Paritätisches Jahresgutachten: Bundesregierung erreicht selbst gesteckte sozialpolitische Ziele nicht

Die scheidende Bundesregierung verfehlt viele sozialpolitische Ziele, die sie sich selbst gesetzt hat, so das Fazit des aktuellen Paritätischen Jahresgutachtens zur sozialen Lage in Deutschland, das der Wohlfahrtsverband inzwischen zum siebten Mal vorlegt. Das Jahresgutachten untersucht anhand von Daten der offiziellen Statistiken und der Gesetzgebung des jeweiligen Vorjahres, wie es um den sozialen Zusammenhalt in Deutschland steht, identifiziert Problemlagen und formuliert Handlungsbedarfe.

„Die sozialpolitische Bilanz der scheidenden Bundesregierung fällt bescheiden aus. Viele selbstgesteckte Ziele waren wenig ambitioniert oder wurden verfehlt. Die Stärkung des sozialen Zusammenhalts wird programmatisch zwar gerne beschworen, in der politischen Praxis dann jedoch allzu oft vernachlässigt”, bilanziert Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbands die Befunde des vorliegenden Jahresgutachtens.

So habe sich die Bundesregierung beispielsweise das Ziel gesetzt, die Zahl der Ärmeren zukünftig unter den EU-Schnitt zu halten. Dieses Ziel wurde nur teilweise erreicht. Tatsächlich lag die Armutsquote 2019 unverändert hoch bei 15,9 Prozent. Außerdem gilt, wie das Gutachten exklusiv ausweist, jede*r fünfte Rentner*in inzwischen als arm und gerade das Armutsrisiko Älterer steige kontinuierlich. Auch Wohnkosten belasten viele Menschen und machten inzwischen oft die Hälfte des Einkommens in ärmeren Haushalten aus.

Bei einigen Vorhaben der Bundesregierung lohnt ein Blick in die Details. So hat die Bundesregierung sich im Rahmen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie u.a. auch zum Ziel gesetzt, dass 78 Prozent der 20- bis 64-Jährigen und 60 Prozent der 60- bis 64-Jährigen erwerbstätig sind. Dies wurde zwar erreicht, aber viele der Jobs liegen seit Jahren konstant im Niedriglohnbereich. 6 Millionen Menschen waren 2019 im Niedriglohnbereich angestellt. Nach wie vor ist zudem Reichtum in Deutschland extrem ungleich verteilt: Rund 10 Prozent der Bevölkerung besitzen 64 Prozent des Vermögens. Auch mit dem Ziel, Geschlechtergerechtigkeit herzustellen ist die Bundesregierung gescheitert. 2020 lag der Bruttostundenlohn von Frauen um 18 Prozent niedriger als der von Männern, das Alterssicherungseinkommen von Frauen ist im Schnitt sogar doppelt so niedrig.

Mit dem Gutachten legt der Paritätische auch umfassende Vorschläge für Maßnahmen vor, die aus Verbandssicht geeignet wären, Armut abzuschaffen und den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Prof. Dr. Rolf Rosenbrock: „Die Befunde sind eine Hypothek für die Sozialpolitik der nächsten Bundesregierung. Wir werden die künftige Bundesregierung, unabhängig davon welche Parteikonstellation diese stellt, daran messen, was sie bereit ist, wirklich zu tun für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, für die gleichwürdige Teilhabe aller und gegen Armut. Es gibt viele Baustellen, die von der nächsten Regierung konsequent bearbeitet werden müssen.”

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