COP26 stellt die Weichen für Pensionsfonds neu

Aktuell steigen die CO2-Emissionen wieder sehr stark an – das steht im Widerspruch zur Behauptung von Politik und Wirtschaft, dem Klimawandel die höchste Priorität auf der globalen Agenda beizumessen. Nach einem leichten Rückgang durch die Corona-Beschränkungen 2020 ist nun sogar die zweithöchste Zunahme innerhalb eines Jahres zu erwarten. Größer war das Wachstum des CO2-Ausstoßes nur während der Wirtschaftserholung nach der Finanzkrise 2008.

Dennoch leiten sich aus der Covid-19-Krise möglicherweise Chancen bei der Bekämpfung des Klimawandels ab, denn viele Staaten legen zurzeit Konjunkturpakete im Umfang von Milliarden oder sogar Billionen von Euro auf, die unweigerlich Auswirkungen auf die CO2-Emissionstätigkeit haben werden. Doch wie grün sind diese Konjunkturprogramme?

Bislang fällt die Antwort auf diese Frage sehr unterschiedlich aus. Für die USA lässt sich noch kein abschließendes Urteil fällen. Bereits jetzt ist jedoch klar, dass die Schwellenländer nicht mitziehen. Vor allem China, Indien und Brasilien gehen Umweltthemen trotz großer Ankündigungen von Investitionen in Solar-, Windkraft-, Batterie- und Forstanlagen aus dem Weg. Keine Überraschung ist es daher, dass die EU mit ihrem Aufbaufonds und den Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen weiterhin an der Spitze steht.

Druck auf Pensionsfonds steigt
Bislang fließt fast ein Drittel der weltweit angekündigten Konjunkturprogramme in Branchen, die negative Auswirkungen für den Klimawandel und/oder auf die biologische Vielfalt haben. Der UN-Klimagipfel bietet nun eine wichtige Gelegenheit, den Kurs zu ändern und diese Pläne neu zu gestalten – zumal sich auch Investoren einem wachsenden Druck ihrer Stakeholder ausgesetzt sehen, ihren „fairen Anteil“ bei der Bekämpfung des Klimawandels zu leisten.

Anders als andere institutionelle Anleger müssen Pensionsfonds dabei auch den Erwartungen ihrer Mitglieder, also der zukünftigen Empfänger der Altersversorgung, Rechnung tragen. Vor allem Pensionsfonds von Unternehmen, die mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht werden oder stark von ihm betroffen sind, geraten zunehmend unter Druck, dies bei ihren Anlageentscheidungen zu berücksichtigen. Dazu kommen verstärkt Gesetze und Vorschriften, die großen Pensionsfonds die Berücksichtigung und Offenlegung von Risiken – und Chancen – des Klimawandels vorschreiben. Unternehmen wie IKEA oder EY sind den regulatorischen Anforderungen in Großbritannien sogar vorausgeeilt und haben kürzlich die „Green Pension Charter“ unterzeichnet, in der sie sich zu Netto-Null-Emissionen verpflichten.

Pensionsfonds werden sich dem starken Druck aus verschiedenen Richtungen auf Dauer nicht entziehen können und sollten daher handeln. Eine Möglichkeit ist der Beitritt zu Organisationen wie der von der UN gegründeten Net-Zero Asset Owner Alliance (NZAOA). Es ist auch zu erwarten, dass nach dem Netzwerk der Zentralbanken zur ökologischen Ausrichtung des Finanzsystems (Network for Greening the Financial System, NGFS) und der Net-Zero Insurance Alliance eine globale branchenspezifische Initiative für Pensionsfonds eingeführt wird.

Ambition in Realität umsetzen
Konkret sollten Pensionsfonds alle Teilbereiche ihrer Anlagepolitik überprüfen und gegebenenfalls neu gestalten, um den CO2-Fußabdruck ihres Portfolios zu reduzieren – und sich somit auf mögliche Entscheidungen der UN-Klimakonferenz vorzubereiten. Dazu zählt auch die Auseinandersetzung mit neuen Indikatoren (wie Temperatur-Scores), neuen Instrumenten (wie Klimarisiko-Stresstests) und neuen Methoden (wie der Integration von Überlegungen zum Klimawandel in die Strategische Asset Allocation). Folgende Maßnahmen sind bereits im Vorfeld der COP26 sinnvoll:
 
1.         Exakte Klima-Strategie festlegen: kurz-, mittel- und langfristig sollten sich Investoren klare Ziele hinsichtlich der CO2-Reduktion ihres Portfolios oder der Investitionen in klimafreundliche Themen und Technologien setzen. Dabei können Pensionsfonds auch eine Vorreiterrolle einnehmen, beispielsweise um den Schutz der Biodiversität oder die sozialen Auswirkungen einer CO2-reduzierten Wirtschaft zu adressieren.

2.         Ausgangssituation bewerten: Inwieweit ist das Portfolio Risiken durch den Klimawandel ausgesetzt – direkt und indirekt? Hier sind Modellierungen hilfreich, die einen Überblick über die Klimarisiken und -chancen geben und zudem zeigen, wie sich diese in verschiedenen Szenarien verändern. Solche Instrumente sind besonders für langfristig orientierte Anleger wichtig, da jede Temperaturkurve unterschiedliche Auswirkungen auf den Wert des Portfolios haben kann. Investoren sollten auch die Integration neuer Klimadatenpunkte von ESG-Datenanbietern in Betracht ziehen, die einen anderen Blickwinkel bieten können – diese Messgrößen sind noch nicht perfekt, bieten aber ein stärker zukunftsgerichtetes Verständnis als die aktuellen CO2-Emissions-Kennzahlen.

3.         Hebel aktivieren, um die festgelegten Ziele zu erreichen:

·      Auf der Ebene der strategischen Asset Allocation (SAA) sollten ökologische Kriterien verankert werden wie z. B. CO2-Exposure, Klimarisiken oder Investitionen in grüne Technologien. SAA-Entscheidungen sind der erste Schritt im Anlageprozess jedes Pensionsfonds und haben daher einen weit reichenden Einfluss auf nachfolgende Anlageentscheidungen, so dass es nicht mehr ausreicht, ESG- und Klimaüberlegungen allein durch einen Bottom-up-Ansatz zu integrieren.
·      Mit einer allmählichen Dekarbonisierung des Portfolios lassen sich die Ziele des Pariser Abkommens erfüllen. Bei passiven Strategien kommen Paris-Aligned oder Climate Transition Benchmarks zum Einsatz. Bei aktiven Strategien können Dekarbonisierungsziele gegenüber dem Vergleichsindex des Portfolios festgelegt werden. Einige Pensionsfonds arbeiten bereits mit doppelten Benchmarks: einem Standardindex für die finanzielle Performance und einem ESG-bezogenen Index für das Impact-Monitoring, um dem Vorstand die Klimastrategie besser vermitteln zu können. Darüber hinaus sollten sich Pensionsfonds bei ihren Portfoliounternehmen einbringen, um diese bei der Entwicklung und Umsetzung von umweltfreundlichen Strategien zu begleiten. Darüber hinaus können aktive Anleger eine „grüne Prämie“ vereinnahmen, indem sie nicht nur in aktuelle Klima-Champions investieren, sondern auch in ESG-Nachzügler, die durch die ergriffenen Maßnahmen eine führende Position erreichen können – der sogenannte "Improvers"-Ansatz.
·      Investitionen in grüne Aktivitäten – etwa Technologien zur CO2-Abscheidung oder -Reduzierung – können zum Beispiel durch Green Bonds oder grüne thematische Strategien umgesetzt werden.
·      Investoren sollten eine klare Berichterstattung über die Ziele und den erzielten Fortschritt sicherstellen und ihre Ausgangsziele regelmäßig überprüfen, denn die Anforderungen von Aufsichtsbehörden an das Reporting steigen mit den Empfehlungen der Task Force for Climate-related Financial Disclosures (TCFD).
 
Immer mehr institutionelle Anleger kündigen inzwischen an, die CO2-Intensität ihrer Investitionen zu reduzieren. Diese Ambitionen in die Realität umzusetzen, ist die eigentliche Herausforderung, denn die verfügbaren Methoden und Kennzahlen haben ihre jeweiligen Vor- und Nachteile. Pensionsfonds sollten daher frühzeitig analysieren, wie sich neue Ansätze integrieren lassen – und sich somit schon jetzt auf mögliche neue Weichenstellungen durch die COP26 vorbereiten.
Quelleninformationen und weitere Informationen finden Sie im aktuellen Pension Funds Letter #12 / July 2021 und im Amundi Research Center.

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