Weicht die Politik der Zentralbanken im Zuge der Krisen voneinander ab? Welche Anlagemöglichkeiten bieten sich für festverzinsliche Wertpapiere?

Da das Inflationsrisiko höher ist als ursprünglich angenommen, haben die Zentralbanker sowohl in den USA als auch in Europa eine Straffung ihrer Geldpolitik beschlossen – allerdings in unterschiedlicher Geschwindigkeit. Die Federal Reserve (Fed) hinkt derzeit eindeutig hinterher: Die Gesamtinflation liegt bei 7,9 % (höchster Wert seit Januar 1982), die Kerninflation bei 6,4 % (höchster Wert seit August 1982) und die Arbeitslosenquote bei 3,8 % (nahe dem historischen Tiefstand von 3,5 %), während die Zinssätze der Fed mit 0,25-0,5 % immer noch sehr niedrig sind (Quelle: Bloomberg 22.03.2022). Da sich die Inflationserwartungen auf absehbare Zeit über dem Zielwert bewegen, hat die US-Notenbank keinen Grund, ihren Zinserhöhungszyklus bald zu beenden. Die Fed-Mitglieder haben sich in letzter Zeit sehr deutlich geäußert und signalisiert, dass sie die akkommodierenden Maßnahmen rasch beenden und den Leitzins gegebenenfalls über den Neutralwert hinaus anheben wollen. Das hat dazu geführt, dass die Finanzmärkte den Leitzins im Juni 2023 bei 3 % sehen.

Die Situation in der Eurozone ist vergleichbar und doch anders. Vergleichbar, weil die steigenden Energiekosten die Inflation in der Eurozone im letzten Monat bereits auf ein Rekordhoch von 5,9 % getrieben haben und die Inflation in den kommenden Monaten 7 % erreichen könnte, was deutlich über dem 2 %-Ziel der EZB liegt. Ganz anders verhält es sich mit der europäischen Wirtschaft, die noch abhängiger von Rohstoffimporten ist als die USA und die bisher noch keine deutliche Lohninflation zu verzeichnen hat.

Lagarde von der Europäischen Zentralbank hat diese Unterschiede unlängst folgendermaßen hervorgehoben: „Unsere beiden Volkswirtschaften befinden sich im Wirtschaftszyklus an unterschiedlichen Stellen, auch schon vor dem Krieg in der Ukraine“ oder „Unsere Geldpolitik wird nicht exakt im gleichen Rhythmus verlaufen“. Wir können davon ausgehen, dass die Normalisierung in der Eurozone langsamer vonstattengehen wird als in den USA. Genau dies preisen die Finanzmärkte derzeit ein.

Die künftige Entwicklung der Anleihemärkte in den USA und der Eurozone dürfte nunmehr von der Gesamtausrichtung der Finanz- und Geldpolitik bestimmt werden. Sollte die fiskalpolitische Unterstützung enttäuschen, könnten dies zunehmend auch die makroökonomischen Indikatoren, zumal die höheren Rohstoffpreise insgesamt die Verbrauchernachfrage beeinträchtigen. Dies zeigen bereits die Frühindikatoren (OECD-Diffusionsindex, Kreditimpuls …). Es könnte aber noch Monate dauern, bis nennenswerte negative Auswirkungen zu beobachten sind. Die Corona-Krise hat zu einer beispiellosen Haushaltsstützung durch die Regierungen geführt, was sehr hohe Sparquoten bei den Verbrauchern in den USA und der Eurozone zur Folge hatte. Dies wiederum könnte die negativen Auswirkungen der strafferen Geldpolitik und der höheren Rohstoffpreise verzögern.

Dies ist kein günstiges Umfeld für die Fixed-Income-Märkte. Höhere Renditen auf Staatsanleihen wirken sich negativ auf das gesamte Spektrum der festverzinslichen Wertpapiere aus: Investment-Grade-, High-Yield- und Schwellenländer-Anleihen leiden unter dieser massiven Zinsanpassung. Eine der wenigen Alternativen war der TIPS-Markt (Treasury Inflation-Protected Securities), aber selbst dort ist die Gesamtrendite im Jahresvergleich negativ (22.03.2022, Bloomberg).

Wir erwarten, dass die Zentralbanken ihre Zinserhöhungspläne weiter vorantreiben werden, was insbesondere in den USA, aber auch in Europa zu flacheren Zinsstrukturkurven (oder umgekehrten Zinskurven, je nach Markt) führen dürfte. Eine flache Renditekurve wird häufig mit einer hohen Rezessionswahrscheinlichkeit in Verbindung gebracht. Theoretisch ist dies plausibel, da es die Absicht der Zentralbanker signalisiert, die Zinssätze über das neutrale Niveau hinaus anzuheben, was die Nachfrage mit der Zeit beeinträchtigen würde. Die Gretchenfrage ist: Wie lange würde das dauern? Normalerweise führt ein Straffungszyklus der Fed in der Anfangsphase zu einer starken Risikobereitschaft. Zu einem späteren Zeitpunkt befürchten die Märkte, dass die Straffung der Geldpolitik zu einer Wachstumsverlangsamung führen könnte. Gegenwärtig ist die geldpolitische Straffung jedoch überfällig, und die Anleger sind bereits durch die Aussichten auf eine Wachstumsverlangsamung beunruhigt.

Kurzfristig und solange die US-Notenbank auf eine straffere Geldpolitik drängt, ist es schwierig, eine positive Sicht auf die Kreditmärkte und die Schwellenländer zu haben. Wir ziehen das längere Ende der Zinsstrukturkurve dem kürzeren Ende vor. Außerdem beurteilen wir die langfristigen Inflationserwartungen negativ, da das Ziel der Fed letztlich darin besteht, sie zu senken.

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