Medienschaffende und Personen des öffentlichen Lebens sind zunehmend Angriffen und Bedrohungen ausgesetzt. Hass und Hetze sind sowohl bei der Ausübung journalistischer Arbeit als auch bei politischem Engagement an der Tagesordnung. „Die zunehmende Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten bedroht auch die Pressefreiheit in Deutschland“, erklärt Ulli Wagner, die Vorsitzende des Saarländischen Journalistenverbands. Gerade erst wurde die Lage der Pressefreiheit in Deutschland durch die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ von „gut“ auf „zufriedenstellend“ herabgestuft.
LMS-Direktorin Ruth Meyer betonte in ihrem Grußwort, dass es den Veranstaltern ein großes Anliegen ist, das öffentliche Bewusstsein für HateSpeech, Desinformation und die Verrohung des öffentlichen Diskurses zu schärfen. Es gelte, eine Kultur der Anerkennung, des Respekts und der Menschenwürde auch in der Welt der digitalen Medien zu schützen und zu praktizieren. „Mit dieser Veranstaltung möchten wir denjenigen danken, die sich durch ihre journalistische und politische Arbeit tagtäglich für ein demokratisches System der Freiheit einsetzen. Lassen Sie sich durch Hass und Hetze, Beleidigungen oder Bedrohungen nicht entmutigen – wir stehen an Ihrer Seite für ein freiheitliches und respektvolles digitales Miteinander.“
In der einstündigen Online-Matinée, moderiert von Katrin Aue (SJV), diskutierten die Panelteilnehmer:innen Marina Weisband (Beteiligungspädagogin), Prof. Dr. Frank Überall (Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbands) und Hermann Josef Schmidt (Präsident des Saarländischen Städte- und Gemeindetages) den Wert von Journalismus und gesellschaftlichem Engagement.
Marina Weisband postulierte, dass soziale Plattformen keine demokratischen Plattformen, sondern Werbeplattformen seien, die Menschen dennoch einen Weg eröffneten, in Kontakt zu treten. Um der Flut der Hass-Kommentare überhaupt realistisch begegnen zu können, gelte es Algorithmen transparent zu gestalten, menschliche Kontrollinstanzen zu verstärken sowie wirksame Widerspruchsmechanismen wie "Gegenrede" zu etablieren. Sie erklärte, das Internet sei nur ein Kondensator für die Wahrnehmung von Hass und Hetze in unserer Gesellschaft. Hass gehe von realen Menschen aus, Selbstwirksamkeit sei hier der wichtigste Hebel, gegen zu steuern. "Menschen müssen wieder stärker in die Verantwortung genommen werden, um in Gestaltungs- und Entscheidungsprozesse eingebunden zu sein."
Hermann Josef Schmidt untermauerte, durch die Coronakrise hätten sich Hass und Hetze gerade gegenüber Kommunalpolitiker:innen im Netz verstärkt. Es drohe ein Verlust der lokalen Demokratie: "Kommunalpolitik als Maschinenraum der Demokratie muss gestärkt werden." Er sprach sich für mehr Solidarität aus und den Mut, im konkreten Fall Anzeige zu erstatten auch gerade mit Blick auf das neue Gesetz gegen Hasskriminalität. Außerdem sei bereits im jungen Alter Medienerziehung enorm wichtig, die sowohl das handwerkliche Rüstzeug als auch psychosoziale Aspekte mit einbeziehe.
Frank Überall setzte sich für Medienkompetenz als Demokratieförderung ein: "Medienkompetenz ist ein Lebensthema. Dabei ist wichtig, sich auch als Journalist:in immer wieder in Frage zu stellen: Wie nutze ich Medien, wie mache ich Medien, wie bin ich zugänglich und kann Menschen mitnehmen?" Die Situation für Journalist:innen im Netz habe sich sehr aufgeheizt, man fühle sich vielfach bedroht. Alle Medienunternehmen seien in der Pflicht, sich Schutzkonzepte für Medienschaffende zu überlegen und Themen wie Hass und Hetze nicht an den Rand zu drängen.
Mit Blick auf die inhaltlichen Schwerpunkte der Veranstaltung entwickelten die Diskussionsteilnehmer:innen gemeinsam mit den Veranstaltern „Leitplanken für ein neues digitales Miteinander“. Digitalisierung verändert, wie wir uns informieren, kommunizieren und konsumieren. Durch ihr Potential, Menschen zu vernetzen und Informationen in zuvor unvorstellbaren Mengen verfügbar zu machen, birgt die Digitalisierung enorme Chancen. Digitalisierung ist aber auch eine enorme Herausforderung, gesamtgesellschaftlich und für jeden Einzelnen und jede Einzelne von uns.
Wenn Digitalisierung inklusiv gestaltet sein soll, dann müssen wir:
- Medienbildung fördern,
- einen Diskurs initiieren,
- Zivilcourage zeigen und Gegenrede intensivieren,
- uns vernetzen.
Insbesondere müssen wir Hass und Hetze im Netz:
- thematisieren,
- anzeigen,
- öffentlich machen statt verschweigen,
- verfolgen statt „nur Löschen“
- sowie die dadurch Bedrohten besser schützen, die Ermittlungsarbeit ausweiten und Regulierung stärken.
Dr. Theophil Gallo, Vorsitzender der Siebenpfeiffer-Stiftung, fasste die Diskussion zusammen: „Demokratie lebt vom Streit, von der Diskussion um den richtigen Weg. Respekt vor der Meinung des anderen ist dabei Grundvoraussetzung. Unsere Aufgabe, unser Auftrag ist es, zu dieser Problematik eine Art Gebrauchsanweisung zu entwickeln, in der Respekt, Wahrheit und demokratische Grundsätze das selbstverständliche Fundament jedweder Kommunikation darstellen – wir brauchen einen allgemein anerkannten Konsens über unserem Umgang miteinander“. Nicht alles was technisch möglich sei, sei auch erlaubt oder angemessen. Gallo erinnerte in diesem Zusammenhang an den Satz von Willi Graf, wonach „jeder einzelne die ganze Verantwortung trägt“. Was der von den Nazis hingerichtete Widerstandskämpfer damals zum Ausdruck gebracht habe, sei auch angesichts der gegenwärtigen Probleme aktuell. Dass jeder Verantwortung trägt, dafür müsse das Bewusstsein geschärft werden – zum Beispiel durch die Vermittlung von „Medienkompetenz“, aber auch durch „Bildung gegen Verrohung“.
Die Veranstaltung steht unter www.youtube.com/LMSaar zum Abruf bereit.
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