Mündige Mieter? Was der Mietendeckel verändert hat

Der Mietendeckel ist gekippt und für uns in der Wohnungsverwaltung bedeutet dies im Moment jede Menge Arbeit. Aufregen kann ich mich darüber nicht mehr, denn der Aufstieg und Fall des Mietendeckels wurde von vielen Experten prognostiziert – ebenso die Konsequenzen. Doch umso mehr wundert mich die Reaktion mancher Mieter, die jetzt vollkommen überrascht erscheinen, als wären die Gefahren des Mietendeckels geheimes Insider-Wissen gewesen. Und die Politisierung des Themas im Wahlkampf hilft sowieso keiner Seite weiter. Solange wir in einer marktwirtschaftlich geprägten Gesellschaft leben, wird der Markt ohnehin von allein reagieren. Relativ neu sind jetzt Startups, die geringere Mieten versprechen. Auch die stellen uns mittlerweile vor einige Herausforderungen.

Nach dem Aus für den Mietendeckel glühen nicht nur bei uns in der Wohnungsverwaltung die Tasten und Telefone. Elvira K. zum Beispiel hat während des Mietendeckels eine Wohnung im Prenzlauer Berg bezogen, die sie sich zur regulären Miete nicht hätte leisten können. Sie ist das Risiko eingegangen, weil sie darauf gehofft hatte, dass die günstige Miete bestehen bleibt. Jetzt muss sie nachzahlen und die Wohnung wird weit teurer. Sie steht nun vor der Wahl: Einen Mitbewohner finden, mit dem sie die Miete teilen kann, oder in eine günstigere Wohnung am Stadtrand bzw. im Umland umziehen.

Mieter schauen jetzt ganz genau hin

Etwa 70 Prozent der von uns verwalteten Mieter hatten sich während des Mietendeckels für eine Fortzahlung der vollen Miete entschieden. Bei den restlichen 30 Prozent werden jetzt die Nachzahlungen fällig, und wir hatten auch schon Anfragen, ob eine Ratenzahlung möglich sei. Was uns im Moment aber die meiste Arbeit bereitet, sind die Mieter, die sich nun ganz genau mit dem Thema beschäftigen und auf Legaltech-Startups stoßen, die versprechen, die Miete zu senken. Stichwort Mietpreisbremse.

Briefe von solchen Startups treffen nun bei uns vermehrt ein. Das bedeutet: Diskussionen mit dem Vermieter, Beauftragung eines Anwalts, manchmal kann die Situation auch nur von einem Gericht gelöst werden. Hier kommt es auf den Einzelfall an. Eine Methode dieser Startups ist es zum Beispiel, die umfassende Sanierung einer Immobilie anzuzweifeln, welche erheblichen Einfluss auf die Gestaltung des Mietvertrags hat. Kostet die Sanierung ein Drittel der Kosten eines Neubaus, so ist der Altbau vertraglich als Neubau anzusehen. Kann der Vermieter dies nicht zweifelsfrei belegen, stehen die Chancen der Antragsteller gut. Für uns werden solche Fälle zur Detektivarbeit. Oft müssen wir die viele Jahre zurückliegenden Sanierungsarbeiten bis ins Detail zurückverfolgen und belegen.

Die Versprechen der Startups sind auf den ersten Blick natürlich verlockend, werden aber auf lange Sicht auch nach hinten losgehen. Denn den Mehraufwand, den solche Anträge bedeuten, werden die Vermieter irgendwann auf die Miete umlegen.

Mieten steigen nicht mehr

Der Wohnungsmarkt ist zum Politikum und zum zentralen Wahlkampfthema geworden. Auch das wundert mich inzwischen nicht mehr. Auch wenn es unrealistisch ist, aber eigentlich wäre seitens des Senats eher eine Entschuldigung angebracht, denn der Mietendeckel hat niemand genützt. Für uns bedeutete er grundsätzliche Unsicherheit, Schulungen, Kosten und mehr Arbeitsstunden – aber auch Mieter, Wohnungssuchende und Vermieter sind mindestens genervt, im Zweifel hat er wirtschaftlichen Schaden nach sich gezogen.

Und während sich Politiker die Köpfe heißreden und die Medien die Finger wundschreiben, während sie mehr Neubau fordern und die Blockierung derselben seitens der Behörden kritisieren, während Kaufpreise, Wohnungspreise, Teilungsverbot und Enteignungsforderungen die Diskussion bestimmen, ist ein kleines Wunder geschehen: die Steigerung der Preise bei Neuvermietungen ist stark abgebremst. Ganz von allein. Wie das passieren kann? Die Gesetze der Marktwirtschaft haben gegriffen. Immer höhere Mieten werden vom Markt gar nicht erst angenommen, Vermieter können nicht jeden Preis verlangen. Während die Mieten in den letzten Jahren um etwa fünf bis zehn Prozent im Jahr stiegen, sind wir wieder bei ein bis zwei Prozent angekommen. Weitere Entspannung könnten die Verdichtung der Stadt und mehr Neubau bringen.

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