Klimaschutz vor dem Bundesverfassungsgericht: Klägerinnen und Kläger fordern Klimaschutzgesetz, das ihre Grundrechte schützt

•    Kinder und junge Erwachsene aus Deutschland sowie Menschen aus Nepal und Bangladesch reichen Erwiderung zu Stellungnahmen von Bundesregierung und Bundestag ein
•    Mit ihren Verfassungsbeschwerden fordern sie von der Bundesregierung wirksame Klimaschutzmaßnahmen zur Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5 Grad – nur so seien ihre Grundrechte geschützt
•    Organisationen Deutsche Umwelthilfe (DUH), Germanwatch, Greenpeace und Protect the Planet unterstützen sie bei ihren Verfassungsbeschwerden

Berlin (10. Feb. 2021). In den drei Verfassungsbeschwerden gegen das deutsche Klimaschutzgesetz haben heute die Klägerinnen und Kläger ihre Erwiderungen zu den Stellungnahmen von Bundesregierung und Bundestag beim Verfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Die Kinder und jungen Erwachsenen aus Deutschland und Menschen aus Nepal und Bangladesch verleihen darin ihrer Kritik Nachdruck, dass die Ziele und Maßnahmen des 2019 verabschiedeten Klimaschutzgesetzes nicht ausreichen, um ihre Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit, auf Berufsfreiheit und Eigentum effektiv vor den Folgen der Klimakrise zu schützen sowie die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen zu erfüllen. Angesichts der fortschreitenden Klimakrise bitten sie das Bundesverfassungsgericht, zeitnah in die Prüfung ihrer Verfassungsbeschwerden einzusteigen und zu entscheiden, ob das Klimaschutzgesetz verfassungsgemäß ist.

Erst vergangene Woche hatte in Frankreich ein Bündnis aus Umweltschutzorganisationen vor Gericht einen historischen Sieg erzielt. Das Pariser Verwaltungsgericht urteilte, dass die unzureichende Klimapolitik des französischen Staats rechtswidrig ist. Das Gericht wird nun entscheiden, ob es den französischen Staat anweist, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen um den Ausstoß klimaschädlicher Gase zu reduzieren.

Vertreten werden die Klägerinnen und Kläger der deutschen Verfassungsbeschwerden von den Rechtsanwälten Roda Verheyen und Remo Klinger. Roda Verheyen: „Bundesregierung und Bundestag sind wichtige Antworten schuldig geblieben. Das eigene Bekenntnis zu den Erkenntnissen des Weltklimarats und damit einer maximalen Temperaturerhöhung von 1,5 Grad steht im Widerspruch zum Klimaschutzgesetz. Gerichte in den Niederlanden und Frankreich haben es schon deutlich gesagt: Es gibt Schutzpflichten und jeder Staat muss seinen Anteil leisten. Das Verfassungsgericht hat es jetzt in der Hand und muss dem deutschen Gesetzgeber Leitplanken für effektiven Klimaschutz vorgeben.” Auch Remo Klinger betont: „Es gibt ein Grundrecht auf ein ökologisches Existenzminimum. Klimaschutz ist deshalb Grundrechtsschutz. Jeder Tag ohne ausreichenden Klimaschutz ist ein verlorener Tag.“

Lüke Recktenwald ist einer der Beschwerdeführer. Ihm geht es vor allem um die Zukunft auf seiner Heimatinsel Langeoog: „Ich lebe in vierter Generation auf der Insel. Ich möchte die Möglichkeit haben, wie meine Eltern auf der Insel zu leben und zu arbeiten. Die Bundesregierung muss dringend handeln, um unsere Grundrechte heute und in Zukunft zu schützen.“ Yi Yi Prue, Rechtsanwältin und Beschwerdeführerin aus Bangladesch, ergänzt: „Erst im Mai 2020 hat der Super-Zyklon Amphan in Bangladesch und Indien viele Menschen das Leben gekostet und katastrophale Schäden verursacht. Betroffen waren auch einige der Klägerinnen und Kläger, mit denen ich gemeinsam die Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht habe. Wir sind jetzt von der Klimakrise betroffen, deshalb müssen vor allem die Industriestaaten wie Deutschland jetzt etwas dagegen tun, um weitere Katastrophen zu verhindern.“

Linus Steinmetz ist ebenfalls Beschwerdeführer und bei Fridays for Future aktiv: „Meine Generation geht seit Monaten für mehr Klimaschutz auf die Straße. Die Regierung unter Angela Merkel schafft bisher trotzdem kaum mehr als leere Versprechen in Sonntagsreden. Wenn die Bundesregierung von sich aus nicht in der Lage ist, konsequenten Klimaschutz umzusetzen, muss sie gerichtlich dazu verpflichtet werden.“

Die DUH unterstützt die beiden Verfassungsbeschwerden von 15 Betroffenen aus Bangladesch und Nepal sowie von 10 Kindern und jungen Erwachsenen aus Deutschland. Die dritte Verfassungsbeschwerde von neun jungen Erwachsenen, unter anderem der Mitbegründerin der deutschen Fridays For Future Bewegung, Luisa Neubauer, wird von Germanwatch, Greenpeace und Protect the Planet unterstützt.

Hintergrund – Was ist bisher passiert?
10.01.2020: Einreichung der zwei von der DUH unterstützten Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht (AZ: 1 BvR 78/20 und 1 BvR 96/20).

12.02.2020: Einreichung der von Germanwatch, Greenpeace und Protect the Planet unterstützten Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht (AZ: 1 BvR 288/20).

22.05.2020: Bundesverfassungsgericht fordert Bundestag, Bundesrat, Bundeskanzleramt, Bundesministerium des Innern für Bau und Heimat, Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz und alle Länderregierungen zu Stellungnahmen auf.

Ende Oktober 2020: Eingang der Stellungnahmen des Bundestags und der Bundesregierung.

01.02.2021: Einreichung der Erwiderung der Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer, die von der DUH unterstützt werden.

10.02.2021: Einreichung der Erwiderung der Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer, die von Germanwatch, Greenpeace und Protect the Planet unterstützt werden.

Weitere Informationen:
•    Zu den Erwiderungen: http://l.duh.de/p210210  und https://bit.ly/2YZrc77

•    Verfassungsbeschwerde von zehn Kindern und jungen Erwachsenen aus Deutschland sowie von 15 Bürgerinnen und Bürgern aus Nepal und Bangladesch unterstützt von der DUH: www.duh.de/vbklima2020

•    Verfassungsbeschwerde von neun jungen Erwachsenen aus Deutschland, unterstützt von Germanwatch, Greenpeace und Protect the Planet: www.greenpeace.de/klimaklage-aktuell und www.germanwatch.org/de/verfassungsbeschwerde

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