Der Eins-zu-eins-Kontakt schafft Bindung und Vertrauen
„Es ist so schön zu sehen, wie wissensdurstig und offen die Kinder für den sprachlichen Input sind“, erzählt Laura Schulz, ausgebildete Logopädin sowie Studentin des Bachelors Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie. Laura Schulz ist der „Sprach-Balou“ eines Kindes einer ausgewählten Familie aus dem Stadtteil Schinkel und unterstützt es, indem sie das Kind besucht, mit ihm in Interaktion tritt, Spiele spielt und diese so gestaltet, dass der deutsche Wortschatz entwickelt wird. Die Tandem-Situation ermöglicht eine intensive Eins-zu-eins-Förderung, die optimal an das jeweilige Kind angepasst wird. „Als Sprach-Balou sind wir als Gäste vor Ort bei den Familien, insofern entstehen keine Hierarchien, wie sie teilweise im klinischen Setting zu finden sind“, schildert Christina Haupt, Projektleiterin und Lehrende für Logopädie an der Hochschule Osnabrück.
Die Kontaktaufnahme zu den Familien erfolgt über die qualifizierten Familienbegleiterinnen der Stadt Osnabrück, die als Brückenbauerinnen bereits gute Beziehungen zu Familien mit Migrationshintergrund in verschiedenen Stadtteilen aufgebaut haben. „Die Eltern erzählen mir, dass ihre Kinder offener geworden sind“, berichtet die Familienbegleiterin Güzüde Önder von ihren Gesprächen mit den Familien. Insgesamt 10 Termine verbringen die Studierenden mit den Kindern und erhalten einen Eindruck der Sprachumgebung und des -fortschritts. Am Ende erfolgt ein Abschlussgespräch mit allen Beteiligten. Sollte bei einem Kind ein Verdacht auf eine Sprachstörung bestehen, werden Familienbegleiterinnen und Eltern bezüglich des weiteren Vorgehens eingehend beraten. „Dies stellt sicher, dass eine frühe Differenzierung von Sprachauffälligkeiten oder Sprachstörungen erleichtert wird und die Kinder die richtige Form der frühen Unterstützung – Förderung oder Therapie – erhalten“, erklärt die Projektleiterin.
„Es gibt noch viel (mehr) zu tun“
„Durch das Projekt kann ich mich im Umgang mit neuen, unbekannten Situationen ausprobieren, wie zum Beispiel mit der Sprachbarriere, mit der man konfrontiert wird und lernt, diese mit verschiedenen Konzepten zu lösen“, erzählt Luisa Niemöller, ebenfalls Logopädin und Studentin der Hochschule. Nicht nur für die Projektbeteiligten bietet „Sprach-Balou“ einen Mehrwert, sondern auch die Nachfrage der Familien ist hoch: ca. 175 Familien sind an einer Teilnahme interessiert. „Es gibt noch viel (mehr) zu tun, daher wäre es zielführend das Projekt langfristig in Kooperation mit der Stadt zu verwirklichen. Hinzu kommt, dass ein wichtiges Bundesprogramm „Sprach Kita“ Ende des Jahres ausläuft und damit unsicher ist, inwieweit Sprachförderung als besonderes Thema in Kitas intensiv weitergeführt wird“, betont Christina Haupt. Ziel ist es, das Projekt im bevorstehenden Wintersemester zu intensivieren und zu evaluieren. Zwei der aktuell Studierenden befassen sich in ihren Bachelorarbeiten mit der Konzeption, Umsetzung und Evaluation des Projektes. Für die Nachhaltigkeit sollen zudem Informationsmaterial und Erklärvideos in unterschiedlichen Sprachen zusammengestellt werden, so dass Eltern die Sprachförderstrategien auch in der Herkunftssprache im häuslichen Umfeld anwenden können.
Hintergrundinformationen
Sprach-Balou ist ein Teilprojekt eines größeren Projektantrages der Stadt Osnabrück. Hierfür wurden 30.000 Euro Fördergelder im Frühjahr bewilligt. Die Drittmittel umfassen neben Honorartätigkeiten auch Spielmaterialien. Der Projektantrag wurde im Rahmen der Bundesinitiative Frühe Hilfen gestellt. Um Kinder und Jugendliche auf dem Weg zurück in ein unbeschwertes Aufwachsen zu begleiten und sie beim Aufholen von Lernrückständen zu unterstützen, investiert die Bundesregierung mit ihrem Aktionsprogramm "Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche" zwei Milliarden Euro. Das Land Niedersachsen setzt für die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen nach der Pandemie rund 222 Millionen Euro ein.
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