Direkte Elektrifizierung oder Wasserstoff, Elektronen oder Moleküle: „Für den Kurs auf Klimaneutralität 2045 geht es längst nicht mehr um ein entweder oder, sondern um ein sowohl als auch“, erklärt Falko Ueckerdt vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, einer der Autoren des Papiers. Doch hinter grünem Wasserstoff und E-Fuels stehen noch sehr junge Technologien, und damit viele offenen Fragen. „Für die Politik ergibt sich daraus die besondere Herausforderung, trotz technischer Unwägbarkeiten zielführend zu navigieren“, so Ueckerdt: „Wir haben deshalb konkurrierende Leitbilder in der Wasserstoffdebatte untersucht und plausible Wasserstoffpfade entlang der aktuell vorliegenden fünf großen Szenario-Analysen* miteinander verglichen. Im Ergebnis legen wir Eckpunkte vor, die Orientierung geben sollen für eine adaptive Wasserstoffstrategie und notwendige Lernprozesse“.
Große Bandbreite steht nicht für Spielräume, sondern Unsicherheiten und Risiken
Das Kurzdossier der Expertinnen und Experten von sechs Instituten des Ariadne-Konsortiums zeigt: Die Rolle von Wasserstoff und E-Fuels ist in den nächsten Jahren vor allem durch ihre geringe Verfügbarkeit begrenzt, so dass Wasserstoff für den Zeithorizont bis 2030 lediglich eine kleine Rolle spielt. Auf Kurs zur Klimaneutralität 2045 sollten demnach in einer „Dekade der Elektrifizierung“ die Kapazitäten Erneuerbarer Energien verdreifacht werden, batterieelektrische Fahrzeuge die Pkw-Neuzulassungen dominieren und etwa 5 Millionen Wärmepumpen installiert werden. Gleichzeitig muss jedoch der Markthochlauf von Wasserstoff bereits heute mit großem politischem Nachdruck verfolgt werden.
Nach 2030 ist die Bandbreite der Szenarien im Hinblick auf die Wasserstoff- und E-Fuel-Nutzung zwar groß. Dies sollte jedoch nicht einfach als technologischer oder politischer Spielraum interpretiert werden, sondern vor allem als Raum der Unwägbarkeiten. Technologische Unsicherheiten erfordern ein schrittweises Vorgehen und eine laufende Anpassung der Wasserstoffstrategie entlang der Lernprozesse, folgern die Autorinnen und Autoren des Ariadne-Papiers. Solange Unklarheit herrscht über realisierbare Wasserstoffmengen- und -preise sollte Wasserstoff vor allem dort eingesetzt werden, wo es keine Alternativen durch die direkte Elektrifizierung gibt – etwa in der Industrie bei der Ammoniak- oder Stahlproduktion, bei den E-Fuels etwa im Fernflug- oder Schiffsverkehr. Denkbar ist auch Wasserstoff aus fossilen Quellen als zeitlich begrenzte Brückentechnologie – allerdings begleitet durch Zertifizierung, Regulierung und entsprechender Bepreisung von Emissionen. Nur so kann sichergestellt werden, dass Treibhausgasemissionen tatsächlich reduziert und nicht nur verlagert werden.
Eine erfolgreiche Wasserstoffstrategie ist eingebettet in eine Klimaschutzstrategie
„In den nächsten Jahren wird sich zunehmend herauskristallisieren, welche Wasserstoffkosten und -mengen realisierbar sind und inwieweit der Wasserstoffeinsatz nach einem ambitionierten und fokussierten Start schrittweise verbreitert werden kann“, sagt Benjamin Pfluger von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG, einer der Autoren der Studie. Der Wasserstoffeinsatz bleibt ein Thema, da sein Einsatz bestimmte Herausforderungen bei der direkten Elektrifizierung umgeht. Mit der für die Erreichung der Klimaschutzziele unbedingt erforderlichen Beschleunigung des Ausbaus Erneuerbarer Energien und der Elektrifizierung bis 2030 werden wir mehr über deren langfristige Grenzen lernen: „Mit diesen Erkenntnissen können Marktakteure und Politik besser über Einsatzgebiete von Wasserstoff entscheiden und so die Energiesysteme der Zukunft gestalten. Wird hingegen bereits jetzt auf eine breite Verfügbarkeit von günstigem Wasserstoff und E-Fuels gesetzt und diese Erwartungen erfüllen sich nicht, drohen ein fossiler Lock-in, hohe Kosten und eine Verfehlung der Klimaziele“, so Pfluger.
Eine erfolgreiche Wasserstoffstrategie muss in eine Klimaschutzstrategie eingebettet werden, die den Unsicherheiten sowohl von Wasserstoff und E-Fuels als auch der direkten Elektrifizierung Rechnung trägt, betonen die Ariadne-Fachleute. Diese integrierte Strategie muss sich weder auf ein Wasserstoff-Leitbild noch auf einen langfristigen Pfad des gesamten Energiesystems festlegen. Stattdessen ermöglicht sie der Politik, gemeinsame Lernprozesse mit der Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft anzustoßen und adaptiv auf Basis neuer Erkenntnisse zu reagieren.
*Ariadne, 2021; BDI, 2021b; BMWi, 2021a; dena, 2021; Prognos, Öko-Institut, Wuppertal-Institut et al., 2021
Weitere Informationen:
Durchstarten trotz Unsicherheiten: Eckpunkte einer anpassungsfähigen Wasserstoffstrategie. Wie die Politik Wasserstoffpfade hin zur Klimaneutralität 2045 finden kann. Ein Ariadne-Kurzdossier (2021): Falko Ueckerdt, Benjamin Pfluger, Adrian Odenweller, Claudia Günther, Michèle Knodt, Jörg Kemmerzell, Matthias Rehfeldt, Christian Bauer, Philipp Verpoort.
Weblink zum Kurzdossier:
https://ariadneprojekt.de/publikation/eckpunkte-einer-anpassungsfaehigen-wasserstoffstrategie/
Institute der beteiligten AutorInnen:
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung PIK, Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG, Technische Universität Darmstadt, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Paul Scherrer Institut, Institut für Vernetzte Energiesysteme des Deutschem Luft- und Raumfahrtzentrum DLR.
Wer ist Ariadne? Im Konsortium von mehr als 25 wissenschaftlichen Partnern führt das Kopernikus-Projekt Ariadne durch einen gemeinsamen Lernprozess mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, erforscht Optionen zur Energiewende und stellt politischen Entscheidern wichtiges Orientierungswissen bereit.
Wir sind Ariadne:
adelphi | Brandenburgische Technische Universität Cottbus – Senftenberg (BTU) | Deutsche Energie-Agentur (dena) | Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) | Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) | Ecologic Institute | Fraunhofer Cluster of Excellence Integrated Energy Systems (CINES) | Guidehouse Germany | Helmholtz-Zentrum Hereon| Hertie School | Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) | ifok | Institut der deutschen Wirtschaft Köln | Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität | Institute For Advanced Sustainability Studies (IASS) | Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) | Öko-Institut | Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) | RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung | Stiftung 2° – Deutsche Unternehmer für Klimaschutz | Stiftung Umweltenergierecht | Technische Universität Darmstadt | Technische Universität München | Universität Greifswald | Universität Hamburg | Universität Münster | Universität Potsdam | Universität Stuttgart – Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) | ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
Über die Kopernikus-Projekte
Die Kopernikus-Projekte des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bilden eine der größten deutschen Forschungsinitiativen zum Thema Energiewende. Ihr Ziel ist eine klimaneutrale Bundesrepublik mit einer sauberen, sicheren und bezahlbaren Stromversorgung bis zur Mitte des Jahrhunderts. www.kopernikus-projekte.de
Das Kopernikus-Projekt Ariadne ist als Verbund von mehr als 25 Instituten organisiert und wird vom PIK geleitet. Sie erhalten diese Mail, weil Sie sich in den Presseverteiler des PIK haben eintragen lassen. Darüber freuen wir uns. Wenn Sie keine Zusendungen mehr von uns erhalten möchten, genügt ein formloser Hinweis per Mail an presse@pik-potsdam.de – wir werden dann Ihre bei uns gespeicherten persönlichen Daten umgehend löschen.
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung e.V.
Telegrafenberg A 31
14473 Potsdam
Telefon: +49 (331) 2882500
Telefax: +49 (331) 2882600
http://www.pik-potsdam.de
Kommunikationsmanagerin Ariadne
Telefon: +49 (30) 3385537-365
E-Mail: ariadne-presse@pik-potsdam.de
Telefon: +49 (331) 28825-07
E-Mail: presse@pik-potsdam.de