Zudem betont die EZB, dass die Wiederanlagen im Rahmen des PEPP jederzeit flexibel über den Zeitverlauf, die Anlageklassen und die Länder hinweg angepasst werden könnten, sollte es im Zusammenhang mit der Pandemie zu einer neuerlichen Marktfragmentierung kommen. Damit führt Lagarde die Politik Draghis fort, die davon gekennzeichnet ist, dass sich stark verschuldete Länder wie Griechenland und Italien stets über den Kapitalmarkt finanzieren konnten. Sollten einige Euroländer angesichts steigender Zinsen in die Bredouille geraten, könnte die EZB mit weiteren Anleihekäufen eingreifen und damit die Schuldenlast stabilisieren.
Die EZB begründete ihre Entscheidung mit den Auswirkungen des Ukrainekrieges auf die Energie- und Lebensmittelpreise und einem Inflationsdruck, der an „Breite und Höhe“ gewonnen hat. Zuletzt belief sich die Inflation im Euroraum auf stolze 8,1 Prozent. Trotz starker Anpassungen nach oben geht die Notenbank immer noch von einem Abfallen der Inflation im nächsten Jahr aus. So erwartet die EZB für 2023 eine Inflation von 3,5 Prozent und eine Kerninflation von 2,8 Prozent.
Der Markt sieht in der Ankündigung einer geldpolitischen Straffung die Bestätigung, dass sich die hohe und widerstandsfähige Inflation zu einem ernst zu nehmenden Problem entwickelt hat. Die Frage bleibt trotzdem, ob die EZB angesichts der Angebotsengpässe viel dagegen tun kann. Die Zinserhöhung ist richtig und bewahrt die Glaubwürdigkeit der EZB. Stimmen, die eine frühere Entscheidung gefordert hatten, sollten berücksichtigen, dass die Mehrheit nicht mit einem Krieg in der Ukraine und den verbundenen Engpässen auf dem Energie- und Lebensmittelmarkt gerechnet hat. Sollte sich die Lage auf der Angebotsseite nicht entspannen, können nur drastische Anpassungen der Geldpolitik den gewünschten Effekt auf die Inflationsrate erreichen und das würde einen hohen Preis in Form einer deutlichen Abschwächung der Konjunktur kosten. Es bleibt ein schmaler Grat, den die EZB zu gehen hat. Zeitenwende – aber keine echte Zinstrendwende!
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