Diagnostik und Therapie bei Lungenkrebs haben in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht. Ein Grund dafür ist die Erkenntnis, dass die Art des Tumors (kleinzellig oder nicht-kleinzellig) sowie das Vorliegen bestimmter Veränderungen (Mutationen) im Erbgut der Krebszelle für die Wahl der Therapie entscheidend ist. Dazu muss der Tumor molekulargenetisch analysiert werden, was nur in wenigen hochspezialisierten Universitätskliniken qualitätsgesichert möglich ist. Diese sogenannten Treiber-Mutationen können das Krebswachstum beeinflussen. Neuartige Medikamente werden eingesetzt, die stärker zielgerichtet auf die Gene, Genprodukte oder Stoffwechselwege einwirken als die konventionelle Chemotherapie, und diese können damit bei Ansprechen auf die Therapie das Tumorwachstum hemmen. „Etwa 30 von 100 Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs können bereits heute in der Regelversorgung in einem frühen Krankheitsstadium mit solchen Präparaten behandelt werden, einige im Rahmen von Studien“, erläutert Johannes Bauernfeind. Unabhängige wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass ein Teil der Patient*innen, deren Tumor mit diesen zielgerichteten Therapien behandelt werden kann, im Mittel ein bis zwei Jahre Lebenszeit gewinnen, in Ausnahmefällen sogar länger. „Um unseren Versicherten flächendeckend den Zugang zu diesen Therapien zu ermöglichen, setzen wir bei diesem Krankheitsbild auf die enge Vernetzung universitärer Spitzenzentren mit den behandelnden Kliniken und niedergelassenen Ärzten“, begründet der AOK-Chef den Beitritt zum nationalen Netzwerk Genomische Medizin Lungenkrebs (nNGM).
Denn für eine optimale zielgerichtete Therapie ist es notwendig, die verschiedenen sehr spezifischen Mutationen präzise zu bestimmen. Die sinnvolle Kombination unterschiedlicher Bausteine der Behandlung, die einerseits das Fortschreiten der Erkrankung aufhält und andererseits eine möglichst hohe Lebensqualität der Betroffenen erzielt, erfordert Erfahrung und einen schnellen Zugang zu neuen Forschungsergebnissen. Die Vernetzung mit den behandelnden Kliniken und ambulant tätigen Onkologen stellt zudem sicher, dass die Betroffenen wohnortnah versorgt und somit von ihren Familien und Freunden während der Behandlung unterstützt werden können.
Weil im Rahmen des nationalen genomischen Netzwerks Lungenkrebs Behandlungsdaten erfasst und zu wissenschaftlichen Zwecken ausgewertet werden, kann auch die Wirksamkeit der jeweiligen Behandlungsschemata bei verschiedenen Patienten-Subgruppen untersucht werden. Damit lässt sich wertvolles Wissen für die personalisierte Therapie bei Lungenkrebs gewinnen, das dazu beiträgt, die Behandlungsmöglichkeiten noch zielgerichteter auszurichten. Dies geschieht unter Einhaltung der speziellen datenschutzrechtlichen Regelungen für Gendiagnostik und nach vorheriger Aufklärung und Einwilligung jedes/jeder Teilnehmers*in.
Schon seit Beginn des Jahres 2020 besteht in Baden-Württemberg als bislang einzigem Bundesland eine landeskrankenhausplanerische Fachkonzeption „Zentren für Personalisierte Medizin“ (ZPM) an den Universitätskliniken Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm. Dort werden im Rahmen des Molekularen Tumorboards, dem Ärzte, Molekularbiologen, Humangenetiker und Bioinformatiker angehören, patientenindividuelle Behandlungsempfehlungen erstellt. Deren Basis bilden die Ergebnisse einer standardisierten qualitätsgesicherten molekulargenetischen Diagnostik. Diese Versorgung ist nicht auf Patienten mit Lungenkrebs beschränkt, sondern umfasst zu einem fortgeschrittenerem Behandlungszeitpunkt das gesamte Spektrum der Tumorerkrankungen, für die zielgerichtete Therapien zur Verfügung stehen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse über die Wirksamkeit verschiedener Behandlungsformen werden systematisch dokumentiert und zur Weiterentwicklung der Versorgung genutzt.
Lungenkrebs gehört zu den häufigsten Krebsarten in Deutschland. Laut Deutscher Krebsgesellschaft wird die Diagnose jährlich bei mehr als 50.000 Menschen gestellt. Bei bis zu 80 von 100 Fällen handelt es sich um nicht-kleinzelligen Lungenkrebs. Häufig wird der Tumor erst entdeckt, wenn die Krankheit bereits fortgeschritten ist. Je nach Krankheitsstadium, Tumoreigenschaften und weiteren patientenindividuellen Faktoren stehen verschiedene Therapien zur Verfügung. Dazu zählen Operation, Bestrahlung, Chemotherapie, Immuntherapien, eine Behandlung mit Antikörpern oder molekular zielgerichteten Medikamenten. Ein wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung von Lungenkrebs ist das Rauchen.
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