Hetero-Diskriminierung oder schon Heterophobie?

Der Monat Mai ist traditionell der Familie gewidmet. Durch die Entschließung A/RES/47/237 der Vollversammlung der Vereinten Nationen wurde der Internationale Tag der Familie zum offiziellen Gedenk- und Aktionstag weltweit. Familienorganisationen können sich auf dieser Grundlage öffentlich engagieren, ohne als „Hassredner“ von der lauten aber kleinen Minderheit der politisch korrekten Gender-Fanatiker diskreditiert zu werden. Die scheinen nämlich in internationalen Gremien aus dem Gender-Baukasten ein neues Konzept zu entwickeln: die Hetero-Diskriminierung.

Beispiele aus Brüssel: In diesem Jahr gab es keine institutionellen Veranstaltungen zu Ehren des ganz normalen Lebensmodells „Familie“, welches ja immer noch in allen Mitgliedsstaaten der EU vorherrscht, und das auf der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau aufbaut, die mit ihren eigenen Kindern zusammenleben. Es gab keine Pressemitteilung des Präsidenten des EU-Parlaments und auch keine Videobotschaft von Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen. Dabei organisierte die CDU-Politikerin als Bundesfamilienministerin 2006 den „Ersten Deutschen Familientag“ als „sichtbares Signal für die Wende in der Familienpolitik“. Offenbar vergessen. Wahrscheinlich war die Kommissionspräsidentin intensiv damit beschäftigt, eine Videobotschaft für den Deutschen Frauenrat zum Thema „10 Jahre Istanbul-Konvention: wo stehen wir? wohin gehen wir?“ aufzuzeichnen. Mediales Stillschweigen am Familientag, aber prominente Teilnahme zugunsten der Istanbul-Konvention: das zeigt deutlich die Verschiebung der Prioritäten in der Führungsetage der EU-Institutionen. 

Die Brüsseler Gender-Community hingegen feierte selbstsicher die verschiedenen Bausteine einer neuen Agenda zur Diskriminierung der Hetero-Familie. Die sind ja nicht neu. Man denke nur an die Antidiskriminierungsklauseln in Artikel 13 des Amsterdamer Vertrags (1999), die Charta der Grundrechte der EU (2004), und die Gründung der Agentur für die Grundrechte der EU (2007).  Wie bei einer Domino-Kette reihen sich auch seitens des EU-Parlaments die jüngsten Entschließungen Stein für Stein aneinander: die Verabschiedung einer Entschließung zur Ausrufung der EU zum LGBTQI Freiheitsraum durch das EU-Parlament am 11. März (P9_TA(2021)0089), die Veranstaltungen zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie bzw. -feindlichkeit am 17. Mai, die Annahme der Position des EU-Parlaments für das neue Mandat der Grundrechte-Agentur im Plenum am 19. Mai, und die Veröffentlichung eines neuen Entschließungsantrags zu Abtreibung durch den Frauenausschuss des EU-Parlaments am 21. Mai. Auch die Kommission der Bischofskonferenzen der EU (ComECE)beteiligt sich an der indirekten Förderung der Gender-Community. Sie lud zum ökumenischen Gebet für die Einheit der Christen und die Zukunft Europas am 21. Mai ausgerechnet die politische Vorkämpferin der LGBT-Abtreibungs-Agenda im EU-Parlament, Roberta Metsola (EVP, Malta), als Vorbeterin ein. Präsident der ComECE ist der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich. Der teilt mit seinem ComECE-Stellvertreter in Brüssel, dem „Ruhr-Bischof“ Franz-Josef Overbeck, das Privileg, Mitglied mehrerer katholischer Studentenverbindungen im Cartellverband (CV) zu sein.

Der nichtssagende Begriff „LGBTIQ-Freiheitsraum“ erschließt sich erst, wenn man die 27 Erwägungsgründe durchgeht, von denen sich jeder einzelne als Anklage gegen die heterozentrierte Gesellschaftsordnung jedes einzelnen Mitgliedsstaats versteht. Für das EU-Parlament wird jede nationale Regierung, die das hetero-ehe-basierte Familienmodell fördert, an den Pranger der Geschlechterbeliebigkeit gestellt. Alle deutschen Europa-Abgeordneten außer denen der AfD haben dieser Anklageschrift gegen die traditionelle Familie zugestimmt. Die österreichischen Christdemokraten der ÖVP übrigens auch. Hinsichtlich der CDU und CSU stellt sich die Frage nach der Einhaltung des Abgrenzungsbeschlusses von der kommunistischen Linken. Roberta Metsola von den Christdemokraten (der Fraktion des CSU-Vize Manfred Weber, der übrigens auch für diese Entschließung stimmte) war die treibende Kraft hinter dieser Entschliessung. 

Der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie bzw. –feindlichkeit steht am 17. Mai im Kalender. Das Datum erinnert an jenen Tag, an dem die Weltgesundheitsorganisation dem politischen Druck der Homosexuellenvereine nachgab und Homosexualität aus dem Verzeichnis medizinischer Diagnosen strich. Allerdings ist dieser Tag kein offizieller Feiertag der Vereinten Nationen, es gibt keine Entschließung der Vollversammlung, nur viel medial aufgebauschtes Haschen nach Aufmerksamkeit für eine statistisch irrelevante Bevölkerungsgruppe. Ihre statistische Bedeutungslosigkeit hielt die EU-Beamten der LGBTQI-Beamtengewerkschaft „Egalité“ jedoch nicht davon ab, zu einer Hybrid-Veranstaltung zu laden, um ihre Forderungen nach noch mehr Vorteilen für alle außer heterosexuelle Beamte zu fordern. Während den Europa-Abgeordneten im Plenum und in den Ausschüssen nicht mal die offiziellen Amtssprachen bereitgestellt werden, bekommt die Gewerkschaft der Gender-Queer-Beamten sogar Gebärdendolmetscher bereitgestellt. Das zeigt, wie sehr politisiert der Beamtenapparat in der EU ist. Aus dieser Perspektive ist diese Brüsseler EU kein Garant für zukunftsfähige, weil familienorientierte Politik. 

 Die Grundrechte-Agentur in Wien ist das Epizentrum der institutionellen Steuerung von Werten und Normen, Tummelplatz von Gendersternchen und Binnen-I. Hier wird die Klientelpolitik für alle diejenigen entworfen, die nicht bodenständig heterosexuell sind. Der Jahresetat beträgt in diesem Jahr 24 Millionen Euro. Derzeit beraten die Innenminister der EU über das neue Mandat dieser Agentur. Berichterstatter ist Lukas Mandl von der ÖVP, die gemeinsam mit CDU und CSU in der Fraktion der EVP sitzt. Lukas Mandl ist im katholischen Mikrokosmos als Präsident des Europäischen Cartellverbands der katholischen Studentenverbindungen bekannt. Er ist Europas Chef-CVer. Doch der Vater von drei Kindern, der sein Leben als Berufspolitiker maßgeblich auf der katholischen Verbandsarbeit im Verbindungsstudententum aufbaut und Wahlkampf auf Verbindungshäusern macht, fordert nicht nur die bedingungslose Umsetzung aller Antidiskriminierungsmaßnahmen, sondern darüber hinaus die Anerkennung von Genderidentität und Genderausdruck, mehr Geld für Maßnahmen gegen „Antiziganismus“ und „Islamfeindlichkeit“. Die Grünen fordern das ja alles auch. Über den Schutz verfolgter Christen hingegen verliert er kein Wort. Mandl fordert ebenfalls die Umsetzung der kompletten Kinderrechte-Agenda durch die europäische Grundrechte-Agentur und die Anerkennung von „Geburt“ als Diskriminierungsmerkmal. Dieses bizarre Konzept ist seit den Verhandlungen über das Statut des Internationalen Strafgerichtshof Anfang der 2000er Jahre bekannt: wer geboren werden musste, weil Abtreibung verboten war, kann sein Leiden durch ungewollte Geburt als Diskriminierungsgrund geltend machen. 

Diese Idee wird jetzt vom Chef der europäischen katholischen Akademiker wieder zum Leben erweckt. Der Cartellverband der katholischen Studentenverbindungen (CV) sieht sich zwar offiziell als ein parteipolitisch neutraler Kulturverein katholischer männlicher Akademiker, ist jedoch in Wirklichkeit eine Vorfeldorganisation von CDU, CSU und ÖVP. Wenn man sich jedoch ansieht, was dessen Mitglieder in den politischen Institutionen so abstimmen, stellt sich die Frage der Kohärenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit gewiss nicht nur bei Lukas Mandl, sondern auch bei Othmar Karas, Jens Gieseke und Andreas Schwab. Wenn der Präsident des Cartellverbands der katholischen Studentenverbindungen „Geburt“ als Diskriminierungsmerkmal einstuft (aufgrund fehlender Abtreibungsmöglichkeiten), den Schutz verfolgter Christen unter den Teppich kehrt, dafür aber die komplette LGBTIQ-Gender-Agenda in den Mittelpunkt stellt, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass CDU, CSU und ÖVP keine Politik mehr für die ganz normale heterosexuelle Wählerschaft machen, sondern – gewollt oder ungewollt – der von der links-grünen Koalition im EU-Parlament gepflegten Heterophobie Vorschub leisten. Der internationale Schwulen- und Lesbenverband ILGA sollte das zum Anlass nehmen, jedem Verbindungshaus eine Regenbogenflagge zu schenken, die neben der Verbindungsfahne gehisst werden muss. 

Die Frage, die sich angesichts solcher Aktivitäten gesellschaftspolitisch in den EU-Institutionen stellt, lautet: Kippt die schleichende Diskriminierung heterosexueller Partnerschaften irgendwann in Heterophobie? Es wäre ein Keil, der die EU spalten könnte. 

Bleiben Sie optimistisch !

Zur Erinnerung: Mehrfach wurden wir gebeten, die Identität des Briefeschreibers aus Brüssel preiszugeben. Es handelt sich um eine Gemeinschaftsarbeit von Informanten und Redaktion. Sie erinnert an die sogenannten Junius letters, in denen ein Pseudonym namens Junius in der Zeitschrift Public Advertiser in London vom 21. Januar 1769 bis zum 12. Mai 1772 Briefe über die Geschehnisse am Hofe und im Parlament veröffentlichte. Darin wurden die Machenschaften in der Königsfamilie, von Ministern, Richtern und Abgeordneten satirisch und mit Sachkenntnis der internen Vorgänge und Intrigen aufgespießt. Die Junius-letters gelten als erster Beleg des journalistischen Zeugnisverweigerungsrechts.

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