Die Eindämmungsmaßnahmen in der Corona-Pandemie haben insbesondere Selbstständigen Einkommensverluste beschert – und zwar um durchschnittlich 16 Prozent. Da Selbstständige vor allem in der oberen Hälfte der Einkommensverteilung zu finden sind und andere Berufsgruppen in ihren Einkommen im Durchschnitt weitestgehend stabil blieben, hat sich die Einkommensungleichheit im zweiten Lockdown im Vergleich zu 2019 verringert. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse einer aktuellen Studie am DIW Berlin, für die Studienautor Markus M. Grabka erstmals Daten einer Sondererhebung des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP-CoV) von Januar und Februar dieses Jahres ausgewertet hat.
„Schon in der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass sich die Einkommensungleichheit in Krisenzeiten reduziert, weil die oberen Einkommen stärker sinken als diejenigen der unteren Einkommensgruppen. In der Corona-Pandemie wirken sich die rückläufigen Einkommen von Selbstständigen besonders auf die Verteilung aus“, stellt Grabka fest. Während die selbst berichteten Haushaltsnettoeinkommen der Selbstständigen-Haushalte im Januar und Februar 2021 im Vergleich zu 2019 zurückgingen, stiegen die Einkommen der Angestellten- und Beamtenhaushalte nominal sogar um fünf Prozent. In den anderen betrachteten Haushaltstypen haben sich die Einkommen im Durchschnitt nicht verändert, wobei individuell aufgrund von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit deutliche Verschiebungen vorliegen können.
Der Gini-Koeffizient als Standardmaß für die Ungleichheit ist dadurch von 0,29 auf nun 0,27 gesunken. „Die sinkende Ungleichheit ist allerdings nur eine Momentaufnahme. Zieht sich die Pandemie noch weit in das Jahr hinein und verschärfen sich die Eindämmungsmaßnahmen noch einmal, könnte dies mit steigenden Insolvenzzahlen und zunehmender Arbeitslosigkeit einhergehen und auch die Einkommenssituation in der Breite treffen“, gibt Studienautor Grabka zu bedenken.
Er fordert daher, dass die Politik möglichst zielgenau Selbstständige und mittelständische Unternehmen finanziell unterstützen sollte, um Insolvenzen und Geschäftsaufgaben zu verhindern. „So sollte die Bundesregierung darüber nachdenken, den von der Pandemie betroffenen Selbstständigen eine partielle Deckung der Lebenshaltungskosten zu gewähren“ sagt Grabka, da bisher vorwiegend fixe Betriebskosten durch Fördermaßnahmen abgedeckt werden. Um die Zielgenauigkeit zu verbessern, sollte auch überprüft werden, ob es notwendig ist, Unternehmen mit erheblichen Gewinnen und Dividendenausschüttungen zu Lasten der öffentlichen Hand zu helfen.
Weitere Ergebnisse: Löhne und Einkommen legen zu
Die jährliche DIW-Studie zur Entwicklung der Einkommen beschreibt noch weitere Entwicklungen. Die verfügbaren Haushaltseinkommen haben in den letzten Jahren (von 2013 bis 2018) inflationsbereinigt um rund zehn Prozent zugelegt. Seit 2015 legen nun auch die Einkommen der unteren zehn Prozent zu. In der langen Frist sind die unteren Einkommen damit wieder knapp auf dem Stand der Jahrtausendwende, während die obersten zehn Prozent seit diesem Zeitpunkt 24 Prozent an Einkommen zugelegt haben. Die Einkommensungleichheit stagniert jedoch seit 2005, dem Jahr mit einer Arbeitslosenrate von rund zwölf Prozent und der höchsten Einkommensungleichheit seit der Wiedervereinigung.
Niedrigeinkommensquote stagniert, grundlegende Armut geht stark zurück
Auch die Niedrigeinkommens- oder Armutsrisikoquote ist mit Einführung des Mindestlohns stabil bei 16 Prozent geblieben, trotz eines wirtschaftlichen Booms in den 2010er Jahren. Allerdings ist erfreulicherweise der Anteil derjenigen in Deutschland, die essentiellen Mangel erleiden, deutlich zurückgegangen. Im Zeitraum von 2008 bis 2019 hat sich der Anteil auf 2,7 Prozent halbiert. Vor allem die materielle Deprivation Alleinerziehender ist deutlich zurückgegangen: Nach knapp 20 Prozent sind es inzwischen nur noch 6,6 Prozent der Alleinerziehenden in Deutschland, die sich essentielle Sachen wie Miete, Heizung und warme Mahlzeiten nicht leisten können. „Dennoch wäre es erfreulich, wenn mit weiteren Anstrengungen der Niedriglohnbereich verkleinert werden könnte. Dazu ist es neben dem Erhalt der Arbeitsplätze auch nach Ablaufen der Corona-Hilfsmaßnahmen wichtig, zum Beispiel Minijobs zurückzudrängen sowie Arbeit auf Abruf oder Zeitarbeit strenger zu regulieren“, sagt Studienautor Grabka.
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