Fälschungen und Kopien als Risiko für sicherheitskritische Systeme und wirtschaftliche Substanz
„Selbst bei einfachen Kopien, die in der Regel auch nicht wie Original-Teile intensiv getestet und qualifiziert werden, besteht die Gefahr von Fehlfunktionen. Die Risiken etwa in der Medizintechnik oder bei autonomen Fahrzeugen gehen weit über die von Sachschäden hinaus,“ erklärt Dr. Heiner Flocke, Geschäftsführer der iC-Haus GmbH und Koordinator des ARiS-Projekts. Betroffen sind neben Leiterplatten auch die dort verbauten integrierten Schaltungen, die in erheblichen und langwierigen Entwicklungsleistungen und mit dem Knowhow von High-Tech-Unternehmen entstanden sind. Auch kleinere Hersteller, die sich mit ihren Chips in mittleren Stückzahlen als Schlüsselprodukte im Industrie-Bereich einen Namen gemacht haben, sind davon nicht verschont.
Zweistufiger Kopierschutz: Tarnung und Wasserzeichen als aktive Abwehr
Deshalb werden am IMMS neue Verfahren zur Tarnung von Schaltungen und zum Einweben eines Wasserzeichens entwickelt, um das „Abzeichnen“ und damit Kopieren von integrierten Schaltungen und Systemen zu erschweren. Die Methoden werden von iC-Haus und Wachendorff untersucht, inwieweit sie implementierbar und robust genug für Industrieentwicklungen sind, sowie durch weitere Tarn- und Abwehrmechanismen ergänzt.
Zur Tarnung von Schaltungen wird am IMMS ein Verfahren entwickelt, das auf Machine Learning basiert. „Wir werden die Perspektive eines potentiellen Fälschers simulieren und so dessen Blick schon im Entwurf trüben,“ erklärt Georg Gläser vom IMMS, Spezialist für die Integration von KI-Methoden in die Entwurfsautomation. Das werde möglich, indem beispielsweise Komponenten mit gleichem Aussehen, aber unterschiedlicher Funktion verwendet werden. Ein Reverse Engineering werde dadurch extrem aufwändig und wirtschaftlich unattraktiv, so Gläser weiter.
Die angestrebten „Wasserzeichen“ stellen neuartige Abwehrmechanismen dar. Auf Chip-Ebene werden sie als Schaltungsblock integriert, der als digitale Signatur wirkt. Mit ihr werden die Chips erst direkt vor Lieferung oder Inbetriebnahme freigeschaltet, sofern die auch im Chip enthaltenen Sensoren die erwarteten Parameter liefern. Auf Leiterplatten werden personalisierte Wasserzeichen integriert. Mit einem zusätzlichen Abwehr-IC wird die Platine durch den Sensorsystem-Hersteller aktiviert.
Validierung an Systemen der Industriepartner – und darüber hinaus
Den Praxistest machen iC-Haus mit einer Chip-Entwicklung und Wachendorff mit einem neuen Leiterplatten-Design. „Die neuen Verfahren zum Kopierschutz eignen sich prinzipiell für alle Chips und Platinen. Validieren werden wir sie mit einem neuartigen, kopiergeschützten Positionsgeber-IC“, führt Flocke aus. Chip und Leiterplatte werden umfangreichen Laborversuchen unterzogen, in relevante Feldumgebungen integriert und getestet. „Mit der aktiven Abwehr auf Board-Ebene stellen wir am Ende die Originalität aller Komponenten eines Systems sicher“, erklärt Robert Wachendorff, Geschäftsführer der Wachendorff Automation GmbH & Co. KG. Bei beiden Industriepartnern habe man im Blick, die neuen Verfahren in die jeweils eigene Produktpalette einzubringen, fasst Flocke zusammen. „Das ist darüber hinaus für die ganze Branche interessant und kann einen Standard-Anspruch für vertrauenswürdige Elektronik erzeugen.“
Über das IMMS Institut für Mikroelektronik- und Mechatronik-Systeme gemeinnützige GmbH (IMMS GmbH) – Gründungsmitglied der ELMUG eG
Das IMMS stärkt vor allem kleine und mittlere Unternehmen mit anwendungsorientierter Forschung und Entwicklung in der Mikroelektronik, Systemtechnik und Mechatronik und transferiert Ergebnisse der Grundlagenforschung in Anwendungen. Als strategischer Partner unterstützt das IMMS Unternehmen, international erfolgreiche Innovationen für Gesundheit, Umwelt und Industrie auf den Weg zu bringen und begleitet sie von der Machbarkeitsstudie bis zur Serienreife. Unter dem Leitgedanken "Wir verbinden die digitale mit der analogen Welt" bündelt das IMMS seine Kompetenzen in Sensor- und Aktorsystemen, Signalverarbeitungs-, Steuerungs- und Regelungssystemen sowie in der Systemintegration und Kommunikation. In dem 1995 gegründeten Forschungsinstitut des Freistaats Thüringen sowie An-Institut der TU Ilmenau arbeiten derzeit rund 80 Personen in Ilmenau und Erfurt.
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