„Wir müssen beim Klimaschutz auch neue Wege gehen“

Nach acht Jahren hat der Weltklimarat IPCC heute die nächste große Standortbestimmung zur Klimapolitik veröffentlicht, den Bericht „Minderung des Klimawandels“ als dritten Band des Sechsten Sachstandsberichts. Zwei Gruppenleiter des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) waren als Koordinierende Leitautoren jeweils federführend für ein wichtiges Kapitel. Statements aus dem MCC zu diesem Bericht:

Ottmar Edenhofer, MCC-Direktor und beim letzten vergleichbaren IPCC-Bericht im Jahr 2014
Co-Vorsitzender, erklärt:

„Schockierend klar zeigt der Bericht: Wir haben die Emissionskurve der Treibhausgase nicht nach unten gebogen, wir haben nur ihren Anstieg etwas abgeflacht. Mit den Emissionen aber steigen auch die Klimarisiken, die bisher ergriffenen Maßnahmen sind zu schwach. Wir brauchen also eine neue Politik – und angesichts der russischen Aggression eine, die Energiesicherheit und Klimasicherheit verbindet. Nur mit einem starken CO2-Preis können wir das Comeback der Kohle stoppen und zugleich unsere Energiequellen diversifizieren sowie Einnahmen erwirtschaften für den nötigen Sozialausgleich hoher Energiekosten. In Deutschland und Europa darf der Preis nicht geschwächt werden; in der Welt sollten sich Europa, China und die USA als Klima-Club auf einen Mindestpreis verständigen. Der Bericht rechnet vor: Die Hälfte der global nötigen Emissionsreduktionen können mit Technologien erbracht werden, die bereits bei einem CO2-Preis unter 100 Euro pro Tonne rentabel wären. Der Einstieg ist also zum Greifen nahe. Nun muss die Politik auch zupacken.“

Jan Minx, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung und im neuen IPCC-Bericht federführend für Kapitel 2 „Emissions trends and drivers“, erklärt:

„Unser Bericht zeigt: Zwischen den nationalen Klimaschutz-Anstrengungen und dem, was zum Begrenzen der Erderhitzung auf 2 oder erst recht 1,5 Grad nötig wäre, klafft noch eine substanzielle Lücke. Um sie zu schließen, braucht es stärkere Anstrengungen in der ganzen Welt und auch Entnahmen von Treibhausgasen aus der Atmosphäre. Während des letzten Jahrzehnts gab es zwar Lichtblicke. Das Emissionswachstum hat sich verlangsamt, mehr Länder haben die Emissionen über einen Zeitraum von zehn Jahren und mehr reduziert – und einzelne Schlüsseltechnologien wie etwa Solarpanels oder Batterien haben sich sehr viel besser entwickelt als erwartet. Doch das Niveau der Emissionen ist über die letzte Dekade weiter gestiegen und hat neue Höchstwerte erreicht, über alle Treibhausgase und alle Sektoren hinweg. Die gegenwärtige und geplante auf fossilen Brennstoffen basierende Infrastruktur verträgt sich nicht mit den Klimazielen des Paris-Abkommens. Die resultierenden Pfadabhängigkeiten müssen insbesondere im Stromsektor gebrochen werden: durch Laufzeitverkürzungen, geringere Auslastung und ein Moratorium beim Bau neuer Kohlekraftwerke, sofern sie nicht mit Technologie zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung kombiniert sind. Die nächsten zehn Jahre werden zeigen, ob das Glas halb leer oder halb voll ist.“

Felix Creutzig, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport und im neuen IPCC-Bericht federführend für Kapitel 5 „Demand, services and social aspects of mitigation“, erklärt:

„Das Angebot an erneuerbarer Energie und energieeffizienter Produktion ist nur die eine Seite beim Klimaschutz. Wir müssen auch neue Wege gehen. Unser Bericht bietet zum ersten Mail ein umfassendes IPCC-Assessment zur Frage, was die nachfrageseitigen Klima-Lösungen beitragen können, die das Energienutzungsverhalten bei Mobilität, Wohnen oder Ernährung adressieren. Schon kurzfristig haben sie das Potenzial, die Emissionen dort um 5 Prozent zu reduzieren, wenn der Staat hier in ökonomische Anreize, neue Infrastrukturen, aber auch Information und Aufklärung investiert. Und schnelles Umsteuern ist zentral, um jetzt falsche wirtschaftliche Weichenstellungen zu verhindern, die die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen für die nächsten Jahrzehnte entscheidend vergrößern. Bis zur Mitte des Jahrhunderts lassen sich durch die nachfrageseitigen Lösungen sogar 40 bis 70 Prozent der Emissionen einsparen. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist ein verändertes Design von Straßenraum mit Blick auf unterschiedliche Formen der Mobilität. Und für die Durchsetzbarkeit solcher Lösungen ist eine wichtige Erkenntnis: Sie bedeuten ganz überwiegend nicht etwa qualvollen Verzicht, sondern sogar ein Mehr an Lebensqualität.“

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Über Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) gGmbH

Das MCC erforscht nachhaltiges Wirtschaften sowie die Nutzung von Gemeinschaftsgütern wie globalen Umweltsystemen und sozialen Infrastrukturen vor dem Hintergrund des Klimawandels. Unsere sieben Arbeitsgruppen forschen zu Themen wie Wirtschaftswachstum und -entwicklung, Ressourcen und Internationaler Handel, Städte und Infrastrukturen, Governance sowie wissenschaftliche Politikberatung. Das MCC ist eine gemeinsame Gründung der Stiftung Mercator und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. | www.mcc-berlin.net | https://twitter.com/MCC_Berlin

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