Herzinfarkte sind nicht nur akute medizinische Notfälle; auch nach erfolgreicher Erstbehandlung können schwerwiegende und zum Teil tödliche Spätfolgen wie Herzschwäche auftreten. Ursache für diese Spätfolgen sind Veränderungen in der Größe, der Form und Funktion des Herzens, die nach einem Herzinfarkt auftreten können. Wie genau diese Remodelierung – der Umbau – des Herzens funktioniert, ist bisher weitestgehend unbekannt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Heidelberg und Aachen haben nun erstmalig umfangreiche Daten über die zellulären Prozesse während der kardialen Remodelierung nach einem Herzinfarkt zu einer „Landkarte des Herzinfarktes" zusammengetragen. Mittels künstlicher Intelligenz konnten sie Zellzustände identifizieren, die offenbar charakteristisch für die kardialen Umbauprozesse sind. Die wissenschaftliche Arbeit dazu ist im Fachmagazin Nature erschienen.
Hochleistungs-Analyse erlaubt zellulären Rundumblick
Die interdisziplinäre Projektgruppe aus den Bereichen Biomedizin, Kardiologie, Nephrologie, Molekularer-Analyse und Bioinformatik untersuchte Gewebeproben aus verschiedenen Teilen des Herzens von Patientinnen und Patienten, die eine Remodelierung des Herzens zeigten. Die Analyse erfolgte zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach einem Herzinfarkt und auch bei Spenderherzen gesunder Personen. In den Proben analysierten sie für einzelne Zellen das sogenannte Multi-om – also Eigenschaften der Hülle des Erbguts (Epigenom) sowie Proteinbaupläne, die aus dem Erbgut erstellt werden (Transkriptom).
In welchem Zelltyp an welcher Stelle des Herzens ist beim Umbau nach Herzinfarkt welches Gen aktiv? Wie unterscheiden sich die Zellen von Zellen gesunder Personen und wo sind Teile der Gene in der Aktivität eingeschränkt? „Die Datensätze der räumliche Multi-om Analysen enthalten viele Informationen, die wir benutzt haben, um diese Fragen zu beantworten. Es ist quasi eine Landkarte des Herzens, auf der wir die Folgen eines Herzinfarktes nachvollziehen und besser verstehen können", berichtet Christoph Kuppe, Oberarzt am Institut für Experimentelle Innere Medizin und Systembiologie der Uniklinik RWTH Aachen.
Künstliche Intelligenz macht Muster im Datenmeer sichtbar
Die Herausforderung: Das Multi-om einer einzelnen Zelle ist ein Datensatz von vielen Gigabytes. Ein Datenmeer, dass von Hand nicht mehr analysiert werden kann.
Daher setzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für die Analyse der Daten Methoden der Künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens ein. Ein eigens entwickeltes Verfahren vergleicht Wert für Wert und Probe für Probe. Findet es dabei Kombinationen von Werten, die nur bei Proben von erkrankten Personen auftreten, wertet die Maschine die Kombination als krankheitstypisch. „Der Algorithmus hat mehrere Zellzustände und Zelltypen identifiziert, die offenbar charakteristisch für die kardiale Remodelierung sind", sagt Ricardo Ramirez Flores, Wissenschaftler am Institute for Computational Biomedicine, Medizinische Fakultät Heidelberg. "Die computergestützte Integration von Multi-om Daten ermöglichte erstmalig die Charakterisierung von regulatorischen Netzwerken, die räumliche Aspekte des Herzumbaus kontrollieren", so Ramirez Flores. Nun hoffen die Forschenden, die ihre Herzinfarkt-Karte und die Software unter Open-Source-Lizenz der Wissenschaftswelt zur freien Verfügung gestellt haben, dass sie als Grundlage dient, auf der Therapie- und Präventionsansätze gefunden werden, um die langfristigen Folgen von Herzinfarkten zu verhindern.
Das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich circa 84.000 Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.000.000 Patienten ambulant behandelt.
Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebshilfe (DKH) hat das UKHD das erste Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg etabliert. Ziel ist die Versorgung auf höchstem Niveau als onkologisches Spitzenzentrum und der schnelle Transfer vielversprechender Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik. Zudem betreibt das UKHD gemeinsam mit dem DKFZ und der Universität Heidelberg das Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), ein deutschlandweit einzigartiges Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD) rund 4.000 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion. www.klinikum-heidelberg.de
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