Stadt in Sicht. Herausforderungen und Chancen des Städtetourismus in Oberbayern

Oktoberfest abgesagt, keine Messen und Geschäftsreisen, Museen geschlossen – der Städtetourismus ist durch die Corona-Krise so stark betroffen wie kaum ein anderes Segment. Die Tourismusakteure in München und anderen Städten in Oberbayern haben herbe Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Trotz Lockerungen haben sie noch lange mit den Folgen der Krise zu kämpfen. Während die Freizeitreisenden langsam zurückkehren, wird sich der Business-Sektor auf langfristige Veränderungen einstellen müssen. Die Touristiker haben aber aus der Krise auch gelernt und schauen zuversichtlich in die Zukunft. Die Pandemie hat den Blick auf wichtige Handlungsfelder wie die Themen Mobilität und Besucherlenkung gerichtet und so etwa zu einer stärkeren „Stadt-Land-Vernetzung“ geführt und neue Prozesse und Projekte in Gang gesetzt. 

„Corona hat uns vor allem gezeigt, dass Tourismus nichts Selbstverständliches mehr ist“, erklärt Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München und seit Mai Vizepräsident des Tourismus Oberbayern München (TOM) e.V. Allein München verzeichnet einen etwa 60-prozentigen Rückgang bei den Übernachtungen durch die Pandemie; vor COVID hatte die Stadt einen hohen Anteil internationaler Gäste. Da der Überseemarkt eingebrochen ist und länger braucht, um sich zu erholen, wird sich auch München erst einmal nicht so schnell von der Krise erholen. Vor allem die Geschäftsreisen sind weggebrochen, im Lockdown lag die Auslastung bei unter 10 Prozent. Im letzten Sommer waren die Übernachtungsbetriebe nur zu 40 Prozent ausgelastet, in den Jahren zuvor waren es 70 Prozent. „Wir haben vieles aus der Krise gelernt – etwa, dass die Touristiker enger zusammenarbeiten müssen“, so Baumgärtner weiter. Wichtig sei ein enger Kontakt zwischen Stadt und Umland, aber auch zwischen Verwaltung und privatwirtschaftlichen Tourismusakteuren. Gerade die zunehmende Freizeitmobilität mit Tagesausflügen ins Umland war und ist eine besondere Herausforderung für Oberbayern. Hier zeige sich deutlich, dass Stadt und Land aufeinander angewiesen sind. Das Ergebnis: gemeinsame Arbeitskreise, die Entwicklung und Optimierung des Ausflugstickers und mit dem gerade gestarteten Bergbus-Angebot ein neues Projekt, von dem München und die umliegenden Gemeinden nachhaltig profitieren können.

Die Freude an der Stadt kommt wieder zurück

Auch die anderen oberbayerischen Städte haben herbe Einbrüche im Städtetourismus erlitten. Christina Pfaffinger, Geschäftsführerin der Chiemsee-Alpenland Tourismus GmbH & Co. KG, berichtet, dass in der Stadt Rosenheim die Übernachtungszahlen 2020 um rund 36 Prozent und im ersten Quartal 2021 sogar um rund 63 Prozent zurückgegangen sind. Der Wertschöpfungsverlust aufgrund der fehlenden Übernachtungen beträgt dort rund 15,4 Mio. Euro allein im Jahr 2020. Hinzu kommen die Verluste im Bereich Einzelhandel, Gastronomie und Kultur. Im Vergleich zu den ländlichen Regionen waren die Städte also noch deutlicher von der Krise betroffen. „Die unklare Entwicklung des pandemischen Geschehens ist sicher die größte Herausforderung. Ich gehe aber stark davon aus, dass die Freude an der Stadt schnell wiederkommt“, so Christina Pfaffinger. Rosenheim investiert derzeit stark in Digitalisierung, im Kongresszentrum Rosenheim soll hybrides Tagen angeboten werden. Individualreisende hofft man, durch Veranstaltungen gewinnen zu können: Im gesamten Stadtgebiet sind wieder zahlreiche Open-Air-Veranstaltungen, Stadtführungen sowie kulinarische und kulturelle Angebote geplant. Synergien für den Stadttourismus erhofft sich Christina Pfaffinger auch vom boomenden Radtourismus im ländlichen Umland.

Businesstourismus wie vor Corona wird es erst mal nicht wieder geben

Ingolstadt will ebenfalls von der zunehmenden Radreiselust profitieren. So entwickelte auch die Ingolstadt Tourismus und Kongress (ITK) GmbH in der Pandemie gemeinsam mit dem Umland neue Produkte, die Stadt- und Landerlebnis miteinander verbinden, wie etwa die „Radblüten“, bei denen Ingolstadt im Zentrum der vier Runden liegt. Die Zahlen sind hier durch die Pandemie ebenfalls eingebrochen: Im letzten Jahr verzeichnete die Stadt ein Minus von 52 Prozent bei den Ankünften und 49 Prozent bei den Übernachtungen. „Einen Businesstourismus wie vor Corona wird es erst mal nicht wieder geben. Wir müssen uns daher stärker auf die Individualreisenden fokussieren“, so Alexandra Kröner, die Leiterin der ITK GmbH. Gemeinsam mit der Katholischen Universität Eichstätt – Ingolstadt plant sie, ein neues Konzept für den Tagungs- und Businesstourismus zu erstellen. Mit dem in Bau befindlichen Kongresszentrum steht Ingolstadt aber in den Startlöchern und lädt im nächsten Jahr zum ersten Wissenschaftskongress in die Donaustadt ein. Ein Gutes habe die Krise auch gehabt, so Kröner weiter: Angesichts der zunehmenden Leerstände in der Stadt sei die enorme Bedeutung des Tourismus deutlich geworden: Die Städte müssen sich mehr denn je als attraktive Erlebnisräume entwickeln und vermarkten, damit Menschen in die Städte kommen und dort konsumieren. Der Tourismus könne diese Räume mitgestalten und -bewerben.

Die Touristiker in Oberbayern sind zuversichtlich, dass Städtereisen wieder anziehen – sowohl im Business-Sektor als auch Freizeittourismus. Das menschliche Grundbedürfnis werde sich nicht ändern: „Menschen wollen mit Menschen zusammen sein und in kurzer Zeit ein sehr dichtes Programm einer unbekannten Destination erleben“, meint Clemens Baumgärtner. “Das bieten nur die Städte!“

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