Gedenkveranstaltung zum 76. Jahrestag der Befreiung des Frauen-Konzentrationslagers in der Gedenkstätte Ravensbrück

In der Gedenkstätte Ravensbrück wurde heute Vormittag mit einer Gedenkveranstaltung und einer Kranzniederlegung an die Befreiung des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück vor 76 Jahren erinnert. Nach der Begrüßung durch Gedenkstättenleiterin Andrea Genest sprachen die Präsidentin des Internationalen Ravensbrück Komitees Ambra Laurenzi, die brandenburgische Sozialministerin Ursula Nonnemacher, der Fürstenberger Bürgermeister Robert Philipp und die Schriftstellerin Mirna Funk. Im Anschluss an christliche und jüdische Gebete wurden am Denkmal „Tragende“ Kränze niedergelegt. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Veranstaltung, die im kleinen Kreis und ohne Publikum stattfand, im Internet per Livestream übertragen.

Andrea Genest: „Das KZ Ravensbrück war ein Ort größter Gegensätze, ein Ort tausender unterschiedlicher Erfahrungen. Und jede einzelne dieser Lebensgeschichten soll erzählt werden, denn jede berichtet von einer anderen Facette der Verfolgung und Unterdrückung, der Solidarität und Mitmenschlichkeit, des Ausschlusses und Misstrauens, der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, des Ideenreichtums – und der vergangenen Träume. Diese Vielschichtigkeit wirkte sich auch auf die Familien und Freunde derjenigen aus, die das Lager überlebt haben. Die meisten Überlebenden wollten ihre Familien nicht mit ihren Erinnerungen belasten. Doch wir sehen, wie stark überall in der Welt Kinder und Kindeskinder weiterhin durch die Gefangenschaft ihrer Eltern in Ravensbrück geprägt sind. Dadurch haben die Nachgeborenen ein eigenes Verhältnis zu diesem Ort Ravensbrück entwickelt. Ihre Stimmen und Überlegungen haben wir in Gesprächen eingefangen und im Rahmen unseres Online-Programms zum 76. Jahrestag der Befreiung veröffentlicht.“

Ambra Laurenzi, Tochter einer italienischen Ravensbrück-Überlebenden, erklärte in einer Videobotschaft: „Die Stimmen der Überlebenden werden schwächer, und wir, die Angehörigen der zweiten und dritten Generation, müssen sicherstellen, dass ihre Stimmen nicht verstummen, sondern so weit wie möglich verbreitet werden. Wir schulden es ihnen und wir schulden es zukünftigen Generationen, die in die Lage versetzt werden müssen, dieses Erbe der Zeugenschaft weiterzutragen. Wir selbst versuchen, gute Erben dieser schwierigen und komplexen Geschichte zu sein. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, nachdem wir den Staffelstab von unseren Müttern und Großmüttern übernommen haben.“

Robert Philipp: „Wir gedenken heute der Toten des Konzentrationslagers Ravensbrück, der Opfer des nationalsozialistischen Regimes und der Menschen, die vor 76 Jahren für die Befreiung ihr Leben geopfert haben. Nunmehr liegt die Befreiung des Konzentrationslagers Ravensbrück drei Generationen zurück. Den heutigen Generationen obliegt die Aufgabe, die materiellen Überlieferungen dieser Zeit zu erhalten, die Überlebenden zu hören, aber vor allem auch in den Herausforderungen dieser Zeit die Errungenschaften der Demokratie lebendig zu halten und damit unserer Verantwortung gegenüber den Opfern der nationalsozialistischen Diktatur gerecht zu werden.“

Ursula Nonnemacher: „Die Schicksale aller Verfolgten, Gequälten und Ermordeten bleiben unvergessen, sie zeugen unmittelbar von Unmenschlichkeit, Terror, Krieg, Gewaltherrschaft und Mord. Wir verneigen uns vor ihnen und halten inne. Von der Befreiung, der Überwindung des tagtäglichen Ausgeliefertseins, der Ohnmacht bis hin zur Rückkehr der Überlebenden in die Gedenkstätte, an den Ort des Terrors war es ein langer Weg. Heute ist hier ein würdiger Gedenk-, Erinnerungs- und Informationsort entstanden. Die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück ist zu einem Ort der Begegnung und der Erinnerung, des Gedenkens und der Bildung geworden. Hierher kehrten Überlebende zurück, suchten ihre Kinder nach den Spuren der Erfahrungen und Schicksale ihrer Eltern, kamen Überlebende mit Nachgeborenen ins Gespräch. Die Gedenkstätte ist ein Ort der Totenehrung, des Innehaltens. Sie ist aber auch ein Ort der Bildung, der Begegnung und damit auch ein zukunftsweisender Ort.“

Mirna Funk: „Ich stehe hier voller Unsicherheit und Scham, nicht wissend, ob ich hier überhaupt stehen darf. Aus Angst dem Anlass, aber vor allem den Menschen, den Töchtern, den Müttern, den Frauen, den Nicht-Jüdinnen und Jüdinnen, die hier gedemütigt, geschlagen und ermordet worden sind, nicht gerecht werden zu können. Denn ich lebe und die meisten von ihnen leben nicht mehr. Sie können nicht mehr für sich sprechen und für sie zu sprechen, löst ein Unbehagen in mir aus. Denn alles an dieser Rede ist falsch und doch bleibt mir nichts anderes übrig als sie zu halten. Als es auszuhalten. Nämlich die Widersprüche in sich, die nicht aufgelöst werden können. Zum Beispiel der Widerspruch, den so eine Gedenkstätte in sich trägt. Mitfühlend den Opfern gegenüber zu sein. Sie zu zeigen, sie in ihrem Leid zu erkennen und ihnen den gebührenden Raum zu schenken. Gleichzeitig gilt es an einem solchen Ort, zu mahnen, zu ermahnen. Daran zu erinnern, was Menschen anderen Menschen antun können. Und bei diesem Prozess werden die Opfer automatisch zu Objekten der Erinnerungskultur. Dabei hatte man ihnen doch gerade ihre Subjektivität im Zuge der Vernichtungspolitik entzogen. Wie also erinnert man ohne Funktionalisierung?“

Zwischen 1939 und 1945 sind im KZ Ravensbrück 132.000 Frauen, 20.000 Männer und 1.000 weibliche Jugendliche des „Jugendschutzlagers Uckermark“ als Häftlinge registriert worden. Die Häftlinge stammten aus über 40 Nationen, unter ihnen befanden sich auch zahlreiche Juden sowie Sinti und Roma. Zehntausende wurden ermordet oder starben an Hunger, Krankheiten oder durch medizinische Experimente. Nach dem Bau einer Gaskammer Ende 1944 wurden rund 6.000 Häftlinge von der SS vergast. Ende April 1945 trieb die SS Zehntausende Häftlinge auf Todesmärsche in Richtung Nordwesten. 3.000 zurück gelassene Kranke wurden am 30. April 1945 durch die Rote Armee befreit.

Online-Programm zum 76. Jahrestag der Befreiung: https://rememberliberation.stiftung-bg.de/

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