Bundespräsident Steinmeier würdigte beim Festakt das historische Jubiläum in einer Videobotschaft und sagte: „Wir gedenken einer europäischen Sternstunde des erwachten individuellen Gewissens. Ja, nicht nur für uns Deutsche, die Martin Luther in den vergangenen Jahrhunderten auf sehr verschiedene Weise geehrt, interpretiert und auch instrumentalisiert haben – nein, für ganz Europa und für die Welt bleiben diese Stunden und Tage von Worms vor fünfhundert Jahren eine kostbare, eine prägende Erinnerung.“
Ministerpräsidentin Malu Dreyer unterstrich im Gespräch mit Petra Gerster die Bedeutung von Rheinland-Pfalz als Kernland der Reformation. Luthers Widerrufsverweigerung nannte sie ein Weltereignis mit nachhaltiger Wirkung. „Sein Mut und seine Haltung faszinieren bis heute. Die Freiheit des Gewissens und der persönlichen Verantwortung haben dabei aus meiner Sicht zeitlos den höchsten Stellenwert. Das gilt in der gegenwärtigen Situation der Corona-Pandemie, aber auch darüber hinaus. In unserem Land sind immer wieder Menschen mutig für ihre Haltung und ihre Überzeugungen eingetreten. Dafür waren sie auch bereit, einen Preis zu zahlen, der von Flucht, Migration bis hin zum Verlust von Heimat, oder sogar des Lebens reichen konnte. Auch die drei belarussischen Bürgerrechtlerinnen, denen in diesem Jahr der Lutherpreis „das unerschrockene Wort“ verliehen wird, sind ein hohes Risiko eingegangen, um in ihrer Heimat friedlich für politische Veränderung, Demokratie und Rechtstaatlichkeit einzutreten. Jede Zeit braucht Menschen, die Zivilcourage zeigen“, so die Ministerpräsidentin.
Der Wormser Oberbürgermeister Adolf Kessel begrüßte die prominenten Gäste sowie die Zuschauenden zuhause vor den Bildschirmen: „Heute vor 500 Jahren kam Martin Luther in Worms an, um auf dem Reichstag öffentlich für seine Ansichten einzutreten. Sein Auftritt gilt als historisches Ereignis von Weltrang und als bedeutendes Beispiel für Zivilcourage. Der Stadt Worms und mir ist es eine große Ehre, dem 500. Jubiläum dieses besonderen Ereignisses heute gemeinsam mit dem Bundespräsidenten, der Ministerpräsidentin, den Kirchenvertretern und vielen weiteren Akteuren zu gedenken – wenn auch leider ohne Besucher vor Ort. Wir hoffen sehr, dass es die Pandemie zulässt und wir im Jahresverlauf noch gemeinsam mit den Menschen hier in Worms feiern dürfen. Ein umfangreiches Jahresprogramm vieler institutioneller und ehrenamtlicher Partner ist vorbereitet. Bereits das Stattfinden der heutigen Veranstaltung in der gewählten Form hat gezeigt, dass wir viele Mitstreitende haben, die gemeinsam ein Ziel verfolgen – das Luther-Jahr in Worms zu feiern“, so Kessel.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Heinrich Bedford- Strohm und der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf sprachen darüber, welche Bedeutung Luthers Widerrufsverweigerung für die heutige Gesellschaft hat: „Luthers Auftritt vor dem Kaiser auf dem Reichstag zu Worms hat Weltgeschichte geschrieben. Wie Luther seinem im Glauben gegründeten Gewissen zu folgen, auch da, wo es etwas kostet, ist eine Haltung, die aktueller ist denn je. Aus der Freiheit eines Christenmenschen leben, heißt für Luther aus dem Glauben heraus Nächstenliebe zu üben. Davon brauchen wir auch heute viel mehr!“, so Bedford-Strohm.
In seiner Festrede zur Veranstaltung rekonstruierte Thomas Kaufmann den Ablauf der Lutherverhandlungen und stellte in Bezug auf Luthers Anliegen fest: „Es ging um das Recht des offenen Diskurses. Es ging darum, einer Auseinandersetzung gewürdigt zu werden. Luther rebellierte mit Feuereifer gegen einen unnahbaren Machtapparat, der ihn mit allen verfügbaren Mitteln kalt zu stellen versuchte. Er bestand darauf, durch Schriftzeugnisse oder klare Vernunftgründe widerlegt zu werden. Er bestand darauf, ernst genommen zu werden. In seiner Widerrufsverweigerung liegt emanzipatorisches Potential.“
Der digitale Festakt bildet den Auftakt in das große Jubiläumsjahr, welches die Evangelische Kirche und die Stadt Worms mit zahlreichen Veranstaltungen und Aktionen begehen. So wird die Landesausstellung „Hier stehe ich. Gewissen und Protest – 1521 bis 2021“ die Geschichte der Gewissensfreiheit und des Protests von Martin Luther ausgehend über Persönlichkeiten wie Sophie Scholl, Martin Luther King und Nelson Mandela bis hin zu aktuellen Themen der Gegenwart beleuchten (3. Juli 2021 – 30. Dezember 2021). Die Nibelungen-Festspiele widmen sich im Jubiläumsjahr ebenfalls dem großen Reformator: „Der Büchnerpreisträger Lukas Bärfuss hat für die Nibelungenfestspiele ein Stück über Martin Luther geschrieben. Es ist ein Stück über eine Zeit des Umbruchs und über die Sprengkraft der Worte geworden, die Luther zu jenem Mann gemacht haben, dessen Reden die Welt radikal verändert hat. Gerade heute ist das Nachdenken unserer Gesellschaft über sich selbst so notwendig wie selten. Auch dafür brauchen wir dringend diese Macht der Worte und die Kraft des Theaters und sein reflektierendes Spiel. Unser Dank gilt der Stadt und dem Land, aber auch zahlreichen privaten Förderern für ihre Unterstützung. Wir setzen alles daran, mit einem klugen Hygienekonzept das Luther-Stück zum Lutherjahr auf die große Bühne vor dem Wormser Dom zu bringen!“, sagte der Intendant der Nibelungen-Festspiele Nico Hofmann.
Weitere Veranstaltungen am Festwochenende
Am morgigen Samstag, 17. April um 23 Uhr, – mit Vorberichterstattung ab 22.35 Uhr – wird die spektakuläre Multimedia-Inszenierung „Der Luther-Moment“ live im SWR-Fernsehen übertragen. Dabei wird die Dreifaltigkeitskirche in der Wormser Innenstadt zur größten Leinwand Europas. Ein Schauspiel-Ensemble um Rufus Beck, Isaak Dentler und Barbara Stollhans erweckt Geschichte zum Leben. Die Inszenierung des Frankfurter Komponisten und Regisseurs Parviz Mir-Ali spannt einen Bogen von den Ereignissen auf dem Wormser Reichstag über historische Momente bis zu aktuellen Geschehnissen, in denen Menschen Haltung beweisen.
Am Sonntag, 18. April, zeigt das ZDF um 9.30 Uhr einen Festgottesdienst unter anderem mit dem hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Volker Jung. Am Nachmittag des 18. April findet zudem in der Dreifaltigkeitskirche ein Gedenkgottesdienst für die Corona- Opfer statt – mit der Stellvertretenden Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Ulrike Scherf. Dies ist zugleich die zentrale Gedenkfeier der EKHN für die Opfer der Corona-Pandemie. Der Gottesdienst wird ebenfalls live ins Internet (www.ekhn.de) übertragen.
Hintergrund
Am 18. April 1521 soll der Mönch und Reformator Martin Luther auf dem Reichstag in Worms jene berühmten Sätze gesagt haben: „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders!“. Sein Auftritt steht bis heute als bedeutendes Beispiel für Zivilcourage und das Einstehen für die eigene Haltung. Die evangelische Kirche und die Stadt Worms erinnern in diesem Jahr zusammen mit vielen institutionellen und ehrenamtlichen Partnern an dieses Schlüsselereignis der Weltgeschichte mit zahlreichen Aktionen und über 80 Einzelveranstaltungen. Alle Informationen hierzu findet man unter www.luther-worms.de.
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