Rechtsanwalt Christian Solmecke zu dem Urteil: „Anders als vor einem Jahr sehe ich keine Möglichkeit, wie der BGH diesem EuGH-Urteil jetzt noch einen Strich durch die Rechnung machen kann. Ich gehe davon aus, dass sich alle deutschen Gerichte und auch die deutschen Banken an das Urteil halten müssen. Für Verbraucher bedeutet das: Sie können bares Geld zurückerhalten!“
Worum genau ging es in dem Fall?Das kleine Landgericht (LG) Ravensburg hat sich etwas getraut, was sich sonst kein Gericht getraut hat: Es hat bei sich anhängige Verfahren ausgesetzt und dem EuGH vorgelegt. Es wollte wissen, wie konkret einzelne Pflichtangaben (also Klauseln) in Verbraucherdarlehensverträgen auszulegen sind. In den konkreten Fällen ging es um Autokredite der VW Bank, der Skoda Bank und der BMW Bank.
Kurz erklärt: Beim Abschluss eines Darlehensvertrages müssen Verbraucher grundsätzlich darüber belehrt werden, ob und wie sie den Vertrag widerrufen können. Auch dann, wenn sie gar nicht widerrufen wollen. Grundlage dafür ist die sogenannte europarechtliche Verbraucherkreditrichtlinie aus dem Jahr 2008, die das Fundament des bisher geltenden Verbraucherschutzrechtes bildet. In Deutschland wurden diese Angaben im sog. EGBGB umgesetzt. Diese Pflichtangaben müssen im Darlehensvertrag enthalten sein, damit die zweiwöchige Widerrufsfrist zu laufen beginnt. Sind sie es nicht – oder zumindest nicht in ausreichender Klarheit – beginnt auch die Widerrufspflicht nicht, zu laufen.
Zwischen den deutschen Gerichten herrschte seit jeher Streit, wie diese Pflichtangaben auszulegen sind. Je nachdem, wie die Antwort darauf lautet, genügten die Verträge der Banken diesen Vorgaben – oder eben nicht.
Der BGH hatte sich aber beharrlich geweigert, diese Fragen der Auslegung dem EuGH vorzulegen, weil er der Auffassung war, die Sachlage sei so klar, dass er den EuGH nicht fragen müsste. Außerdem sei es nach deutschem Recht rechtsmissbräuchlich, wenn sich ein Verbraucher auf falsche Pflichtangaben berufe.
Nun aber sagte der EuGH: Das sei überhaupt nicht klar – im Gegenteil vertrete der BGH eine falsche Ansicht. Die Angaben seien ganz anders auszulegen: Besonders die Pflichtangaben zum Verzugszinssatz seien fehlerhaft, hier müsse eine absolute Zahl angegeben werden. Auch die Berechnungen zur Vorfälligkeitsentschädigung seien nicht klar genug formuliert gewesen. Schließlich müsse auch die Art des Darlehens konkreter angegeben werden. Zudem sei die Frage des Rechtsmissbrauchs nach Europäischem Recht zu beurteilen – und auf diesen könnten sich die Banken in diesen Fällen gerade nicht berufen.
Konsequenzen des UrteilsAnwalt Solmecke: „Das nun ergangene Urteil birgt eine enorme Sprengkraft – aus zwei Gründen:
Erstens fährt der EuGH dem deutschen BGH damit enorm in die Parade. Das, was hier heute passiert ist, könnte die größte Klatsche sein, die der Bankensenat des BGH jemals in seinem Bestehen erhalten hat. Und aktuell sehe ich – anders als in einer ähnlichen Situation im letzten Jahr – keine Möglichkeit, wie sich der BGH hier wieder herauswinden kann. Er wird sich wohl an diese Rechtsprechung halten müssen.
Zweitens bedeutet das für Verbraucher: Sie können ihren Kreditvertrag auch Jahre nach dem Abschluss eines Kreditvertrags noch widerrufen. Denn den vom EuGH aufgestellten Anforderungen zu einzelnen Pflichtangaben in Verbraucherdarlehensverträgen kann fast kein bekanntes Darlehensvertragsmuster für Verbraucher standhalten (ausgenommen von der Entscheidung sind aber Immobilienkreditverträge). Das kann besonders in Fällen von Vorteil sein, in denen man einen neuen Darlehensvertrag abschließen möchte, um von den momentanen Niedrigzinsen zu profitieren. Oder, falls der Verbraucher Geld braucht, kann er den finanzierten Gegenstand zurückgeben und die bereits gezahlten Summen zurückfordern."
Zur Information: Verbrauchern stellen wir auf unserer Seite einen kostenfreien Schnellcheck zur Verfügung, ob der individuelle Kreditvertrag widerrufbar ist.“
Hier zum Schnellcheck: https://wbs.law/widerruf
Die Kölner Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE hat sich auf die Beratung der Online- und Medienbranche spezialisiert. Insgesamt arbeiten in der Kanzlei 20 Anwälte. Rechtsanwalt Christian Solmecke hat in den vergangenen Jahren den Bereich Internetrecht/E-Commerce stetig ausgebaut. So betreut er zahlreiche Medienschaffende und Web 2.0 Plattformen.
Neben seiner Kanzleitätigkeit ist Christian Solmecke auch Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Kommunikation und Recht im Internet (DIKRI) an der Cologne Business School (http://www.dikri.de). Dort beschäftigt er sich insbesondere mit den Rechtsfragen in Sozialen Netzen. Vor seiner Tätigkeit als Anwalt arbeitete Solmecke mehrere Jahre als Journalist für den Westdeutschen Rundfunk und andere Medien.
Wilde Beuger Solmecke Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
Kaiser-Wilhelm-Ring 27-29
50672 Köln
Telefon: +49 (221) 9688813186
Telefax: +49 (221) 40067552
http://www.wbs-law.de