Die Arbeitgeberseite hält sich in vielen Fällen nicht an Zusagen zur Standort- und Beschäftigungssicherung. Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter fordern daher mehr Verbindlichkeit und Möglichkeiten der Mitgestaltung. Sie wollen Standort- und Beschäftigungssicherung in Tarifverträgen festschreiben – in der Praxis gibt es bereits zahlreiche Beispiele für entsprechende "Zukunftsvereinbarungen". Allerdings meinen manche Fachleute, dass konkrete Vereinbarungen zu Standorten, Belegschaftsstärke oder Investitionen in Tarifverträgen nichts zu suchen hätten. Es handele sich um Angelegenheiten, die den unantastbaren Kern unternehmerischer Entscheidungen betreffen. Eine Einschränkung der unternehmerischen Freiheit sei nicht rechtmäßig. Doch das stimmt so nicht, ergibt das Rechtsgutachten von Prof. Dr. Monika Schlachter, Dr. Thomas Klein (Uni Trier) und Prof. Dr. Daniel Klocke (EBS Universität Wiesbaden). Das Hugo-Sinzheimer-Institut für Arbeits- und Sozialrecht (HSI) der Hans-Böckler-Stiftung hat die Studie gefördert.
Die Rechtswissenschaftlerin und die Rechtswissenschaftler haben in ihrer Studie die Rechtsgrundlagen der Tarifautonomie im nationalen und europäischen Recht sowie im Völkerrecht untersucht. Sie haben herausgearbeitet, wie weit Gewerkschaften und Betriebsräte auf die Unternehmenspolitik Einfluss nehmen dürfen, um Transformation im Interesse von Beschäftigten zu gestalten und Arbeitsplätze zu sichern.
Das Grundgesetz garantiert Tarifautonomie. Das heißt, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber beziehungsweise Arbeitgeberverbände die Angelegenheiten ihrer Mitglieder unabhängig von staatlicher Einflussnahme selbstständig regeln können. Doch auch die Berufsfreiheit und in dem Zuge auch die unternehmerische Freiheit sind im Grundgesetz verankert. Sie dürfen jedoch unter Umständen eingeschränkt werden. Zumal das Bundesverfassungsgericht in einem früheren Urteil bereits festgestellt hat, dass unternehmerische Freiheit unter einer so genannten Sozialbindung steht.
Keine Beeinträchtigung unternehmerischer Freiheiten
"In der Diskussion über Standortsicherungstarifverträge wird die Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit teils überbetont, indem der Versuch der Einflussnahme auf einzelne unternehmerische Entscheidungen mit der Übernahme der Unternehmensführung oder dem Verlust jeglicher unternehmerischer Entscheidungsspielräume gleichgesetzt wird", schreiben die Autorin und die Autoren des Rechtsgutachtens. Bei der Zustimmung zu einer Standortgarantie oder einem Auslagerungsverzicht in einem Tarifvertrag handele es sich um eine einzelne, freie Entscheidung eines Unternehmers. So wie Unternehmer ständig Entscheidungen träfen, die durch äußere Umstände und gegebenenfalls bestehende Verträge beeinflusst werden. Dies gehöre zum üblichen Geschäft unternehmerischen Handelns.
"Tarifvertragliche Regelungen über Standort-, Outsourcing- und Investitionsfragen führen also nicht per se zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit, sondern geben zunächst lediglich eine Rahmenbedingung vor, auf deren Grundlage die weiteren Entscheidungen zu treffen sind", schreiben Klein, Klocke und Schlachter. "Nur wenn diese Rahmenbedingung jedes wirtschaftlich tragfähige Unternehmenskonzept ausschließt, begründet die tarifvertragliche Vereinbarung ausnahmsweise eine schwerwiegende Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit, da dem Unternehmen keine Entscheidungsalternativen mehr bleiben." Unzulässig wären beispielsweise Vereinbarungen, die die Existenz eines Unternehmens gefährden.
Nach Auffassung der Autorin und der Autoren sind Tarifverträge zur Standort- und Beschäftigungssicherung grundsätzlich unbedenklich, wenn sie vorübergehend wirken oder bestimmte Ausnahmen vorsehen. Die Vereinbarungen seien außerordentlich kündbar, selbst wenn dies nicht ausdrücklich abgemacht worden ist. Damit bleibe die Ausübung der unternehmerischen Freiheit – mit erforderlichen Einschränkungen – weiterhin möglich. Auch in Betriebsvereinbarungen könnten entsprechende Regelungen verbindlich getroffen werden. Höherrangiges Recht stehe dem nicht entgegen, auch nicht auf EU-Ebene. Sowohl Tarifverträge als auch Betriebsvereinbarungen seien rechtsverbindlich und könnten bei Unterlassung oder Verstößen rechtlich effektiv durchgesetzt werden. Der Abschluss derartiger Tarifverträge dürfe uneingeschränkt erstreikt werden.
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