Sie bedecken über 70 Prozent der Erdoberfläche, sind an manchen Stellen tiefer als der Mount Everest hoch ist und verbergen eine spektakuläre Topografie aus Gebirgen und Gräben. Sie bieten einer Vielzahl von Lebewesen vom mikroskopisch kleinen Plankton bis zum größten lebenden Tier der Erde, dem Blauwal, einen über Jahrmillionen gewachsenen Lebensraum: Ozeane sind eine faszinierende Welt, die Forscher und Wissenschaftler seit Jahrhunderten in ihren Bann ziehen. Dabei birgt dieses bedeutende Ökosystem mit enormem Einfluss auf Klima und Umwelt bis heute große Geheimnisse.
Nur ein kleiner Teil des Meeresbodens ist genau kartiert, die versunkenen Landschaften damit weniger bekannt als etwa die Marsoberfläche. Diese unsichtbare Welt zu erkunden, macht die im American Museum of Natural History konzipierte Ausstellung möglich. Zugleich werden aktuelle Forschungsarbeiten präsentiert und die Funktionsweisen der unter Wasser wirkenden Kräfte und Strömungen gezeigt. Wie verbringen Blauwale ihren Tag? Was passiert in den tiefen Gewässern rund um Hawaii? Wie können die besten Standorte für Meeresschutzgebiete identifiziert werden? Diesen und vielen weiteren Fragen geht die Ausstellung aus New York in der experimenta auf den Grund.
Mit Sonartechnik auf den Spuren des Planktons
Die erste Themeninsel stellt den Bereich direkt unterhalb der Wasseroberfläche vor. Dort, wo das Sonnenlicht noch das Geschehen beleuchtet, sind die kleinsten Meeresbewohner unterwegs, das Plankton. Wie die winzigen Organismen mit den Strömungen durch die Meere treiben, wird heute mit Hilfe der Sonartechnik erforscht. Das pflanzliche Phytoplankton ist auf das Licht der Sonne angewiesen, um wachsen zu können, und so zahlreich, dass seine Blüten aus dem Weltraum gesehen werden können. Und: Phytoplankton produziert den Großteil des Sauerstoffs, den wir zum Atmen brauchen. Von ihm ernähren sich tierische Formen wie das Zooplankton, zu dem auch die Larven von Meerestieren wie dem Blauflossenthunfisch und dem Mondfisch zählen.
In der Tiefe des Meeres bringen die Bewohner Licht ins Dunkel
Mit dem Themenbereich „Geheimes Leben" beginnt der Abstieg in tiefere Gewässer. Dort, wo kaum noch Sonnenlicht hineinreicht, verschwinden scheinbar alle Farben und das für die Ozeane typische Blau beherrscht die Szenerie. Oder trügt dieser Eindruck einer dunklen Welt? Die Antwort darauf liefert eine zufällige Entdeckung des Biologen und Meeresforschers Dr. John Sparks, zugleich der Kurator der Ozean-Ausstellung: Vor den karibischen Cayman Inseln beobachtete er vor einigen Jahren einen fluoreszierenden Aal. Im Gegensatz zur Biolumineszenz, bei der ein Organismus durch eine chemische Reaktion Licht erzeugt, beinhaltet die Biofluoreszenz die Absorption und Wiederemission von Licht durch spezielle Moleküle im Körper eines Tieres. Welche Funktion dieses Phänomen hat, ist noch unbekannt, aber Sparks und seine Kollegen vermuten, dass es der Kommunikation untereinander dient. Bei weiteren nächtlichen Tauchgängen mit speziell entwickelten Ultra-Low-Light-Kameras fand er eine Vielzahl weiterer Fische und anderer Meerestiere, die fluoreszieren und in überraschenden Farbtönen leuchten, wenn sie zuvor mit energiereichem blauen Licht in Kontakt kamen. Einigen davon, wie Drachenköpfen, Aalen, Seepferdchen und Haien, begegnen die Besucher in der Sonderausstellung.
Unterwegs mit den größten Lebewesen der Erde
Der dritte Themenbereich zieht die Besucher mit einem 180-Grad-Panorama-Blick in seinen Bann: In einer hochauflösenden Projektion schwimmen mächtige Meeresbewohner wie Wale, Kalmare und Riesenhaie lebensgroß an den Besuchern vorbei. Direkt daneben geht es zurück in die Vergangenheit: Fossilien von Urzeitwesen zeigen, dass die Weltmeere schon immer belebt waren – auch im süddeutschen Jura-Meer vor 180 Millionen Jahren. Vieles über die imposanten Wasserwesen ist noch immer unbekannt, aber auch hier unterstützen neue Entwicklungen die Forschung: Leicht anzubringende Aufzeichnungsgeräte haften zuverlässig und liefern Daten über das Wander- und Nahrungsverhalten der Tiere. So können Wissenschaftler zum Beispiel den Gesängen von Buckelwalen lauschen, wenn sie Krill jagen. Oder wenn ein großer Weißer Hai bis zu 1.200 Meter tief taucht, können seine Koordinaten mittels Satelliten detektiert werden.
Die Vermessung der Weltmeere
Über Jahrhunderte blieb die Welt unter Wasser dem Menschen weitgehend verborgen, erst moderne Techniken wie Schallwellen, Radar und Laser ermöglichen es, von Satelliten, Flugzeugen, Drohnen und Schiffen aus ein detailliertes Bild der zuvor unsichtbaren Landschaften zu zeichnen. Im vierten Themenbereich begegnen die Besucher daher wissenschaftlich genauen Nachbildungen einiger Unterwasserregionen wie einer Seebergkette nahe der Galapagos-Inseln im Pazifik oder dem Hudson-Canyon im Atlantik. Tauchschiffe, Bojen und Tiefenrekorder liefern zudem umfangreiche Daten zu Strömungen und Temperaturen. So wurde das "Globale Förderband" entdeckt, eine weltumspannende Meeres-Zirkulation, zu der auch der Golfstrom gehört: An den Polen sinkt Wasser aufgrund seines hohen Salzgehaltes und der niedrigen Temperaturen ab. In der Tiefe strömt es zum Äquator, wo es sich erwärmt, an Dichte verliert und wieder aufsteigt. So entstehen vertikal geschichtete Lebensräume in den Meeren, die durch Unterschiede in Helligkeit, Temperatur, Druck und Salzgehalt verschiedene Ökosysteme bilden.
Neu entwickelte Untersuchungsinstrumente, die auf Robotik-Technologie zurückgreifen, ermöglichen heute genaue Untersuchungen der darin lebenden Tiere: Weiche und geräuscharme Greifer mit hydraulisch gesteuerten und gepolsterten mechanischen Fingern sammeln empfindliche Bewohner wie Seegurken, Korallen oder Seefedern ein, um sie eingehend zu untersuchen. In der Ausstellung kann ein Prototyp dieser sogenannten Squishy-Fingers begutachtet werden.
Tauchfahrt: Es geht hinab bis auf den Grund
Einmal in die versunkenen Welten der Tiefsee hinabzutauchen – lang haben Menschen davon geträumt. 1934 erreichte der amerikanische Unterwasserforscher William Beebe mehr als 3.000 Fuß, 1960 schaffte es der Schweizer Ozeanograph Jacques Piccard an Bord der Trieste fast bis in elf Kilometer Tiefe. Auf ihren Spuren geht es in der Sonderausstellung auf Tauchstation: Die virtuelle Reise führt bis auf den Meeresboden, vorbei an vielfältigen Lebewesen und zu ganz unterschiedlichen Lebensräumen unter Wasser.
Das Meer und der Mensch
So faszinierend die Welt unterhalb der Wasserlinie ist, so bedeutsam sind Maßnahmen zu ihrem Erhalt. Die Schau des American Museum of Natural History widmet sich daher auch Aktivitäten rund um den Globus, die sich für den Schutz dieses einzigartigen Lebensraums einsetzen und stellt eine ganze Reihe von Wissenschaftlern und Forschern vor, die sich in kleinen lokalen bis hin zu internationalen Projekten engagieren.
Schädliche Fangmethoden etwa führten in der Vergangenheit zur Zerstörung vieler Lebensräume. So ist eine Folge der Überfischung, dass die weltweiten Fischbestände seit 1970 um rund die Hälfte zurückgegangen sind. Untersuchungen zeigen jedoch, dass sich dort, wo Beschränkungen gelten und nachhaltige Fangmethoden eingesetzt werden, die Natur erholen konnte. Wissenschaftler versuchen daher, weitere Schutzgebiete zu identifizieren, um sichere Brut- und Wachstumsplätze zu schaffen. Die Besucher erfahren, welchen Einfluss der Mensch auf die Meere hat und wie er zu ihrem Schutz beitragen kann.
Eine wichtige Rolle spielt auch der Klimawandel: Die Zunahme von Kohlendioxid in der Atmosphäre bleibt selbst für die Ozeane nicht ohne Folgen. CO2 erhöht den Säuregehalt des Wassers, das Abschmelzen der Polkappen reduziert die Salzkonzentration. So kann das „Globale Förderband" ins Stocken geraten. Welch schöne Natur dabei auf dem Spiel steht, erleben Besucher an Bord eines virtuellen Tauchboots, das sie durch die Tiefen der Meere navigieren können. Die Sonderausstellung präsentiert auch die jüngste Generation von Wissenschaftlern und Forschern, die daran arbeiten, die vielen Geheimnisse aufzudecken, die in den Welten unterhalb der Wasserlinie noch immer verborgen sind.
Begleitprogramm
Umfangreiche Einblicke in die Welt der Tiefsee ermöglichen auch zahlreiche Laborkurse und Vorführungen auf dem Kuppelscreen des Science Dome. So lädt der Film „Expedition Reef" zu einer 360-Grad-Ozeansafari ein, während der die Besucher zu den am stärksten gefährdeten Ökosystemen der Meere reisen. Sie erfahren, wie Korallen leben und welchen Gefahren die Riffbewohner durch Klimawandel und Überfischung ausgesetzt sind. Der 30-minütige Film wird für Kinder ab 10 Jahren empfohlen und kann über den Online-Ticketshop gebucht werden. An Familien mit Kindern ab sechs Jahre richtet sich der Animationsfilm „Die Legende des Zauberriffs", der Bewusstsein für die Schönheit und Zerbrechlichkeit der Meere schafft. Die Fische Jake, Shorty und Indigo machen sich auf die Suche nach einem sagenumworbenen Korallenriff. Auf dieser Reise gilt es, viele Abenteuer zu bestehen.
Auch Schulklassen können ihr Wissen und ihr Verständnis über das Leben in den Ozeanen in der experimenta weiter vertiefen: Der Kurs „Welchen Weg geht das Wasser" für Dritt- und Viertklässler geht den Fragen nach, wo unser Trinkwasser herkommt, wohin verunreinigtes Wasser verschwindet, und wie es wieder sauber wird. Mittel- und Oberstufenschüler können anhand der Kurse „Säuren und Basen", „Titrationen" und „Proteinbiochemie" ihre Kenntnisse über die chemischen Abläufe verbessern.
Öffnungszeiten und Preise
Die Sonderausstellung „Ozeane“ ist vom 26. Juni bis 7. November 2021 in der experimenta zu sehen. Sie ist montags bis freitags von 9:00 bis 17:00 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen von 10:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. Die Sonderausstellung ist im Eintrittspreis der experimenta enthalten, kann aber auch einzeln gebucht werden. Dann kostet ein Ticket für Erwachsene 7,00 Euro und ermäßigt 4,00 Euro.
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