Wie Sie bereits aus den Medien entnehmen konnten, wurde gestern der Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP vorgestellt. Unter dem Motto „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ beschreiben die Ampel-Partien auf fast 180 Seiten ihre Pläne für die kommenden vier Jahre. Als neuer Verkehrsminister scheint Volker Wissing (FDP festzustehen. Der Generalsekretär der Liberalen leitete bereits das Verkehrsresort in Rheinland-Pfalz. Robert Habeck (Grüne) wird voraussichtlich ein sogenanntes „Superministerium“ für Wirtschaft und Klimaschutz leiten. Damit wäre er ebenfalls von höchster Relevanz für die Busbranche.
Aus Sicht der privaten Busbranche kann festgehalten werden, dass sich der konstruktive Dialog der letzten Jahre mit SPD, Grünen und FDP ausgezahlt hat. Im Koalitionsvertrag finden sich zahlreiche Punkte, für die sich der bdo seit langem einsetzt. Hier einige der relevantesten Passagen des Vertrags:
- Bekenntnis zur Eigenwirtschaftlichkeit: „Am Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre halten wir fest.“
- Mittelstandsfreundliche Förderung: „Damit alle neuen Busse einschließlich der Infrastrukturen möglichst zeitnah klimaneutral fahren, wird der Bund die bestehende Förderung verlängern und mittelstandsfreundlicher ausgestalten.“
- ÖPNV-Offensive: „Wir wollen Länder und Kommunen in die Lage versetzen, Attraktivität und Kapazitäten des ÖPNV zu verbessern. Ziel ist, die Fahrgastzahlen des öffentlichen Verkehrs deutlich zu steigern. […] Gemeinsam werden wir Qualitätskriterien und Standards für Angebote und Erreichbarkeit für urbane und ländliche Räume definieren.“
- Verlängerung ÖPNV-Rettungsschirm: „2022 werden wir die pandemiebedingten Einnahmeausfälle wie bisher ausgleichen.“
- ÖPNV-Finanzierung stärken: „Wir wollen einen Ausbau- und Modernisierungspakt, bei dem sich Bund, Länder und Kommunen unter anderem über die Finanzierung bis 2030 einschließlich der Eigenanteile der Länder und Kommunen und die Aufteilung der Bundesmittel verständigen sowie Tarifstrukturen diskutieren. Regionalisierungsmittel werden ab 2022 erhöht.“
- Bessere Verankerung des Tourismus in der Bundesregierung: „Der inländische Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor mit großem Zukunftspotenzial, besonders im ländlichen Raum. Wir nehmen den Prozess zur nationalen Tourismusstrategie wieder auf, verbessern die Koordinierung der Tourismuspolitik, um den Tourismusstandort Deutschland nach der Corona-Krise nachhaltig, klimafreundlich, sozial gerecht und innovativ zu gestalten. Mit einem Modernisierungsprogramm „Zukunft Tourismus“ unterstützen wir unbürokratisch Neu- und Wiedergründungen. (…) Für einen langfristigen Dialog zu den Zukunftsthemen der Branche, Klimaneutralität, Digitalisierung, Fachkräfte, etablieren wir eine „Nationale Plattform Zukunft des Tourismus“. (…) Wir werden die Gewinnung ausländischer Fachkräfte für die deutsche Tourismusbranche durch den Abbau bürokratischer Hürden erleichtern.“
- Bürokratieabbau: „Wir werden europäisches Recht bürokratiearm und bürgernah umsetzen. Ebenso machen wir uns auf europäischer Ebene für mittelstandsfreundliche Lösungen stark (KMU-Test). […] Wir werden prüfen, inwiefern wir den Aufwand für und durch die rein elektronische Aufbewahrung von Belegen und Geschäftsunterlagen verringern können. Unnötige Erfordernisse bei A1 Bescheinigungen bei grenzüberschreitender Dienstleistungserbringung müssen rasch abgeschafft werden, indem ein europäisches elektronisches Echtzeitregister eingeführt wird.“
- Mittelstand stärken: „Unsere Wirtschaftspolitik setzt auf zukunftsorientierte Rahmenbedingungen für einen wettbewerbsfähigen Mittelstand, für ein starkes Handwerk und für Freie Berufe. Hierfür werden wir die Beteiligungsmöglichkeiten von kleinen und mittleren Betrieben an Vergabeverfahren stärken. Förderprogramme und Investitionszuschüsse sollen vor allem für kleine und mittlere Unternehmen und Selbstständige deutlich einfacher zu beantragen und zu dokumentieren sein. Dafür werden wir sie digitalisieren, evaluieren und bedarfsgerecht ausgestalten.“
Mit Blick auf die Diskussionen zu Tariftreue, Sozialstandards bei eigenwirtschaftlichen Verkehren und Betriebsübergänge, die in der Vergangenheit insbesondere von Gewerkschaften und der SPD vorangetrieben wurde, ist der aktuelle Koalitionsvertrag zurückhaltend. Es heißt lediglich:
- „Wir setzen uns für faire Arbeitsbedingungen im ÖPNV ein. Zu diesem Zweck stärken wir die Tariftreue und schaffen die gesetzliche Grundlage dafür, Tarifverträge zur Bedingung bei Ausschreibungen zu machen. Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe zu berücksichtigen. (…) Wir wollen die Tarifautonomie, die Tarifpartner und die Tarifbindung stärken, damit faire Löhne in Deutschland bezahlt werden – dies befördert auch die nötige Lohnangleichung zwischen Ost und West. Zur Stärkung der Tarifbindung wird die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrages der jeweiligen Branche gebunden, wobei die Vergabe auf einer einfachen, unbürokratischen Erklärung beruht. Betriebsausgliederung bei Identität des bisherigen Eigentümers zum Zwecke der Tarifflucht werden wir verhindern, indem wir die Fortgeltung des geltenden Tarifvertrags sicherstellen. Unangetastet bleibt § 613a BGB (Rechte und Pflichten beim Betriebsübergang). Im Dialog mit den Sozialpartnern werden wir weitere Schritte zur Stärkung der Tarifbindung erarbeiten und hierbei insbesondere Möglichkeiten für weitere Experimentierräume erörtern.“
Besonders erfreulich ist außerdem, dass die Überzeugungsarbeit hinsichtlich der Schädlichkeit einer Busmaut gefruchtet hat. Das Thema Maut wird eindeutig nur im Zusammenhang mit dem Güterverkehr erwähnt. Eine Busmaut steht damit nicht auf der Agenda der Koalition.
Ebenfalls positiv zu bewerten ist, dass die neue Bundesregierung plant, die Belange des Klima- und Umweltschutzes im Straßenverkehrsgesetz und in der Straßenverkehrsordnung stärker zu berücksichtigen.
- „Wir werden Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung so anpassen, dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden, um Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume zu eröffnen.“
Beim Führerscheinerwerb eröffnen sich ebenfalls neue Möglichkeiten. Begleitetes Fahren soll bereits ab 16 ermöglicht werden. Der bdo wird sich entsprechend dafür einsetzen, dass die Altersgrenzen für BusfahrerInnen abgesenkt werden.
- Um Jugendliche schon frühzeitig für die Gefahren im Straßenverkehr zu schulen, werden wir begleitetes Fahren ab 16 Jahren ermöglichen. Wir wollen mehr digitale Elemente des Führerscheinunterrichtes ermöglichen, die Digitalisierung von Fahrzeugdokumenten vorantreiben und das Monopol bei der Fahrerlaubnisprüfung unter Wahrung geltender Qualitätsstandards aufheben.
Zu den Auswirkungen des CO2-Preises auf die Busunternehmen und eine mögliche Mehrwertsteuersenkung für Busreisen, positionieren sich die Ampelparteien nicht im Koalitionsvertrag. Gleichzeitig wird aber auch nichts ausgeschlossen, so dass sich hier Spielräume ergeben könnten. Der bdo wird auf jeden Fall weiter an diesen Themen arbeiten.
Wir werden Sie selbstverständlich über die weiteren Phasen der Regierungsbildung auf dem Laufenden halten. Es wird insbesondere von großer Relevanz sein, welche Abgeordneten des Bundestags als parlamentarische Staatssekretäre die jeweiligen BundesministerInnen unterstützen werden.
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