»WohnFabrik«, »CityCampus« und »StadtWerk«: So benennt der erstplatzierte Entwurf die drei Teilquartiere, die auf einem vormals industriell genutzten Areal im Westen Backnangs entstehen sollen. Das Konzept sieht ein produktives und lebenswertes Stadtviertel vor mit hoher Dichte, in sozialer Vielfalt und mit einer zukunftsfähigen Nutzungsmischung – ein »Quartier für alle(s)«. Die bestehenden Fabrikgebäude sollen weitgehend erhalten, umgebaut und mit Neubauten ergänzt werden. Sie gruppieren sich um begrünte Quartiersplätze und »produktive Höfe«: Außenflächen, die Platz für Gewerbe und Anlieferung mit hoher Aufenthaltsqualität verbinden. In den unteren Stockwerken der noch zu planenden Gebäude sollen Flächen für industrielle Produktion, für Handwerk, Gewerbe und Forschung entstehen, für Büros und Co-Working-Spaces, soziale und kulturelle Einrichtungen, gemeinschaftliche Quartiersräume, Einzelhandel und Gastronomie. Darüber gibt es unterschiedlichste Wohnungstypen: Gemeinschaftliche und genossenschaftliche Wohnformen, Cluster- und Familienwohnungen, Mikroapartments, anpassbare Wohnungen für verschiedene Lebensabschnitte, Boarding Houses, Generationenhäuser.
Durch das gesamte Gelände zieht sich entlang der Murr eine grüne »ParkAue«, die den Fluss mit verschiedenen Elementen zugänglich macht. Hier könnten wassernahe Parks entstehen, eine terrassenartige Uferpromenade, ebenso naturnah gestaltete Bereiche, vielleicht auch neue Plansch- und Badestellen. Der Entwurf sieht außerdem ein umfassendes Mobilitätskonzept vor: Alle Dinge des täglichen Bedarfs sollen innerhalb von 15 Gehminuten erreichbar sein. Vier Mobilitätszentren nehmen die heute noch benötigten Autoabstellplätze auf. Die Fabrikstraße, die sich als Rückgrat durch das gesamte Stadtviertel zieht, ist als weitgehend autofreier Fahrradboulevard konzipiert. Mehrere neue Brücken und Stege verknüpfen die Teilquartiere über die Murr, außerdem soll die »neue Mobilitätsdrehscheibe Bahnhof« gut an das neue Viertel angebunden werden.
Den siegreichen Entwurf von Teleinternetcafe und Treibhaus hatte die 25-köpfige Jury am vergangenen Mittwoch aus insgesamt 22 anonym eingereichten Arbeiten einstimmig ausgewählt. Das Preisgericht mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Fachwelt, der Verwaltung, der Lokalpolitik, der IBA’27 und unter Vorsitz der Stuttgarter Architektin Jórunn Ragnarsdóttir vergab zudem zwei zweite Preise. Diese gingen an die Büros StudioVlayStreeruwitz mit Carla Lo Landschaftsarchitektur (beide aus Wien) und Steidle Architekten (München) mit Grabner Huber Lipp (Freising / Hamburg). Anerkennungen gab es für die Entwürfe von 5th Studio (London) mit Taktyk Landscape Architects (Brüssel), Kerstin Höger Architekten (Zürich) mit Urban Catalyst (Berlin) sowie Pool Architekten mit Maurus Schifferli (beide Zürich). Die Auswahl der teilnehmenden Büros erfolgte durch eine neuartige Skizzenqualifikation, bei der sich mehr als 100 Büros aus aller Welt für den Wettbewerb beworben hatten. Der Auslobung vorangegangen war im Herbst 2019 ein ausführliches Beteiligungsverfahren mit Bürger- und Expertenworkshops.
Setzer: »Authentischer Entwurf für Backnang«
»Der Entwurf passt zu Backnang«, sagt der Backnanger Baudezernent Stefan Setzer. »Er nimmt die vorhandenen Potenziale und Eigenheiten des Orts auf – beispielsweise die Murr, die historischen Fabrikgebäude, die schöne Topographie –, integriert viele Wünsche und Themen aus der Bürgerbeteiligung und schreibt diese Geschichte Backnangs mit mutigen und frischen Ideen in die Zukunft weiter. Mit dem Entwurf haben wir ein hervorragendes und authentisches Grundkonzept, das wir nun zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern, den Firmen, den Grundstückeigentümern und der IBA’27 weiterentwickeln. Mit den beteiligten Büros aus Berlin und Hamburg haben wir für diesen nun anstehenden Prozess tolle Partner gefunden. Ich freue mich sehr auf diesen gemeinsamen Weg.«
Hofer: »Ein Füllhorn an Ideen«
»Der Siegerentwurf ist ein großartiger Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung«, lobt IBA’27-Intendant Andreas Hofer. »Die erstplatzierten Büros Teleinternetcafe und Treibhaus haben ein starkes Gerüst konzipiert, das die Grundzüge des künftigen Quartiers ausgezeichnet und zukunftssicher entwickelt.« Auf dieser Basis gelte es nun, die weiteren Planungen mutig auszugestalten. Dabei verspricht sich Hofer viel auch vom reichen Schatz, den der gesamte Wettbewerb geliefert habe: »Die Architekturelite aus aller Welt hat ein regelrechtes Füllhorn an Ideen über Backnang ausgeschüttet. Das hat uns die Auswahl in der Jury nicht leicht gemacht. Durch den Wettbewerb, der mit der IBA auf eine riesige internationale Resonanz gestoßen ist, gibt es nun aber einen ganzen Pool exzellenter Büros, die sich intensiv mit dem Ort auseinandergesetzt haben. Auf diesen können Backnang und die Investoren in den nächsten Jahren zurückgreifen, beispielsweise wenn es an die Planung einzelner Gebäude geht.«
Als nächste konkrete Schritte stehen die Information von Gemeinderat und Bürgerschaft sowie Abstimmungen mit den Grundstückseignern und Fachbehörden an. Auf Basis des Entwurfs und der Rückmeldungen aller Beteiligter sollen die erstplatzierten Büros im nächsten Schritt einen Masterplan ausarbeiten, auf dessen Grundlage Baurecht geschaffen werden kann. Die einzelnen Baufelder können in den Folgejahren nach und nach bebaut werden. Zur Präsentation der Internationalen Bauausstellung im Jahr 2027 sollen erste Bausteine des künftigen Quartiers sichtbar sein.
Alle prämierten Arbeiten des städtebaulichen Wettbewerbs werden digital ausgestellt. Weitere Infos und der Link zur Online-Ausstellung werden zeitnah auf www.backnang.de/iba_27 bekannt gemacht.
Hintergrund
Große Kreisstadt Backnang
Mit ihren knapp 38.000 Einwohnern ist Backnang der wirtschaftliche und kulturelle Mittelpunkt im Norden des Rems-Murr-Kreises. Die Stadt liegt 26 Kilometer vor den Toren Stuttgarts und ist eingebettet in eine von Streuobstwiesen und sanften Hügeln geprägte Landschaft am Rande des Schwäbischen Waldes. Über die Bundesstraße B14 und den Bahnhof besteht eine sehr gute Verkehrsanbindung in die Landeshauptstadt. Backnang bietet einen hohen Kultur-, Wohn- und Freizeitwert und ist als Wirtschaftsstandort mit vielen Unternehmen aus den Leitbranchen der Region Stuttgart, dem Fahrzeugbau, dem Maschinenbau und der Elektro- und Nachrichtentechnik wirtschaftlich eng verflochten.
Wie wollen wir zukünftig leben, wohnen und arbeiten? Hundert Jahre nach Eröffnung der Stuttgarter Weissenhofsiedlung 1927 widmet sich die Internationale Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart (IBA’27) dieser Frage. Mit der IBA soll der Aufbruch in die Zukunft exemplarisch sichtbar und erlebbar werden – durch neuartige Bauprojekte in der ganzen Region. Die IBA’27 stellt dabei die Menschen in den Mittelpunkt: Im Dialog will sie gemeinsam neue Antworten finden, wie der gesellschaftliche, technologische und ökologische Wandel erfolgreich gelingen kann. Gesteuert wird sie von der IBA’27 StadtRegion Stuttgart GmbH unter Leitung des Intendanten Andreas Hofer und der kaufmännischen Geschäftsführerin Karin Lang.
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