Mehr Vielfalt auf dem Acker: Biodiversität im Öko-Landbau aktiv fördern

Wie können Bio-Betriebe mit gezielten Maßnahmen noch mehr für den Erhalt und die Wiederherstellung artenreicher Äcker, Wiesen und Weiden tun? Dieser Frage haben sich der Öko-Verband Naturland und der Naturschutzverband LBV zusammen gewidmet. Ein gemeinsam entwickelter „Leitfaden Biodiversität“ soll Naturland Betriebe nun dabei unterstützen, individuelle und standortangepasste Maßnahmen zu finden, um die Förderung der Biodiversität künftig noch gezielter in den eigenen Betriebsablauf zu integrieren.

Am Montag stellten Naturland Präsident Hubert Heigl und der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer den Leitfaden auf dem Naturland Betrieb Schloss Gut Obbach in Unterfranken gemeinsam vor. Die Betriebsleiter Petra Sandjohann und Bernhard Schreyer erläuterten bei einem Rundgang über Äcker und Hofstelle, wie sie auf Schloss Gut Obbach durch unterschiedliche Maßnahmen die Entwicklung einer natürlichen Vielfalt von Wildkräutern fördern und Lebensräume für Insekten und Vögel schaffen.

Landwirtschaftliche Produktion und Artenschutz zusammendenken
„Der Verlust der biologischen Vielfalt ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit“, betonte der LBV-Vorsitzende Schäffer. Der Schutz wertvoller Ökosysteme sei deshalb unumgänglich, um das Artensterben aufzuhalten. Die Zusammenarbeit von Öko-Landbau und Naturschutz leiste hierfür einen wichtigen Beitrag. „Im Leitfaden Biodiversität sind Produktion und Artenschutz zusammengedacht“, erläuterte Schäffer. „Auch wenn das Prinzip auf Freiwilligkeit basiert, sind wir zuversichtlich, dass viele Landwirte ihre Verantwortung für die Artenvielfalt annehmen. Blühende und artenreiche Flächen sind für die Landwirtinnen auch eine persönliche Bereicherung und erhöhen die Freude am Beruf“, betonte der LBV-Vorsitzende.

„Der Öko-Landbau schafft mit seiner grundsätzlich umweltschonenderen Wirtschaftsweise die Grundlage für die Rückkehr einer artenreichen Tier- und Pflanzenwelt in unsere Kulturlandschaften“, sagte Naturland Präsident Heigl. Darüber hinaus gebe es viele weitere Möglichkeiten, neue Lebensräume zu öffnen und zu gestalten. Entscheidend für den langfristigen Erfolg sei dabei, dass der ökologische Nutzen und die ökonomischen Erfordernisse des Betriebs miteinander in Einklang gebracht werden. „Mit dem Leitfaden Biodiversität gehen wir deshalb ganz bewusst den Weg der individuellen Beratung. Es geht darum, konkrete Maßnahmen zu finden, die auf dem jeweiligen Standort einen effektiven Mehrwert für die Artenvielfalt bringen und dabei gut in den Betriebsablauf integriert werden können“, betonte der Naturland Präsident.

Vereintes Praxiswissen von Öko-Landbau und Naturschutz

Der „Leitfaden Biodiversität auf Naturland Betrieben“ vereint dafür auf mehr als 80 Seiten das Praxiswissen von Öko-Landbau und Naturschutz. Nach einleitenden Informationen zur Vielfalt auf dem Acker sowie dem Prinzip der abgestuften Grünlandnutzung werden die eigentlichen Biodiversitätsmaßnahmen in den vier zentralen Kapiteln „Biotopverbund“, „Acker“, „Grünland“ und „Hofstelle“ vorgestellt. Weitere Maßnahmenkataloge zu Wein, Obst und Gemüse sind geplant. Dabei steht der konkrete Praxisbezug immer im Mittelpunkt: von der Wahl geeigneter Standorte, über detaillierte Umsetzungstipps, bis zur Abwägung von Vor- und Nachteilen einzelner Maßnahmen.

Erfolgreiche Maßnahmen für mehr Artenvielfalt auf Schloss Gut Obbach

Die praktische Umsetzung einiger dieser Maßnahmen konnten beim Rundgang über Schloss Gut Obbach besichtigt werden. Der Ackerbau auf dem Naturland Betrieb ist von großer Vielfalt geprägt. Eine weite Fruchtfolge mit etwa 15 verschiedenen Feldfrüchten wie beispielsweise Dinkel, Hafer, Emmer, Sonnenblumen, Linsen, Öl-Lein, Kichererbsen, Leindotter, Kartoffeln oder Luzerne sorgen für Abwechslung auf den insgesamt 245 Hektar bewirtschafteter Fläche.

Auch die Streuobstwiesen mit alten und bewährten Sorten bieten Insekten, Vögeln, Fledermäusen und Kleinsäugern einen wertvollen Lebensraum, zum Beispiel für den in Deutschland stark gefährdeten Steinkauz. Das Obst wird zu Apfelsaft, Schorle, Cider und Essig verarbeitet und über Hofladen, Lebensmitteleinzelhandel und Gastronomie vermarktet. Darüber hinaus nutzt der Betrieb auch moderne Technik für den Artenschutz: Vor der Kleegras-Mahd im Mai werden die Felder mit Drohnen abgeflogen, um Rehkitze und Lerchennester zu schützen.

Der Erfolg lässt sich an der Zahl der seltenen Ackerwildkräuter in den Getreidebeständen des Betriebs ebenso ablesen, wie an der Rückkehr des vom Aussterben bedrohten Rebhuhns. Das habe nicht zuletzt damit zu tun, dass in der Region sehr viele Bio-Betriebe ansässig sind, so dass inzwischen über 50 Prozent der Flächen ökologisch bewirtschaftet würden, betonte Betriebsleiterin Petra Sandjohann. „Wer erleben in unserer alltäglichen Arbeit, wie verschiedene Maßnahmen dazu beitragen, dass die Vielfalt der Natur zunimmt. Das bestärkt uns, dass wir damit einen Beitrag für eine nachhaltige Zukunft leisten“, fügte die Naturland Bäuerin hinzu.

Naturland und LBV – Gemeinsam für mehr Biodiversität
Naturland und LBV arbeiten seit 2019 eng zusammen zur Förderung der Biodiversität in der Landwirtschaft. Initialzündung für die Partnerschaft war das gemeinsame Engagement für das erfolgreiche Volksbegehren Artenvielfalt in Bayern. Es folgte 2020 eine gemeinsame Unterschriftenkampagne zur Reform der europäischen Agrarförderung.

Neben diesem politischen Engagement arbeiten die beiden Verbände mit der Entwicklung des Leitfadens Biodiversität, dessen erster Teil nun veröffentlicht wird, am Aufbau einer Biodiversitätsberatung für die über 4.500 Naturland Betriebe in Deutschland. Insgesamt ist Naturland mit mehr als 140.000 Bäuerinnen und Bauern der größte Öko-Verband weltweit. Der LBV (Landesbund für Vogelschutz in Bayern e. V.) ist der älteste Naturschutzverband Bayerns und setzt sich seit 113 Jahren für den Erhalt der Artenvielfalt ein. Mit 110.000 Unterstützer:innen schützt der LBV die biologische Vielfalt vor Ort.

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