In Deutschland sind mehr als eine halbe Million Menschen davon betroffen, Partner oder Partnerin eines an Krebs erkrankten Menschen zu sein. Nicht nur für die Betroffenen selbst ist das eine enorme Belastung und Herausforderung, es hat auch großen Einfluss auf die Partnerschaft und bringt viele Veränderungen mit sich. In ihrem Online-Vortrag „Partnerschaft und Krebs“ referierte Beate Rohden-Schiller, Psychoonkologin an der GRN-Klinik Weinheim, darüber, wie sich die Paardynamik durch eine Krebsdiagnose verändert. Sie zeigte auf, welche Auswirkungen eine Tumorerkrankung auf die Sexualität hat und wie die gemeinsame Lebensqualität trotz aller Hürden aufrechterhalten und vielleicht sogar verbessert werden kann. Der Vortrag fand im Rahmen der Vortragsreihe der Gynäkologischen Abteilung und des zertifizierten Brustzentrums „Was Frauen bewegt“ statt.
„Die Krebserkrankung greift in das gesamte soziale Leben ein“, begann Rohden-Schiller. Das beträfe den Beruf, den Umgang mit den Kindern und Freunden, das Freizeitverhalten und letztendlich eben auch die unmittelbare Beziehung der betroffenen Paare. „Der Umgang mit dem Erleben von Angst ist ausgesprochen schwierig“, sagt die Psychoonkologin und verwies auf Studien, nach denen der Partner, die Partnerin hier in gleicher Weise mitbetroffen sei und manchmal sogar stärker belastet als der Erkrankte selbst. Auch werde der Alltag von den Belangen des Kranken dominiert und nicht selten müsse der Partner die eigenen Bedürfnisse zurückstellen, unter Umständen sogar dauerhaft. Das alles seien Stressoren, die sich belastend auf die Partnerschaft auswirkten.
Für die Psychoonkologin ist die Paar-Kommunikation daher der entscheidende Faktor für eine gemeinsam gelingende Krankheitsbewältigung „Nutzen Sie immer wieder das Gespräch und tauschen Sie sich über ihre Gedanken und Gefühle aus. Auch wenn es sich dabei um schwierige Themen handelt. Werden diese vermieden, kommt es häufig zu einer wechselseitigen Schonhaltung, die eher eine emotionale Distanzierung, Missverständnisse und Entfremdung begünstigt und weniger die Paarstabilität fördert.“ Deshalb sei das „miteinander im Gespräch bleiben“ so wichtig. Nicht erraten, was denn für den anderen gut wäre, sondern konkrete Fragen stellen, um dann gemeinsam auszubalancieren, was in der aktuellen Situation für beide möglich und machbar ist. Gelingt dies, so steigere dies die Paar- und Lebensqualität und wirke sich positiv auf die Therapie aus. „Der Partner“, so fährt sie fort, „ist die wichtigste Quelle emotionaler und ganz praktischer Unterstützung für den Erkrankten. Wenn diese Krise gemeinsam bewältigt wird, hat das eine unglaublich positive Wirkung auf die Beziehungsqualität. Ich habe in diesem Prozess schon ganz oft eine Intensivierung und Stärkung der Paarverbundenheit mit einem Wachsen von Nähe, Vertrauen, Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme bei den betroffenen Paaren erleben dürfen.“
Rohden-Schiller geht mit sehr behutsamen Worten auf das sensible Thema der Sexualität ein. Nach einer Krebsdiagnose und deren Behandlung gebe es eine Vielzahl von körperlichen wie seelischen Faktoren, die zu einer Beeinträchtigung und Veränderung der Paarintimität führen können. Körperliche Symptome wie zum Beispiel Erschöpfung, Schmerzen und Missempfindungen aber auch Beeinträchtigungen sexueller Funktionen wie Schleimhautveränderungen oder erektile Dysfunktion seien häufig. Hinzu kämen sowohl Unsicherheiten und Ängste auf beiden Seiten als auch Missverständnisse und eine gewisse Sprachlosigkeit hinsichtlich der Wünsche und Bedürfnisse in der Gestaltung der körperlichen Nähe. Die gewohnten sexuellen Muster würden oft nicht mehr funktionieren, weshalb beide Partner häufig mit Rückzug reagierten. Sie appellierte auch hier: „Tabuisieren Sie das Thema nicht. Sprechen Sie miteinander, integrieren Sie Zärtlichkeiten in ihren Alltag und betrachten Sie dabei Sexualität nicht nur als den geschlechtlichen Akt. Der Umfang ist viel größer – das Halten der Hand, Streicheln, Kuscheln, sich tief in die Augen sehen – das alles bedeutet so viel.“ Neben allen Herausforderungen und Hürden, die in dieser Lebensphase überwunden werden müssen, sei eines aber ganz wichtig: „Auch, wenn es sich nicht von alleine einstellt und man es dann ganz bewusst suchen und gestalten muss – nehmen Sie auch immer wieder Schönes, Gelingendes wahr und verharren Sie nicht im Negativen!“
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