U-Cycle, eine Partner*innenorganisation von Changing Cities in Kyiv, hatte Mitte April einen konkreten Hilferuf abgesetzt: Wir brauchen dringend Fahrräder für den Transport von Hilfsmitteln in den Kriegsgebiete!
„Wir waren selbst sehr überrascht, als U-Cycle mit ihrem Wunsch auf uns zukam. Wir hatten nicht daran gedacht, dass Mobilität natürlich in Kriegsgebieten enorm schwierig ist und dass Fahrräder diese tatsächlich ermöglicht. Wie soll man sonst Medizin, Essen, Wasser oder Kleidung zu den Menschen in den Kellern und Schutzräumen bringen, wenn der ÖPNV nicht funktioniert und Autos nicht an Benzin rankommen? Jetzt sind wir zwar erschöpft, aber allen sehr, sehr dankbar, die das Ganze innerhalb von nur drei Wochen gewuppt haben”, sagt Florian Keiper von Changing Cities.
Die Fahrräder wurden am Wochenende in der Selbsthilfewerkstatt Plattenladen in Neukölln fahrbereit gemacht. Hier waren etwa 30 freiwillige Schrauber*innen am Werk, die die gespendeten Fahrräder überprüften und bei Bedarf reparierten. „Durchschnittlich waren die Fahrräder in einem wirklich guten Zustand. Das lag natürlich auch daran, dass wir aus den vielen Spenden die besten aussuchen konnten. Jetzt hoffen wir nur, dass sie die Menschen vor Ort erreichen und sie innerhalb weniger Tage eingesetzt werden können. Das ist schon ein seltsames Gefühl, wenn man an einem Rad herum schraubt, das „in den Krieg“ geschickt wird, während wir hier in Sicherheit weiterleben. Dem Rad eine gute Reise zu wünschen, bekommt eine ganz neue Bedeutung“, so Karla Sperling vom Plattenladenkollektiv, die ehrenamtlich Reparaturhilfe leistete.
Im Zwei-Schicht-System wurde den ganzen Samstag und Sonntag über gearbeitet. Viele unterschiedliche Menschen kamen durch die Aktion zusammen. Eben noch Unbekannte halfen einander bei der Reparatur, es wurde gemeinsam gekocht und gegessen – aber vor allem war es die gemeinsame Sache, die für die kollegiale und fast freundschaftliche Atmosphäre sorgte.
Wir bedanken uns an dieser Stelle für die großzügige Unterstützung bei Reparatur, Transport und allem drumherum bei: Plattenladenkollektiv, Rückenwind, Hubschrauber Selbsthilfewerkstatt, FRE!LAUF, GoodBikes, Gesobau, Bikeygees, Fahrradladen Mehringhof, Projektagentur Neukölln, Deutsche Bahn, Bike Kitchen North East, Schwalbe, Garage 10.
Die gespendeten Fahrräder werden von staatlichen Stellen in Kharkiv über deren Jugendorganisationen vor Ort verteilt. Es gibt ein gut organisiertes Netz an Helfer*innen, die sie in Empfang nehmen und weitergeben. Manche der Fahrräder waren mit Grüßen von den Spender*innen versehen. So schrieb eine von ihnen (auf Englisch und Ukrainisch): „Dieses Fahrrad wurde gespendet von der 88-jährigen Frau H. aus Berlin, die sich über eine kleine Nachricht an [E-Mail-Adresse] freuen würde. Slava Ukraina!“.
Changing Cities musste leider viele Spendenwillige enttäuschen. Die 138 Fahrräder haben gerade so in den Container gepasst. Weitere Sendungen sind jedoch im Gespräch. „Wir werden jetzt den ganzen Verlauf evaluieren. Wir sind ja keine Hilfsorganisation und mussten uns die ganze Logistik und das Knowhow erstmal aneignen. Aber wenn es uns irgendwie möglich ist, werden wir weitere Sendungen veranlassen“, sagt Dirk von Schneidemesser vom Vorstand von Changing Cities.
Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürger*inneninitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.
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