Windenergieanlage im Probebetrieb: Wer bekommt die AfA?
Ausgangspunkt eines aktuellen Rechtsstreits vor dem Finanzgericht (FG) Münster war ein Bundesfinanzhof (BFH)-Urteil aus dem Jahr 2016 (Az. IV R 1/14). Damals hatten die Richter entschieden, dass Windenergieparkbetreiber Windkraftanlagen erst ab dem Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums abschreiben dürfen. Das wirtschaftliche Eigentum war im Streitfall erst nach dem erfolgreichen Abschluss eines Probebetriebs der Anlagen übergegangen. Denn erst im Anschluss daran erfolgte die Abnahme.
Das FG Münster verhandelte über einen ähnlichen Fall. Ein Windenergieparkbetreiber wollte bereits für den Probebetrieb im Jahr 2017 die AfA für mehrere Windenergieanlagen geltend machen. Die endgültige Abnahme erfolgte zwar erst im Jahr 2018. Doch bereits während des Probebetriebs erhielt die Windenergieparkbetreiberin die Erlöse aus dem eingespeisten Strom.
Das Finanzamt berief sich auf das BFH-Urteil aus dem Jahr 2016 und ließ den AfA-Abzug für den Zeitraum vor der endgültigen Abnahme der Anlagen nicht zu. Ähnlich verfuhr es auch mit der AfA für die Zufahrt und die externe Verkabelung. Dagegen zog die Windenergieparkbetreiberin vor Gericht. Sie forderte, den AfA-Abzug, wie in der Gewinnermittlung erklärt, zuzulassen. Sollte das Gericht ihrer Rechtsauffassung nicht folgen, wollte sie über einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten wenigstens die Erlöse aus der Stromeinspeisung für den Zeitraum des Probebetriebs mindern.
Entscheidung des Gerichts: während des Probebetriebs kein AfA-Abzug
Das FG Münster wies die Klage als unbegründet zurück. In der Urteilsbegründung stützten sich die Richter im Wesentlichen auf die Argumentation des BFH aus dem Jahr 2016.
Ein Wirtschaftsgut lässt sich erst ab dem Zeitpunkt abschreiben, ab dem das wirtschaftliche Eigentum auf den Steuerpflichtigen übergegangen ist. Nach dem zugrundeliegenden Werkvertrag war dies auch erst zum Zeitpunkt der Abnahme der Fall. Diese fand aber erst im Jahr 2018 statt. Deshalb war die Windenergieparkbetreiberin für das Jahr 2017 noch nicht zum Abzug von AfA berechtigt – weder für die Windenergieanlagen selbst, noch für die Verkabelung und Zufahrt.
Auch die Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungsposten sei nicht zulässig. Denn dieser setzt voraus, dass der Unternehmer Einnahmen erzielt, die erst einem Zeitraum nach dem Abschlussstichtag zuzurechnen sind. Da die Klägerin die Einspeisevergütung für das Jahr 2017 erhalten hatte, handelte es sich dabei nicht um einen Ertrag, der erst im Jahr 2018 zu berücksichtigen wäre.
Zusätzlich zu der BFH-Entscheidung von 2016 stand hier noch die Frage einer Rückstellung für den Rückbau der Windenergieanlagen im Raum. Diese durfte die Windenergieparkbetreiberin aber ebenfalls nicht bilden. Als Begründung führten die Richter aus, dass dies auch erst ab dem Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums möglich ist (Urteil vom 15.09.2021, 13 K 3059/19 G,F).
Praxistipp: Höhere Abschreibung in den Folgejahren
Die Entscheidung des Gerichts führt dazu, dass weder der Anlagenhersteller noch der spätere Anlagenbetreiber während des Probebetriebs die AfA nutzen durfte. Trotzdem nutzen sich die Anlagenbestandteile auch in dieser Zeit bereits ab. Diesen Umstand sahen die Richter aber nicht als problematisch an. „Man könnte später nach dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Windenergieanlagen gegebenenfalls von einer geringeren Restnutzungsdauer ausgehen als in den amtlichen AfA-Tabellen vorgesehen. So ließe sich durch einen dementsprechend höheren Abschreibungssatz zumindest der Gewinn in den Folgejahren mindern“, sagt Carmen Eibl, Steuerberaterin bei Ecovis in Landau.
Carmen Eibl, Steuerberaterin bei Ecovis in Landau
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