zügige Reform des Straßenverkehrsrechts unterstützen“, sagt Janna Aljets, Projektleiterin Städtische Mobilität bei Agora Verkehrswende. „Für die Mobilitätswende vor Ort ist ein modernisiertes Straßenverkehrsrecht von entscheidender Bedeutung. Mit der Reform im Rücken können Städte und Gemeinden endlich leichter das über Jahrzehnte gewachsene Ungleichgewicht im Straßenverkehr abbauen, Bus, Bahn, Rad und Fußverkehr stärken und den öffentlichen Raum für alle attraktiver machen. Das würde auch dem wachsenden Bedürfnis in den Stadtgesellschaften gerecht werden. Bund und Länder sollten deshalb die Interessen der Kommunen in ihren Verhandlungen stärker berücksichtigen.“
Politikpapier „StVO-Reform im Überblick“
Das Politikpapier „StVO-Reform im Überblick. Zusammenfassung der Vorschläge zur Reform der Straßenverkehrsordnung für mehr Sicherheit, Gesundheit, Umwelt- und Klimaschutz sowie für bessere städtebauliche Entwicklung“ wurde von Dr. Philine Gaffron vom Institut für Verkehrsplanung und Logistik der Technischen Universität Hamburg im Auftrag von Agora Verkehrswende erstellt. Es steht unter https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/stvo-reform-im-ueberblick/ kostenlos zum Download zur Verfügung.
Berücksichtigt wurden Vorschläge folgender Organisationen (in alphabetischer Reihenfolge): Ad-hoc-AG Fußverkehrspolitik der Verkehrsministerkonferenz, Agora Verkehrswende, Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V., Bundesverband CarSharing e. V., Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V., Bundesverband Paket & Expresslogistik e. V., Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende, Deutscher Städtetag, Deutscher Städte- und Gemeindebund, Deutscher Verkehrssicherheitsrat, Fuss e. V., Nationale Plattform Zukunft der Mobilität – AG1 „Klimaschutz im Verkehr“, Radlogistik Verband Deutschland e. V., Sachverständigenrat für Umweltfragen, Stiftung Klimaneutralität, Sozialverband VdK Deutschland e. V., Umweltbundesamt, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V., Verkehrsclub Deutschland e. V.
Agora Verkehrswende ist ein Thinktank für klimaneutrale Mobilität mit Sitz in Berlin. Im Dialog mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft setzt sich die überparteiliche und gemeinnützige Organisation dafür ein, die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor auf null zu senken. Dafür entwickelt das Team wissenschaftlich fundierte Analysen, Strategien und Lösungsvorschläge. Initiiert wurde Agora Verkehrswende Anfang 2016 von der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation. Gesellschafter sind die beiden Stiftungen. www.agora-verkehrswende.de
Agora Verkehrswende
Anna-Luisa-Karsch-Str. 2
10178 Berlin
Telefon: +49 (30) 7001435-000
Telefax: +49 (30) 7001435-129
http://agora-verkehrswende.de
Leiter Kommunikation
Telefon: +49 (30) 70014353-05
E-Mail: philipp.prein@agora-verkehrswende.de