Als im Jahr 2014 Daniela Schreiters erster Schattenspringer-Band: Wie es ist, anders zu sein, in dem sie über ihre Kindheit und Jugend als „das seltsame Kind“ berichtet, erschien, sagte Hella von Sinnen als Präsentatorin der Max-und-Moritz-Preis-Gala, dass dieser Band für sie der eigentliche Preis-Kandidat sei. Seitdem hat Daniela Schreiter zwei weitere Schattenspringer-Bände, Die Abenteuer von Autisitic-Hero-Girl, den Wissens-Comic Fabulöse Fakten und eben Lisa & Lio herausgebracht. Dabei hat sie sich und ihr Können ständig weiterentwickelt und mit ihren Comics nicht nur eine riesige Fangemeinde hinter sich geschart, sondern auch vielen Menschen geholfen, Autismus besser zu verstehen. Nicht umsonst werden die Bücher von vielen Autismus-Hilfsorganisationen empfohlen und bei Therapien eingesetzt. Mit der Nominierung zum MM-Publikumspreis 2022 wurde dem Rechnung getragen und mit dem Einzug in die Endrunde, könnte sich nun der Kreis zum Jahr 2014 schließen.
Als Autistin sah und empfand Daniela Schreiter die Welt immer anders als Menschen außerhalb des Autistischen Spektrums und hatte vor allem Probleme mit sozialer Interaktion. Da ihr Autismus erst spät diagnostiziert wurde, fristete sie in ihrer Jugend ein Leben als Außenseiterin. Die Bewältigung von Alltäglichkeiten, wie der Weg zur Schule, stellte für sie oftmals eine nahezu unüberwindbare Hürde dar. Davon schreibt sie in Schattenspringer 1 und diese Erlebnisse bilden auch die Basis für Lisa & Lio, wenngleich sie hier weniger autobiografisch, dafür fantastischer und kindgerechter erzählt.
Als Teenager erntete sie für ihr Anderssein vor allem Unverständnis und Spott, bekam aber keine Hilfe. Ein Martyrium, das in Schattenspringer 2: Per Anhalter durch die Pubertät beschreibt. Ihre Situation verbesserte sich erst mit der Autismus-Diagnose, als sie das Erwachsenenalter bereits erreicht hatte.
Seitdem hatte sie den Wunsch, über Autismus aufzuklären. Als Zeichnerin wählte sie dafür das Medium Comic, da Worte ihr nie genug waren, um zu beschreiben, wie sie die Welt wahrnimmt. Die bei Panini veröffentlichten Graphic Novels gehören zu den Bestellern im Portfolio des Verlags, sind inzwischen fester Bestandteil der Autismus-Aufklärungsarbeit von Organisationen und Therapeuten und erfreuen sich einer großen Leserschaft. Dabei finden die Bücher nicht nur bei Menschen Anklang, die sich selbst darin wiedererkennen oder die mit Autisten zu tun haben: Aufgrund der lockeren Erzählweise und den liebevollen Zeichnungen, haben die Graphic Novels auch darüber hinaus viele Fans gefunden.
Nach den beiden autobiografischen Schattenspringer-Bänden widmete sich Daniela Schreiter in Band drei (Spektralfarben) den Erfahrungen anderer Autisten, um zu zeigen, wie breit das Autistische Spektrum gefächert ist. Dazwischen erschien noch der Cartoon-Band Die Abenteuer von Autistic-Hero-Girl, mit dem die Künstlerin das Thema noch einmal in anderer Weise aufbereitete.
Die für den Max-und-Moritz-Preis nominierte Geschichte Lisa & Lio – Das Mädchen und der Alien-Fuchs ist eine Graphic Novel für junge LeserInnen: Die kleine Lisa zieht mit ihrer Mutter um und muss die Schule wechseln. Für das autistische Mädchen, die aus festen Abläufen und gewohnter Umgebung Sicherheit bezieht, der blanke Horror. Zum Glück begegnet ihr auf dem Weg zum ersten Schultag ein formwandelndes Alien, das ihr als kleiner grüner Fuchs erscheint und durch einen dummen Zufall auf der Erde gestrandet ist. Lio, wie Lisa ihn nennt, fühlt sich auf der Erde ebenso fremd wie das Mädchen und so freunden sich die beiden an, um gemeinsam die Unwägbarkeiten des Alltags anzugehen.
Die anrührende, immer wieder witzige und wundervoll gezeichnete Geschichte bietet Kindern mit Autismus viele Möglichkeiten zur Identifikation und erklärt Nicht-Autisten in kleinen Alltagsepisoden, wo für Autisten, besonders aber Kinder im autistischen Spektrum, die Hürden im Umgang mit der Welt und der Gesellschaft liegen. Wie immer bei Daniela Schreiter, erkennen wir uns aber in bestimmten Situationen selbst in Lisa wieder. Fans der Künstlerin wird es freuen, dass mit Lio auch ihr Markenzeichen, der kleine Fuchs wieder dabei ist – auch wenn er hier untypisch grün erscheint. Das tierische Alter Ego von Daniela Schreiter, die sich selbst auch den Künstlernamen Fuchskind gegeben hat, taucht immer wieder in ihren Büchern auf und hat inzwischen seine eigene Fangemeinde. Das Vorwort zu dem Band steuerte im Übrigen Dr. Mark Benecke bei, der – wie auch Hella von Sinnen – ein großer Fan von Daniela Schreiter ist.
Ob der Preis an Lisa & Lio geht, entscheiden die Fans. Sie können noch bis zum 16. Juni online abstimmen – verdient hätten Daniela Schreiter und ihr Einsatz für das Verständnis von Autismus allemal.
Während des Erlanger Comic-Salons findet auch eine Ausstellung zu Daniela Schreiters Werk statt (an 16, Juni in der Villa am Schabach) und es wird Signierstunden und ein Autorinnengespräch geben. Eine sehr schöne, etwas ältere Gesprächsaufzeichnung mit Daniela Schreiter findet sich hier.
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