Es ist gängige Praxis, dass Tiere in Laboren getötet werden, ohne in Versuchen eingesetzt zu werden, weil sie entweder nicht das gewünschte Geschlecht, nicht die erzielte Genveränderung haben, oder aber zu alt sind. Anders als die Zahlen der in Versuchen verwendeten Tiere werden solche „Überschusstiere“ in der jährlichen vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) herausgegebenen Tierversuchsstatistik nicht veröffentlicht.
Die Auswertung bezieht sich auf das Jahr 2017, ab dem entsprechend einer EU-Vorgabe erstmals solche nicht verwendeten Tiere gemeldet werden müssen. EU-weit waren es im Jahr 2017 rund 12,6 Millionen „Überschusstiere“, wovon 3,9 Millionen Tiere allein auf das Konto von Deutschland gehen. Diese Zahlen werden nur alle fünf Jahre von den Mitgliedsstaaten an die EU gemeldet und wurden erstmals 2020 veröffentlicht.
Um Aufschluss über die jeweilige Zahl der „Überschusstiere“ in den einzelnen Bundesländern zu erhalten, hat der Verein Ärzte gegen Tierversuche alle 16 zuständigen Länderbehörden um Auskunft gebeten. Von 12 Bundesländern wurden entsprechende Zahlen mitgeteilt. Die restlichen lehnten den Antrag auf Auskunftserteilung entweder ab, gaben an, keine Daten erhoben zu haben oder antworteten nicht. Bei fehlender Auskunft wurde die Zahl der „Überschusstiere“ hochgerechnet.
„Unrühmlicher Spitzenreiter ist Berlin mit über 833.000 getöteten, nicht verwendeten Tieren, gefolgt von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg mit je über 680.000 Tieren sowie Bayern mit rund 635.000 Tieren“, fasst Dipl.-Biol. Silke Strittmatter, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Ärzte gegen Tierversuche, die Rechercheergebnisse zusammen. „Die Zahlen für Bayern und Baden-Württemberg, die Hauptverbraucher von Tieren in Tierversuchen, mussten allerdings mangels offizieller Angaben hochgerechnet werden.“
Auf Anfrage der Ärztevereinigung wurde von keinem Bundesland für die Tötung der nicht benötigten Tiere ein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes angegeben. Aus unterschiedlichen Quellen geht hervor, dass das Töten überzähliger Tiere aus rein wirtschaftlichen Gründen erfolgt. Erst kürzlich hatte der Verein Strafanzeigen gegen 14 hessische Tierversuchslabore wegen Verdachts auf illegale Tiertötung gestellt, nachdem es ihm gelungen war, Daten über die getöteten „Überschusstiere“ zu erhalten. Der Verein verweist in dem Zusammenhang auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Töten überzähliger männlicher Eintagsküken, wonach das Töten unerwünschter Tiere keinen vernünftigen Grund vor dem Tierschutzgesetz darstellt.
Die Auswertung des Ärztevereins zeigt weiter, dass die überzähligen Tiere teilweise nicht gemeldet oder nur geschätzt werden. „Es handelt sich also keineswegs um verlässliche Angaben, vielmehr ist die tatsächliche Zahl der als „Überschuss“ getöteten Tiere ein tiefes schwarzes Loch unbekannten Ausmaßes“, kommentiert Strittmatter abschließend.
Der Verein bezeichnet es als sträflichste Missachtung des im Grundgesetz verankerten Tierschutzes, dass Politik und Behörden die Tötung der unerwünschten Tiere billigend in Kauf nehmen, obwohl das Tierschutzgesetz einen „vernünftigen Grund“ zwingend vorschreibt und fordert ein Ende der Praxis der illegalen Tiertötung.
Eine ausführliche Stellungnahme einschließlich der Tierzahlen und- arten in den einzelnen Bundesländern ist auf der Internetseite des Vereins verfügbar.
Weitere Information
Stellungnahme Überschusstiere >>
Negativrangliste zu Tierversuchen in den Bundesländern >>
Strafanzeigen gegen 14 hessische Tierversuchseinrichtungen >>
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