Das Gunda-Werner-Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung hat deshalb ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Es kommt zu dem Schluss, dass das Persönlichkeitsrecht der schwangeren Person, welches im Falle einer frühen Schwangerschaft der besonders schützenswerten Intimsphäre zuzuordnen ist, in der Regel schwerer wiegt als die Meinungsfreiheit, das Versammlungsrecht oder die Religionsfreiheit der Abtreibungsgegner*innen.
Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit könnten auch außerhalb der Hör- und Sichtweite der Einrichtung ausgeübt werden. Die schwangere Person hingegen ist gesetzlich verpflichtet, die Pflichtberatung aufzusuchen, um im Rahmen des §218 StGB straffrei einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu können.
Das Gutachten schlägt daher die Ergänzung eines §14a SchKG um einen Ordnungswidrigkeitstatbestand vor, der die versuchte oder erfolgreiche Beeinflussung der Ratsuchenden mit einem Bußgeld belegt.
Das Gutachten trägt den Titel „Möglichkeiten gesetzlicher Neuregelungen im Konfliktfeld ‚Gehsteigbelästigungen‘“. Autorin ist Dr. Sina Fontana, Rechtswissenschaftlerin und Vorsitzende der Kommission Verfassungsrecht, Öffentliches Recht, Gleichstellung im Deutschen Juristinnenbund. Sie hat neben einer verfassungsrechtlichen Abwägung der derzeitigen Situation politische Handlungsempfehlungen formuliert.
„Die freie Entscheidung über die Fortführung der Schwangerschaft ist elementarer Bestandteil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Es gehört zur Schutzpflicht des Staates, durch eine bundeseinheitliche Regelung die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Frauen unbeeinträchtigt durch Dritte von diesem Recht auch tatsächlich Gebrauch machen können”, so Dr. Sina Fontana.
Dass es dringend geboten ist, eine einheitliche Regelung in der gesamten Bundesrepublik umzusetzen, ist Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, besonders wichtig. „Aggressive Abtreibungsgegner*innen, die Schwangere belästigen, sind vielerorts aktiv. Bislang sind Pforzheim und Frankfurt/Main die einzigen Kommunen, die Proteste in Sichtweite von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen verboten haben. Doch kommunale Regelungen stehen auf wackligen Beinen und sind stark von der aktuellen politischen Zusammensetzung der Entscheidungsgremien abhängig. Wir brauchen daher einen bundesweit einheitlichen rechtssicheren Weg.“
Die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes e.V., Prof. Dr. Maria Wersig, betont: „Belästigungen und verbale oder visuelle Angriffe sind in der Situation der Pflichtberatung, die bereits vom Ausschuss der Vereinten Nationen für die Umsetzung der UN Frauenrechtskonvention kritisiert wurde, für die Betroffenen unzumutbar. Auch wenn bereits jetzt ordnungs- und versammlungsrechtliche Möglichkeiten in den Bundesländern bestehen, gegen diese Aktionen vorzugehen, werden sie zu zögerlich genutzt.“
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