Ein Weiber-Angler, Erinnerung an einen Feuilletonisten und ein Abendbrot für drei Personen – Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis

Manchmal kann ein kurzer Moment viel mehr ausdrücken als viele Worte und lange Erklärungen. Einen solchen Moment gibt es und zwar gleich zu Beginn des fünften der insgesamt fünf aktuellen Sonderangebote dieses Newsletters, die wie immer eine Woche lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 14.01. 22 – Freitag, 21.01. 22) zu haben sind. Denn in „Winter ohne Vater“ von Brigitte Birnbaum, das zusammen mit der Fortsetzung „Noch lange kein Sommer“ in einem E-Book präsentiert wird, schöpft Christian noch einmal Hoffnung, als seine Schwester Silke den Abendbrottisch für vier Personen deckt statt für drei. Denn gerade hat Christian erfahren, dass sich seine Eltern getrennt haben und die Kinder bei der Mutter blieben werden.

ein Vater-Problem hat Felix in „Stolperjahre“ von Brigitte Rabeler.

Schweren Herzens „Abschied von Rostock“ nimmt der damals 77-jährige Schriftsteller Rudi Czerwenka. Es wird ein Abschied für immer.

Eine Erinnerung an einen berühmten Feuilletonisten präsentiert sein Debütband „Klappersteine“ von Jürgen Borchert.

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Spannende Rückblicke ganz eigener Art auf ein Leben und auf Entscheidungen eines Künstlers und Kulturpolitikers präsentiert das heute ausgewählte Buch. Und es hilft vielleicht manche Entwicklungen besser zu verstehen – während, vor und nach der Wende.

Erstmals 2013/14 veröffentlichte EDITION digital als Eigenproduktion „Ungesagtem lauschen. Aus dem Tagebuch der Jahre 2000 bis 2012“ von Uwe Berger: Der Autor stellt sein Tagebuch der Jahre 2000 bis 2012 vor. Rückblickend auf seine Teilnahme 1988 an einer offiziellen Kulturdelegation der DDR in Polen heißt es: Dummheit und Arroganz, Regelungswut und Zynismus waren auf unserer Seite eklatant und vorherrschend. Uwe Berger war sich zu dem Zeitpunkt bewusst, dass es so nicht weitergehen konnte. In diesem Bewusstsein spricht er von seinem estnischen Freund, dem Schriftsteller, Filmemacher und Politiker Lennart Meri, der 1992 estnischer Staatspräsident geworden war. Der deutsche Komponist Kurt Schwaen und seine Gattin Ina ziehen ihn in den Dunstkreis der Musik. Dr. Malte Herwig, der ihn im Auftrag der Spiegel-Redaktion nach seiner Mitwirkung bei einem Literaturzirkel der Stasi befragt hat, informiert ihn, dass seine Entschuldigung unterdrückt werden sollte. Herwig verlässt den Spiegel. Seiner Enkelin berichtet der Autor, wie im Krieg der geschniegelte Chef der Flakbatterie seine fünfzehnjährigen Soldaten über die Rieselfelder hetzte, weil sie russischen Kriegsgefangenen Brot gegen Schnitzereien gegeben hatten. So reihen sich nicht nur die unterschiedlichsten Eindrücke, sondern begegnen sich auch Gestern und Heute. Hier einige Eindrücke aus dem Frühling und Frühsommer 2001, also vor nunmehr 21 Jahren:

16. März 2001

Anne hat es geschafft. Seit Juli vorigen Jahres ist sie befreit von der Last ihrer gut und weiterhin gut gehenden Praxis. Ein jüngerer Arzt ist an ihre Stelle getreten.

Für Anne und mich ist das ein Neuanfang. Hatte ich bisher nur einen Wochenendgast zu Hause, lebe ich nun mit einer aufmerksamen und selbstsicheren Gefährtin zusammen. Wir begründen unsere Liebe auf anderer Basis ganz von vorn.

Arzt mit Leib und Seele, gibt sie ihre Medizin natürlich nicht auf. Sie hat sich ein kleines Zimmer neu gestaltet, dessen Wände mit Büchern und Akten tapeziert sind und in dessen Mitte ein, wie ich es nenne, logistisches Zentrum mit Computer, Kopierer und anderen Geräten thront.

Für mich bedeutet ihre Anwesenheit – ein schönes Wort übrigens – die Möglichkeit, mich wieder mehr auch dem Nachsinnen, Aufschreiben und Managen zu widmen.

Zurzeit habe ich mich unter anderem auf eine geistige Reise in das alte Mexiko begeben. Das ist eine nahe und doch ferne und fremde Kultur. Die uralten olmekischen Masken, Kolossalstatuen und Statuetten, die klassische Stadt Teotihuacán mit der Sonnenpyramide, der Mondpyramide, dem Tempel des Quetzalcoatl und die Menschenopfer.

Lieber als der Opferschädel aus Tenochtitlán mit den Kunstaugen und den in Mund- und Nasenöffnung gerammten Steinmessern sind mir freilich die erotischen Keramiken der Moche-Kultur in Peru.

[*] Mai 2001

Gemeinsam mit meiner Doktorin nehme ich teil an einem Symposium Reise- und Impfmedizin, das im Auswärtigen Amt am Werderschen Markt stattfindet. Getagt wird im „Weltsaal“, der im alten Teil des Gebäudekomplexes liegt.

Dieser alte Teil aber ist nichts anderes als das Hauptgebäude der ehemaligen Deutschen Reichsbank, das nach dem zweiten Weltkrieg zum Sitz des Zentralkomitees der SED gemacht wurde.

Im Reichsbankgebäude arbeitete mein Vater von 1939 bis 1945. Als Freimaurer war er von seinem leitenden Posten in der Augsburger Filiale abberufen und hierher strafversetzt worden. Nach dem Krieg besuchte ich ihn in dem Haus, das vorübergehend vom Berliner Stadtkontor belegt war. Eine sogenannte Entnazifizierungskommission hatte ihn als nicht tragbar für eine Tätigkeit in dieser Nachfolgebank befunden.

Meinem Vater standen die Tränen in den Augen. „Heb den Kopf. Sei stolz“, sagte ich als siebzehnjähriger Kriegsheimkehrer zu ihm.

Ich empfahl ihm eine Haltung, die ich dann auch für mich in Anspruch nahm, als die DDR zugrunde ging und ihre Bruchstücke mir und anderen als Schuldvorwürfe um die Ohren flogen.

Im ZK-Gebäude, von dessen Fassadenplatten die Kommunisten die Reliefs eines den Nazis genehmen Bildhauers heruntergeschlagen hatten, sprach ich Anfang der siebziger Jahre vor, um Reiner Kunze in unsere Gedichtsammlung „Lyrik der DDR“ zu bekommen. Ich wartete stundenlang auf das Orakel eines parteiamtlichen Zensurgremiums.

Nach den beiden nicht gerade angenehmen Begegnungen mit dem Haus sehe ich nun heute auf den langen alten Außentreppen in einer Beratungspause leger gekleidete Symposiumsteilnehmer in der Frühjahrssonne sitzen.

Ein schöneres Bild als je zuvor.

Nicht erwehren kann ich mich des Gedankens, dass auf die Kriegsplaner und die Bilderstürmer die Verursacher des protzigen Vorbaus gefolgt sind.

[*] Mai 2001

Wieder am Amtssee bei Kloster Chorin. Irgendwie hat der Ort seinen Reiz für mich verloren.

Vielleicht war damals, als Anne in der Klosterruine die Kaffee-Kantate von Bach trällerte, mein Interesse deshalb so groß, weil hier ein Kontrast zur geistigen Vereinheitlichung und Verödung bestand. In dem Buch „Backsteintor und Spreewaldkahn“ wollte ich den Kreis dessen erweitern, was es zu beachten gilt.

Dieser Ausgangspunkt existiert nicht mehr. Die Klosterruine wurde schon zu DDR-Zeiten in ihre kulturellen Rechte und heute auch in ihre institutionelle Würde eingesetzt. Chorin ist nun ein Touristenziel. Ansonsten aber gibt es ringsherum zu wenig Arbeit, also zu wenig Leben.

Eine traurige Lage.

Wir nehmen einen Imbiss im Garten des am Amtssee gelegenen Hotels Haus Chorin zu uns. Nach uns fliegt eine Reisegesellschaft ein. Ich habe den Eindruck, dass es Menschen sind, die aus der Großstadt in eine geträumte Klosteridylle flüchten.

[*] Juni 2001

Wir suchen eine kleine, in sich geschlossene romanisch-gotische Backsteinwelt auf – die mit Leben erfüllten Gebäude und Höfe des Klosters Lehnin.

Das Innere der Klosterkirche St. Marien ist – nach Zisterzienserart – streng und schön. Das Fehlen fast jeglichen Beiwerks lenkt den Blick auf die tragenden Pfeiler und die gekreuzten Rippen. Das Gewölbe dieser Backsteinkirche fasziniert und erhebt mehr als die wuchernde Vielfalt einer süddeutschen Barockkapelle. Beim Hinausgehen fällt mir eine sehr detailfreudige, sehr sprechende Kalvarienberg-Darstellung auf. Das Bild, das 1956 aus dem Brandenburger Dom hierher kam, wird von Experten für eine westfälische Tafelmalerei aus der Zeit um oder nach 1450 gehalten. Auf alle Fälle stammt es von der Hand eines Meisters. Die DDR hat, was auch gewichtigere Fakten belegen, das Kleinod Lehnin nicht beschränkt, sondern gefördert.

Das Besondere an Kloster Lehnin ist seine Belebtheit. Königshaus, Abtshaus, Luise-Henrietten-Haus, Elisabethhaus und andere Bauten beherbergen ein evangelisch-diakonisches Stift, eine Superintendentur, Ausbildungsstätten und Unterkünfte einer Krankenpflegeschule, ein Altenhilfezentrum, eine Kindertagesstätte, Gästezimmer, Fest- und Speisesäle, Klosterladen und anderes. Nicht zuletzt ist mit dem Kloster geistig und räumlich ein Krankenhaus verbunden, das mit seine 125 Betten demnächst aus alten Flachbauten in ein modernes Gebäude umziehen wird.

Erklärte Absicht des Ganzen ist die Verbindung von Beten und Tun, von Bekennen und Handeln, eine, wie ich meine, sehr achtenswerte und auch erfolgreiche Bemühung.

Wir, die wir gegenwärtig allzu oft die wirtschaftliche Öde und geistige Leere von Ortschaften in Brandenburg und Mecklenburg zur Kenntnis nehmen müssen, genießen die so friedliche wie aktive Atmosphäre, die uns auf dem Klostergelände umgibt und die auch in die kleine Stadt hineinwirkt.

Wir sitzen auf einer Bank vor der Vierung der Kirche, von der der spitze Dachreiter aufsteigt. Die greisen Diakonissen, die einzeln zur Andacht gehen, und der weiß bekittelte Arzt grüßen uns vertraut. Von der Turmhöhe stürzt sich ein Falke senkrecht in die Tiefe. Große alte Linden und Kastanien geben uns Schatten. Wir überqueren den lichterfüllten und von leuchtenden Rosen geschmückten Klostergarten, der in der Mitte einen durch Gitter gesicherten trockenen Brunnen hat. Unter den runden Bogen des Kreuzgangs arbeiten Handwerker an der Erneuerung des bröckelnden Backsteinfußbodens. Das Café vor dem Eingang zum Klosterbezirk versorgt uns mit Getränken und Kuchen. Schüler und Schülerinnen quirlen um uns herum und geben bereitwillig Auskunft.

Anne ist, wie seit Langem nicht, glücklich und ruhig. Wir nehmen ein wunderbares inneres Bild, Konzentration und Bestärkung mit.“ Und damit zu den ausführlicheren Vorstellungen der anderen vier Sonderangebote dieses Newsletters.

Ebenfalls als Eigenproduktion von EDITION digital erschien 2015 „Stolperjahre“ von Brigitte Rabeler: Felix, ein kleiner dickbäuchiger, aber in Mathematik begabter Junge lebt mit seiner Mutter allein. Seine Freunde sind der Opa, der ihm oft den fehlenden Vater ersetzen muss und Peter, ein begeisterter Fußballspieler. Durch seine Naschhaftigkeit, die auch vor fremden Türen nicht Halt macht, gefährdet er die Freundschaft mit Peter und gerät durch Ausreden in immer tiefere Konflikte. Da hilft ihm auch kein Kobold, der ihn nachts in seinen Träumen aufsucht. Auch die Erfüllung seines größten Wunsches, einen Vater zu bekommen, gerät ins Wanken, da dieser das Fußballidol seines besten Freundes ist. Aber beginnen wir mit dem Anfang der Geschichte, die kein Märchen ist:

Felix und der Fischeangler

  1. Kapitel

Es war einmal ein Junge. Ja, mit „es war einmal“, so fangen fast alle Märchen an. Aber dieses ist kein Märchen. Es geschah erst vor Kurzem und ganz in deiner Nähe in einem kleinen Städtchen am Rande eines großen Fußballfeldes.

Also, noch einmal. Es war einmal ein Junge, der hieß Felix, Felix Kuhlbaum.

An einem warmen Herbsttag saßen also der fünfjährige Felix und sein Opa Kurt auf dem Steg am See und ließen die Beine baumeln. Felix‘ Beine waren noch zu kurz, um in das kühle Nass einzutauchen. Darum spritzte Opa Kurt mit seinen großen Füßen dem Kleinen das Wasser auf die Beine. Das fand Felix spaßig und er jauchzte vor Vergnügen.

Felix war gern bei Opa Kurt. Er konnte herrliche Seemannsgeschichten erzählen, aber auf großer Fahrt war er noch nie gewesen. Vor allem aber konnte er Fische fangen, denn er war Fischer.

Bei Opa Kurt war es stets interessant. Überall gab es was zu entdecken oder zu beobachten. Und wenn Opa mal keine Zeit hatte, spielte er mit der vierjährigen Daysi, der schwarz-braun gefärbten Schäferhündin.

Leider konnte Felix immer nur zum Opa, wenn dieser Zeit für ihn hatte. Das aber kam drei- bis viermal im Jahr vor. Ein altes Bauernhaus mit Scheune, das Opa Kurt von seinen Eltern geerbt hatte, ein kleiner Garten, und was das Beste war, ein Motorboot nannte er sein eigen. Zwar war das Boot nur ein Ruderkahn mit Außenbordmotor. Das aber war Felix vollkommen schnuppe. Viel zu gern fuhr er mit Opa Kurt an den Schilfgürtel, wo sie gemeinsam die Angeln auswarfen.

In die Scheune und in den Schuppen durfte Felix nicht alleine gehen. Opa Kurt ermahnte ihn immer wieder, dass es zu gefährlich sei, da dort allerlei scharfes Werkzeug aufbewahrt wurde.

Beim letzten Besuch hatten sie im Stroh ein Kätzchen entdeckt, das ihre Jungen gerade geworfen hatte. Felix war jeden Tag hingegangen, hatte sich in eine Ecke gesetzt, die Opa ihm zugewiesen hatte und die Kätzchen beobachtet.

Diesen Herbst wollte Opa Kurt ihm zeigen, wie man ein kleines Segelboot bauen kann. Auch wollte er mit Felix Drachen steigen lassen. Darauf freute sich Felix schon sehr.

Eigentlich war er ganz froh, als Opa Kurt anrief und sagte, dass er einige Tage zu Hause wäre und Felix zu ihm kommen könnte. Es waren doch Herbstferien, und der Hort, wie auch der Kindergarten, blieben für eine Woche geschlossen. Beide waren unter einem Dach, weil sonst die größeren schulpflichtigen Kinder nach der Schule ein Dorf weiter fahren müssten, um betreut zu werden. Außerdem hatte er keine Lust, mit den anderen draußen zu spielen. Sie hatten ihn mal wieder geärgert. Sein kleiner runder Bauch war oft genug Anlass zu Spötteleien. Er naschte ja auch viel zu gerne. Und besonders Kühlschränke hatten es ihm angetan. In ihm waren oft so wunderbare Speisen zu sehen, dass er immer etwas herausnahm und in den Mund steckte.

Dieses Mal war es aber etwas anderes. Als seine Horterzieherin Frau Speck am letzten Tag vor den Ferien alle Kinder fragte, wo sie in den Ferien bleiben werden, hatte Felix geantwortet, dass er wieder zu Opa Kurt fährt. Sein Opa war erst 49 Jahre und ein sehr gut aussehender Mann mit einem kleinen Schnauzer.

Einmal hatte er Felix vom Kindergarten abgeholt und mit der Erzieherin geflirtet. Das hatten natürlich die größeren Kinder mitbekommen. Seitdem lästerten sie, wenn Felix zum Opa fuhr. Sie meinten, Felix wäre seine Ersatzfreundin oder auch Lückenbüßer. Felix konnte zwar nicht viel mit den versteckten Anspielungen anfangen, war aber immer sehr verletzt.

Als Frau Speck noch wissen wollte, was denn sein Opa für einen Beruf ausübte, rief Heiner, ein Junge aus der dritten Klasse: „Der angelt Weiber!“ Felix, der seinen Opa natürlich sofort verteidigen wollte, verbesserte ihn und sagte: „Nee, Opa angelt keine Weiber, der ist Fischeangler!“ Alle fingen an zu lachen. Auch die kleine Jana, die sonst immer zu ihm hielt, grinste. Nun nannten sie Felix‘ Opa nur noch den Fischeangler. Sogar seine Mutter, der er seine Schmach abends mitteilte, lachte. Ihr Lachen war aber nicht so verletzend wie das der Kinder. Sie strich ihm über seinen dunklen Haarschopf und sagte: „Dann bringen wir dich eben zum Fischeangler.“ Jetzt hatte Opa Kurt seinen Spitznamen weg.“

Wiederum als Eigenproduktion von EDITION digital veröffentlichte Rudi Czerwenka erstmals 2017 „Abschied von Rostock“: Schweren Herzens nimmt der 77-Jährige aus gesundheitlichen Gründen Abschied von Rostock, wo er 30 Jahre als freiberuflicher Schriftsteller und Journalist gearbeitet hatte. Mit viel Humor und Spannung erinnert sich der Autor an wichtige Stationen seines Lebens, aber auch mit großem Abschiedsschmerz. Es sollte ein Abschied für immer werden. Drei Monate nach seinem Tod erschien dieses, sein nun endgültig letztes Werk. Und so begann der vorletzte Umzug seines Lebens:

Abschied

Alles, was bei einem solchen Umzug zu erledigen ist, war getan. Die Kündigung des alten und der Abschluss des neuen Mietvertrages waren erfolgt, mit allem dazu erforderlichen behördlichen Drum und Dran. Der Schwiegersohn hatte einen Kleintransporter organisiert und die Teile des künftig verwendbaren Mobiliars zu Emils neuer Wohnstätte gefahren. Seine Nachmieterin saß in den Startlöchern, im Frauenhaus, hatte also nichts und freute sich über alles, was sie übernehmen durfte, Emils alte Couch, den Kleiderschrank im Flur, die komplette Küchenzeile mit all dem Kleinzeug bis hin zu den Essbestecken. Das Sozialkaufhaus hatte sogar einen Lastwagen geschickt und Wäsche und Schuhwerk und Bücher und Regale und anderes noch Verwertbare abgeholt. Nur Emil persönlich war noch übriggeblieben als Umzugsgut, hatte die letzte Nacht fast schlaflos in seiner ziemlich ausgeräumten bisherigen Wohnung verbracht und dachte an sein neues Zuhause auf dieser fernen Insel, das er nur von ein paar Fotos her kannte.

Die Kinder hatten einen weiteren Tag freigenommen, kamen mit dem eigenen Auto, schon am frühen Vormittag. Sie wollten noch ein bisschen shoppen gehen, sagte die Tochter, und würden Opa erst nach einem gemeinsamen Abschiedsessen abholen. Bis dahin hätte er Zeit, um von seiner Stadt Abschied zu nehmen, in der er mehr als dreißig Jahre Wurzeln geschlagen hatte.

Das vorherige Lebewohl nach etwa zwei Jahrzehnten von dem beschaulichen Bad Sülze war ihm nicht so schwergefallen. Mausi, seine Frau, war gestorben, die Tochter erwachsen und außer Haus, den Lehrerberuf wollte er aufgeben. Er saß allein, abgesehen von dem vielen Freunden und seinem Hund. Aber Rostock war schon damals Zentrum seiner Gedankenwelt, seines Schaffens.

Ein paar Stunden Zeit hatte er also. Seinen damals ersten Wohnsitz im Stadtteil Schmarl aufzusuchen, hielt er für überflüssig.

Erst vor wenigen Jahren hatte man ihn eingeladen, zur Präsentation der Chronik dieser fast letzten im Aufbaufieber errichteten Neubausiedlung der auflebenden Hansestadt, konzipiert für die Zuwanderer im Hafenbereich und in der Seefahrt. Nach der Vorstellung besagter Chronik war er noch ein wenig herumspaziert, auch zu seinem früheren Wohnsitz. Von den damals fünfzehn Mietparteien in seinem Wohnblock waren noch drei am Hauszugang ausgeschildert. Wie das inzwischen aussah, interessierte ihn nur wenig. Außerdem würde dieser Ausflug nach Schmarl Zeit kosten.

Seine Dauerkarte für die Nutzung von Bussen und S-Bahn hatte er schon abgegeben. Er kannte zwar einen der Kartenkontrolleure und somit auch seine Kollegen, brauchte sich nicht auszuweisen, wenn sie durch die Sitzreihen gingen, aber die Tour würde Zeit kosten.

Da lag die Südstadt, der erste nach dem Krieg und dem Bombeninferno wieder aufgebaute Stadtteil, direkt vor seiner Haustür bzw. in Sichtweite des Balkons seines Hochhauses. Hierher war er gezogen, als er Conny kennengelernt hatte, die hier lebte. Hier gab es zuerst noch keine Bahnanbindung, hier war man auf das Fahrrad angewiesen. Man konnte auf den verschneiten Feldern auf Skiern mit dem Cockerspaniel stundenlang unterwegs sein. Inzwischen hatte sich vieles geändert. Einkaufszentren sind emporgewachsen, Wohnsiedlungen entstanden, Ärzte und andere wichtigen Leute haben sich angesiedelt. Besonders der Broilerstand auf dem Hof und das von den Spatzen begehrte Café auf dem Centerhof waren oft Ziel von Emils Rundgängen gewesen. Und dann die Stadthalle, Rostocks ehemaliger Schwarzbau! Inzwischen tobt der Verkehr Richtung Autobahn, die verschneiten Wiesen existieren nicht mehr, sind mit Häusern gepflastert, Einfamilienhäuser für jene, die es sich leisten können. Aber die grünen Erholungsoasen in der Südstadt gibt es noch.

Und schließlich waren Emil und seine neue Ehefrau in der Kröpeliner Vorstadt gelandet. Von dort hat er doch noch persönlich Abschied genommen, per Straßenhahn, ohne Fahrausweis, unkontrolliert. Mit diesem Wohngebiet waren viele Erinnerungen verknüpft, nicht nur mit der alljährlichen Hanse-Sail, an der sie von der Eröffnungsveranstaltung bis zum abschließenden Feuerwerk teilgenommen hatten. Die Mietstreitigkeiten mit dem Immobilienhai aus Frankfurt waren zwar längst vergessen, aber der Verlust der Museumsschiffe im sogenannten Stadthafen wirkten nach. Die lukrativen Angebote auf dieser Flaniermeile vom Italiener bis zum Chinesen konnten diese Verluste nicht wettmachen.

Die vereinbarte Zeit war verstrichen, als Emil sich mit den Kindern zum verspäteten Essen im Marktrestaurant traf. Er hielt sich an seine Kinderportion. „Schweinchen babe mit; Pommes.“ Die Serviererin wusste Bescheid: „Aber zweimal Ketchup?“ Es schmeckte wie immer. „Bis zum nächsten Mal“, verabschiedete sie sich von ihren Gästen und wusste nicht, dass es dieses nächste Mal nicht geben würde.

Als sie schließlich das Auto bestiegen, entschied sich Emil ausnahmsweise für den Platz auf der Rückbank. Dort konnte er sich recht frei bewegen, durch die seitlichen Scheiben und durch die Heckscheibe beobachten, wo sie entlangfuhren. So bald würde er diese vertraute Gegend nicht wiedersehen.

Ade, Rostock! Guten Tag, Pommerland!“

Erstmals 1977 hatte der seinerzeit vielgelesene und zumindest im damaligen kleineren deutschen Land und besonders in dessen nördlichen Regionen gleichsam berühmte Schriftsteller im Mitteldeutschen Verlag Halle-Leipzig „Klappersteine. Feuilletons“ veröffentlicht:

Zu den vergnüglichsten Texten in diesem Debütband mit Feuilletons des damals 36-jährigen Schriftstellers Jürgen Borchert gehört der mit dem wahrlich feuilletonistischen Titel „Vorschlag, ein Feuilleton über das Luftschiff zu schreiben“. Gewidmet hatte Borchert dieses Feuilleton seinem Lehrer, Mentor und späteren Freund Heinz Knobloch, der viel dafür getan hat, dass sich dieses journalistisch-literarische Genre in der DDR ausbreiten durfte und viel dafür, dass sich auch Leute fanden, die Feuilletons schreiben konnten – wie eben Jürgen Borchert.

Schon in seinem Debütband zeigt der noch junge Feuilletonist, dass er sein Handwerk versteht, blickt auf seinen eigenen Balkon, auf allerhand Leute und Landschaften, auf das eintönige Leben und auf die Relativitätstheorie sowie in Familienpapiere. Manches von dem, was er später und manchmal noch ausführlicher veröffentlicht, wird hier vorbereitet.

Außerdem beantwortet Jürgen Borchert in dem gleichnamigen und titelgebenden Feuilleton die Frage, was denn überhaupt Klappersteine sind: „Rund sind sie, meist hühnereigroß, schwarz, mit weißen und grauen Einsprengseln und Löchern, und hier und da führen winzige, weiß umrandete Gänge in das geheimnisvolle Innere der Feuersteinknolle. Wenn man sie leicht schüttelt, klappert es in ihrem schwarzen Bauch. Da staunt man, wiegt die Steinknolle prüfend in der Hand, schüttelt erst den Kopf und dann noch einmal den Stein – kein Zweifel, es klappert, wider alle Logik. Ein Klapperstein.“

Und was haben sie mit Feuilletons gemeinsam? Auch die muss man ein wenig schütteln, um alles zu hören …

Und hier einer der vergnüglichsten Texte dieses Buches:

Vorschlag, ein Feuilleton über das Luftschiff zu schreiben

Für Heinz Knobloch

Das Luftschiff, denke ich mir, ist ein vorzüglicher Gegenstand für feuilletonistische Betrachtung. Zunächst: es ist ein sehr gemütvolles Fahrzeug. Muss es nicht schon durch seinen Gegensatz zu anderen Beförderungsmitteln Sympathie erwecken? Jenes große, dicke, leise mit seinen Luftschrauben schnurrende Monstrum nimmt sich gegen vorbeirasende vierstrahlige Düsenhornissen mit ungeheuren Rauchfahnen aus wie der gemütvolle Elefant, ganz Ruhesymbol, Behaglichkeit und bedächtige Klugheit ausstrahlend. Also von diesem Punkte her betrachtet, ließe sich wohl ein Feuilleton mit allerlei Aussagemöglichkeiten schreiben, denken wir nur an die Umweltfreundlichkeit des Heliumriesen. Auch dass böse Kollisionen zwischen Flugzeugen stattfinden, lässt das Luftschiff in gefahrlosere Hoffnungsbezirke gleiten. Ich stelle anheim zu beschreiben, wie zwei in der Luft kollidierende Luftschiffe bei ausreichender Elastizität ihrer Verstrebungen sanft voneinander abprallen, ja, dass solches Anbucken wie beim Murmelspiel oder auf dem Autoscooter vielleicht als eine Attraktion bei Vergnügungsfahrten mit dem Luftschiffe vom Reisebüro eingeplant sein könnte. Ja, und dies noch: Ein Luftschiff fährt, es fliegt nicht. Wie beruhigend für alle, die das Fliegen wegen der Fahrstuhleffekte mit gutem Grunde meiden. Das Luftschiff ist da von ganz anderer Beschaffenheit. Es startet nicht, es steigt auf. Beachtenswert, dieser Unterschied! Höchstens leise zitternd, löst es sich langsam vom Boden, der Kapitän (nicht Pilot!) kann noch ein Weilchen in der offenen Tür stehen, den am Luftschiffhafen wohnenden, lärmunbelästigten Leuten lächelnd zuwinken; erst dann schließt er gemütlich die Tür, schreitet gemessen zur Kommandobrücke und tuckert los. Dazu schaltet er seine Motoren ein, zwei winzige Motoren, die nicht mehr Auspuffgase erzeugen als ein Kleinwagen. Und an der sehr verlässlichen Schwebekraft des überhaupt unbrennbaren Gases Helium hängend, gleiten Schiff, Mannschaft und Passagiere dahin.

Schließen Sie die Augen! Sehen Sie? Der blaue Himmel, kleine weiße Wölkchen da und dort, und dazwischen, graziös gleitend, zugleich majestätisch in seinem Gleichgewicht zwischen Masse und Leichtigkeit, der Elefant der Lüfte. Ist das schön? Und ist es ein Stoff mit Hoffnung und Perspektive?

Weil es eben keine gibt, Luftschiffe, an unserem Himmel.“

Auch diesmal ist ein E-Book mit zwei Büchern in einem von Brigitte Birnbaum anzuzeigen: Erstmals 1977 erschien im Kinderbuchverlag Berlin „Winter ohne Vater“. 1998 druckte der Schweriner VerlagReinhardThon „Noch lange kein Sommer“: Unmöglich! Das kann nicht wahr sein! Alles in Christian Nemerow sträubt sich gegen diesen Gedanken. Es darf nicht wahr sein, dass Vati nie mehr kommt, dass er die Familie verlassen hat.

Für ihn ist Vati der Beste. Deshalb will er auch bei ihm leben, nicht bei Mutti und Schwester Silke. Der Junge kämpft. Und dann kommt alles ganz anders.

Die Fortsetzung. Christian, Silke und Frau Nemerow sind ein paar Jahre älter geworden. Neue Zeiten sind angebrochen und es gibt Schwierigkeiten für die kleine Familie. Vati ist inzwischen im Westen. Und Christian hat eine Idee.

Hier aber der Anfang von „Winter ohne Vater“:

1. Kapitel

Unmöglich! Das kann nicht wahr sein! Das nicht!

Alles in Christian Nemerow sträubt sich gegen diesen Gedanken. Es darf nicht wahr sein, dass Vati nie mehr kommt. Dass er nie mehr ihm gegenüber hier am Tisch sitzen wird und ihm die Kartoffelpuffer dick mit Zucker bestreuen, die sie sich so gern von Mutti am Sonnabend backen lassen. Nie mehr im Sommer nach dem Baden mit Vati in der Wiese liegen und den Wolken nachschauen und im Herbst Drachen bauen und aufsteigen lassen? Wie hatten ihn die anderen Kinder beneidet, wenn sein Drachen hoch über die Wohnblöcke in den Himmel geklettert war.

Christian starrt auf die Küchentür. Sie verschwimmt, löst sich in einen weißen Fleck auf. Aber gleich ist da wieder die Tür, mit der Schramme unten links, die von Christians Schuhspitze stammt. Nur Vati wird diese Tür nicht mehr öffnen, nicht mehr seinen Kopf durch den Spalt schieben und „hallo, Sohneken!“ rufen. Neben der Tür steht Mutti. In ihrem moosgrünen Strickkleid wirkt sie noch dünner und blasser, als sie schon ist. Nur die schmale Narbe, die ihre eine Augenbraue spaltet, schimmert rosa. Christian hört, wie Mutti sagt: „Vati und ich…, wisst ihr…, wir waren heute beim Gericht. Nun sind wir geschieden.“

„Warum?“, fragt Christian und kann es nicht fassen. Er denkt, wer soll bloß meine Tadel in Betragen unterschreiben? Vati hätte nur genuschelt: „Sohneken, reiß dich mal ’n bisschen am Riemen, ja!“ Aber Mutti regt sich über solche Kleinigkeiten fürchterlich auf. Außerdem ist sie sich mit Herrn Krusemark immer einig.

„Warum?“, fragt Christian abermals.

„Glaub mir“, bittet Mutti, „es ist besser für uns; für dich und Silke und für mich.“ Sie putzt sich schon wieder die Nase. Dabei hat sie keinen Schnupfen, nicht den kleinsten.

„Ich will zu Vati.“ Christian sagt es bettelnd, fast weinerlich.

„Chris…, mein Kleiner…“ Die Mutter umarmt ihn, drückt ihn an sich, hält ihn fest. „Du und Silke, sieh mal, ihr seid mir zugesprochen. Beide. So hat es das Gericht bestimmt.“

„Und Vati ließ es sich gefallen, dass die über mich bestimmen? Er war damit einverstanden?“

„Wir hatten es so vereinbart, euer Vater und ich, bevor wir zum Gericht gingen. Das…“

„Das glaub ich nicht!“ Christian schüttelt Muttis Arm von seiner Schulter.

Die Mutter überlegt, was sie ihm noch erwidern könnte. Wie soll sie es dem Neunjährigen erklären? Sie versteht es ja selbst kaum.

„Ich werde Vati fragen“, beharrt Christian. Er weiß, mit Vati kann er handeln, ihn überreden.

„Du hörst doch. Vati kommt nicht mehr zu uns“, mischt sich nun auch Silke ein, die schweigend begonnen hat, den Abendbrottisch zu decken.

„Das glaubst du ja selbst nicht! Ha, ha!“ Christian macht einen Luftsprung. „Ha, ha, ha!“ Der Junge hüpft zum Tisch. Im Küchenschrank klirrt Geschirr. Ein Topfdeckel rutscht scheppernd ins Spülbecken.

„Christian!“ Mutter und Schwester sind erschrocken über seinen Freudentanz.

„Na bitte…!“, schreit Christian erleichtert, „sie hat Vatis Teeglas schon hingestellt und sein Besteck… Ha, ha!“

Tatsächlich. Silke hat für vier Personen gedeckt. Aus reiner Gewohnheit. Wie immer. Beschämt greift sie nach Vatis Teeglas, will es rasch fortnehmen. Da fällt ihr der Bruder in den Arm: „Lass es stehen, du! Vati hat diese Woche Spätschicht.“

Silke schaut zur Mutter. Sie nicken einander kaum merklich zu, und sehr langsam stellt das Mädchen das Glas zurück auf den Tisch.

Christians Hoffnung wächst und mit ihr sein Hunger. Der Nudeleintopf war der Schulköchin heute ein bisschen wässrig geraten.

Mit dem Abendbrot muss sich Christian nicht so beeilen wie mit dem Frühstück. Er darf seine Schnitten selbst schmieren. Morgens macht ihm das Mutti. Sonst würde er jeden Tag zu spät zur Schule kommen. Auch Vatis Frühstücksstullen hatte Mutti stets bestrichen und eingepackt. Wer wird es ihm nun machen?

„Ach, beinah hätte ich es vergessen…“, sagt Mutti.

Christian wittert neues Unheil.

„Was?“, fragt Silke gespannt, verschluckt sich an ihrem Wurstbrot und muss husten. Christian klopft ihr den Rücken.

Mutti nimmt aus dem Kühlschrank ein Schälchen Schokoladenpudding. Sie hat es vom Sonntag für Christian aufgehoben. Christian isst leidenschaftlich gern Schokoladenpudding. Als sie das Schälchen vor ihn hinstellt, strahlen Christians Augen, und Mutti freut sich.

Mit dem Löffel halbiert Christian sorgfältig den Pudding, dreht das Schälchen hin und her, prüfend, ob wohl auch beide Hälften gleich groß geworden sind. Silke schaut ihm zu. Ihre Zungenspitze leckt über die Lippen. Will der Bruder mit ihr teilen? Noch lieber mag sie Zitronenspeise, würde aber Christians Angebot nicht ablehnen.

Christian hat die eine Hälfte gegessen. Kein Häppchen mehr. Er legt den Löffel aus der Hand und schiebt die andere Hälfte hinüber zu Vatis Platz, neben das leere Teeglas.

Silkes Blick folgt dem Pudding. Dann tippt sie dreimal mit dem Finger gegen ihre Stirn. Christian sieht, dass sie ihm den Vogel zeigt, aber er schreit sie nicht an wie sonst. Und Mutti sagt sehr leise: „Bitte, Christian, geh dich waschen.“

Christian hat sich gewaschen. Nur mit dem Schlafanzug bekleidet, hockt er im Korridor vor dem Garderobenschränkchen. Was er dort sucht, findet er nicht.

„Mutti, wo sind meine Turnschuhe?“, ruft er. „Morgen hab ich Sport.“

„Du musst doch wissen, wohin du sie geräumt hast“, sagt Mutti.

„Unter seine Liege hat er sie geschmissen“, meldet sich Silke aus der Küche.

Aber Christian hört nicht auf die Schwester. Er sieht Mutti an, die ihr Bettzeug aus dem Zimmer der Kinder wieder hinüber ins Zimmer der Eltern trägt. Mutti hat seit Wochen bei ihnen geschlafen, sich mit Silke die Couch geteilt. Vatis Weiterbildung wegen, hatte Mutti behauptet. Nur der Weiterbildung wegen? Christian zweifelt jetzt. Vati kam in der letzten Zeit oft spät nach Hause und sah dann manchmal noch fern. Der Fernseher steht natürlich bei den Eltern im Zimmer. Mutti ist abends aber zu müde, um vor der Flimmerkiste zu hocken. Schließlich muss sie morgens als erste aus dem Haus.

„Und wo schläft Vati?“, fragt Christian.

„Ich weiß nicht“, sagt Mutti.

„Du weißt es nicht?“ Christian hat das Gefühl, dass er angeschwindelt wird. „Du weißt es nicht? Sonst hast du immer gejammert, du könntest nicht eher Ruhe finden, bis Vati zu Hause ist…, und… und nun stört es dich gar nicht…?“

Mutti schweigt. Sie wirft das Bettzeug auf den Sessel vor dem Fernseher. Das Kopfkissen rutscht herunter. Christian hebt es auf.

So schnell kann sich das ändern, überlegt er erstaunt. So schnell, von einem Augenblick zum anderen?“

Und wir dürfen gespannt sein, wie es weitergeht – in dieser Geschichte und in ihrer Fortsetzung, die nur wenige Jahre später spielt. Herr Nemerow, der Vater, ist inzwischen … – aber lesen Sie doch selbst.

Viel Vergnügen beim Weiterlesen, weiter einen schönen Januar und bleiben auch Sie weiter vor allem schön gesund und munter und bis demnächst.

Über die EDITION digital Pekrul & Sohn GbR

EDITION digital war vor 27 Jahren ursprünglich als Verlag für elektronische Publikationen gegründet worden. Inzwischen gibt der Verlag Krimis, historische Romane, Fantasy, Zeitzeugenberichte und Sachbücher (NVA-, DDR-Geschichte) sowie Kinderbücher gedruckt und als E-Book heraus. Ein weiterer Schwerpunkt sind Grafiken und Beschreibungen von historischen Handwerks- und Berufszeichen sowie Belletristik und Sachbücher über Mecklenburg-Vorpommern. Bücher ehemaliger DDR-Autoren werden als E-Book neu aufgelegt. Insgesamt umfasst das Verlagsangebot, das unter www.edition-digital.de nachzulesen ist, mehr als 1.100 Titel. E-Books sind barrierefrei und Bücher werden klimaneutral gedruckt.

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