Berlin hat 11 Amtsgerichte mit mehreren Dutzend Abteilungen und 5 Landgerichtskammern, die sich mit Mietsachen befassen. Maßgeblich für die Akzeptanz des Mietspiegels sind die Urteile der fünf Landgerichtskammern. Für den Berliner Mietspiegel 2021 liegt jedoch noch keine veröffentlichte Rechtsprechung der Landgerichte vor. Den Berliner Mietspiegel 2021 anerkannt haben das Amtsgericht Neukölln (Az 13 c 43/21) und das Amtsgericht Lichtenberg (Az 10 C 553/21). Nicht anerkannt hat den Mietspiegel bisher nur eine Abteilung des Amtsgerichts Spandau (Az 6 C 395/21). „Aus einem Amtsgerichtsurteil den Schluss zu ziehen, der Berliner Mietspiegel 2021 sei ungültig, ist unseriöse Panikmache. Dass deshalb auch die Mietpreisbremse nicht anwendbar sei, ist doppelter Unfug“, erklärte Wild. „Wir werden uns bei der Universität Regensburg und beim bayrischen Wissenschaftsministerium beschweren, wie ein Professor unter dem Briefkopf einer renommierten Universität solchen Unsinn verbreiten kann“, erklärte Wild.
Das Amtsgericht Neukölln stellt zutreffend fest, insoweit die Qualifiziertheit des Mietspiegels nicht substantiiert angegriffen wird, sei es für die Anwendung nicht bedeutsam, ob er tatsächlich qualifiziert sei. Schon seit Jahren ist die Rechtsprechung, sehr zum Ärger der Mietspiegel-Gegner, eher pragmatisch, was ihr den Ruf einer „Bypass-Rechtsprechung“ einbrachte. Auf jeden Fall könne der Berliner Mietspiegel 2021 als einfacher Mietspiegel herangezogen werden, er sei ein Indiz dafür, dass die abgebildeten Mietwerte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben, so das Amtsgericht Neukölln. Das Urteil des Amtsgerichts Spandau hingegen schadet letztendlich auch den gutwilligen Vermietern, denn viele können Mieterhöhungen nicht alternativ mit Vergleichswohnungen begründen.
Auch die Behauptung von Prof Sebastian, eine Vielzahl der Berliner Mietspiegel sei erfolgreich vor Gericht angegriffen worden, ist eine grobe Täuschung. Richtig ist, dass die weit überwiegende Mehrheit der maßgeblichen Landgerichtskammern aber auch der Amtsgerichtsabteilungen in der Vergangenheit den Berliner Mietspiegel angewandt hat. Für eine Klärung der Frage, ob und wie qualifiziert der Mietspiegel sei, bestehe aber kein Prüfbedarf, denn als einfacher Mietspiegel könne er ohnehin angewendet werden.
Ein Mietspiegel muss leicht anwendbar sein und die dort widergegeben Werte müssen die Vermutung oder den Indiz nahelegen, die ortsübliche Vergleichsmiete einigermaßen adäquat abzubilden. Das benötigen Mieter und Vermieter. „Auf einen für die Markteilnehmer unsinnigen Streit über statistische Methoden können wir alle schon aus Kostengründen gerne verzichten“, so Wild. „Von dem Streit, den Professor Sebastian hier befeuern will, würden zunächst nur Gutachter profitieren. Das aber würde die rechtliche Interessenvertretung der Mieter schwer beeinträchtigen, weil sie dann sehr häufig ihre Ansprüche der Kosten wegen nicht wahrnehmen würden“. Ein beredtes Beispiel ist der „Ursprungskonflikt“ um den Berliner Mietspiegel 2013 vor der 63.Kammer des Landgerichts. Ein von der Kammer hinzugezogenes Gutachten eines Dortmunder Statistikers war – trotz offenkundig blamabler Begutachtung – von der damaligen Vorsitzenden der Landgerichtskammer als Hinweis auf fehlende Qualifiziertheit bewertet worden. Die Mieter kostete das Verfahren am Ende mehrere tausend Euro für zwei gerichtlich beauftragte Gutachten. Die anderen Landgerichtskammern folgten der Entscheidung der 63.Kammer jedoch nicht.
Hinter dem Angriff von Professor Sebastian auf den Berliner Mietspiegel steckt allerdings ein nun seit Jahren schwelender Konflikt um die „richtige“ Methode der Mietspiegelerstellung. Auch im Rahmen der Erarbeitung der am 1.7.2022 in Kraft tretenden Mietspiegel-Verordnung des Bundes wurden „Tabellenmietspiegel“ von Prof. Sebastian und der gif (Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung) diskreditiert. Unter den größeren deutschen Städten haben Berlin, Hamburg und Hannover Tabellenmietspiegel, Köln und Düsseldorf haben nur einfache Mietspiegel.
„Klar, dass Professor Sebastian sich vor allem auf den Berliner Mietsspiegel einschießt“, vermutet Wild. „7% aller Mietwohnungen in Deutschland stehen hier. Kann Berlin für den von Sebastian protegierten „Regressionsmietspiegel“ nach der juristischen Niederlage des „Tabellenmietspiegels“ gewonnen werden, sind diese Statistikfreunde im Aquisitionskampf ein ganzes Stück weiter gekommen. Die Mieter aber sind diesen Vertretern der reinen Methode vollkommen egal“.
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