Die Corona-Pandemie hat gezeigt: In Zeiten sich schnell verändernder Wachstumsdynamiken und immer kürzerer technologischer Zyklen muss sich ein Unternehmen schnell anpassen können. Die Unternehmensführung, repräsentiert durch den Aspekt „G“ im vielzitierten Nachhaltigkeitskanon mit der englischen Abkürzung ESG (Environment, Social, Governance), ist ein wesentlicher Performanceteiber und verdient deshalb mehr Aufmerksamkeit, sagt MainFirst-Portfoliomanager Alexander Lippert. „Aktienanleger unterschätzen die Bedeutung des ‚G‘ in ESG. Sie sollten das Thema Governance als wichtiges Selektionskriterium begreifen, denn die Managementqualität ist entscheidend für die zukünftige Entwicklung des Investments. Wenn das ‚G‘ stimmt, dann stimmen meistens ‚E‘ und ‚S‘ auch“, lautet sein Rat. „Eigenschaften der Unternehmenslenker wie Aufrichtigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Transparenz, eine Prise konservativer Haltung, aber auch Kritikfähigkeit können wichtig sein, um die Integrität einer börsengelisteten Gesellschaft zu gewährleisten.“
Allzu viele Anlegerinnen und Anleger fokussierten sich beim ESG-konformen Investieren allerdings allein auf Umweltaspekte. Ein Grund dafür sei, dass beispielsweise Ziele zur Treibhausgasreduktion einfacher in Zahlen mess- und dokumentierbar sind als die Beurteilung der Unternehmensführung. „Dennoch sollte diese Dimension unbedingt in den Investmentprozess einfließen. Es ist mehrdimensionales Denken gefragt, um ein Unternehmen realistisch beurteilen zu können“, erläutert Lippert.
Tipp 1: Auf Ämterhäufungen und Vorstandsvergütungen achten
Die deutsche Gesetzgebung sieht für Aktiengesellschaften die Machttrennung in Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung vor. Portfoliomanager Alexander Lippert gibt einige praktische Tipps zur Beurteilung der Managementqualität: „Beim Aufsichtsrat als Kontrollinstanz ist die Zusammensetzung entscheidend: Besteht er aus unabhängigen, kritischen Geistern mit operativer Erfahrung oder aus Abnickern von Vorstands Gnaden? Ämterhäufung kommt gerade in Großkonzernen vor und erschwert die gewissenhafte Auseinandersetzung mit Problemen.“ Bei vielen Small- und Mid-Caps hingegen mangele es schlicht an der Kapazität, um einen eigenen Apparat für Controlling und Kommunikation von Nachhaltigkeitsaspekten aufzubauen. „Auch deshalb fallen sie oft durch das quantitativ-orientierte Raster der großen Bewertungsagenturen und erhalten zu Unrecht schlechtere Ratings“, so Lippert.
Der Vorstand ist verpflichtet, zwischen allen Stakeholdern als Vermittler zu agieren. „Wichtig ist, ob die Ziele des Vorstands mit denen der Aktionäre im Einklang stehen. Erste Anhaltspunkte eröffnen die langfristigen finanziellen Anreizmechanismen der Vorstandsvergütungen“, erläutert der MainFirst-Portfoliomanager. Idealerweise sollte auch ein nicht-beteiligter Vorstand unternehmerisch so handeln, als ob ihm die Firma gehören würde. „Ein in vielen Vorstandsetagen unterschätzter Gedanke ist, dass ein Vorstand der Angestellte der Unternehmenseigentümer – also der Aktionäre – ist“, fasst Lippert zusammen.
Tipp 2: Familienkonzerne denken nachhaltig, statt kurzfristig zu maximieren
In der Hauptversammlung gilt es, die Rolle von großen Aktionären und ihre Verflechtungen in die Gesellschaften zu beachten. Das sei ein Grund, weshalb Familienkonzerne oft unterschiedlichste Bewertungen von Ratingagenturen erhalten. „Dennoch können gerade Familienkonzerne die nachhaltiger ausgerichteten Aktiengesellschaften sein: Sie denken in Generationen. Bei ihnen steht nicht die kurz- bis mittelfristige Optimierung der Vergütung eines Vorstandsmandats im Vordergrund, sondern die Reputation und Aufrechterhaltung der gesamten Firma als Lebenswerk“, gibt Lippert zu Bedenken. Von diesem langfristigen Fokus profitierten Aktionäre, Mitarbeiter und andere Stakeholder in Form von Verlässlichkeit in der Unternehmensführung, woraus Werterhalt und -zuwachs resultierten. „Dank geringerer Optimierung von Bilanzstrukturen werden oft selbst in Krisenzeiten Ausgaben für Wachstum via Forschung und Entwicklung oder Erweiterungsinvestitionen finanziert“, weiß Lippert aus Erfahrung.
Tipp 3: Ein enger Draht in die Unternehmen ist unersetzlich
Die große Herausforderung und eines der Investitionsrisiken bei familiengeführten Unternehmen ist mit der Nachfolge der reibungslose Übergang von einer Generation zur nächsten. Um diese und weitere Themen einschätzen zu können, hält das MainFirst-Team rund um Lead-Portfoliomanager Olgerd Eichler, das auf europäische und deutsche Small- und Mid-Caps spezialisiert ist, regelmäßig Meetings mit Unternehmen ab. „Besonders zu unseren Top-10-Holdings halten wir sehr engen Kontakt. Auch Fragen nach Mitarbeiterfluktuation, Risiken aus Umweltthemen oder dem Umgang mit Angestellten sind dabei selbstverständlich. Denn natürlich vergessen wir neben der hohen Bedeutung der Governance nicht Umwelt- und Sozialthemen als Teil der fundamentalen ESG-Unternehmensbewertung“, erläutert Lippert. Die Möglichkeit, das umfassende Wissen über ein Portfolio-Unternehmen in langfristige Outperformance für unsere Anlegerinnen und Anleger umzumünzen sei einer der Vorteile aktiven Fondsmanagements gegenüber passiven Anlagestrategien.
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