Gilbert & George. The Great Exhibition – 12. Februar – 16. Mai 2021

Seit über einem halben Jahrhundert schaffen Gilbert & George gemeinsam Kunst. Ihr herausragendes Œuvre ist bis heute von ungebrochener Brisanz und Bedeutung. Die Schirn Kunsthalle Frankfurt widmet dem bildgewaltigen und bisweilen provokativen Universum der gefeierten Künstler die umfangreiche Retrospektive GILBERT & GEORGE. THE GREAT EXHIBITION, für die die Künstler ca. 45 ihrer großformatigen Bilder von 1972 bis 2019 ausgewählt haben. Zwei Personen, ein Künstler: Seit ihrer ersten Begegnung in der Londoner Saint Martin’s School of Art 1967 stellen Gilbert & George den künstlerischen Kanon und Konventionen schonungslos in Frage. Gleichzeitig Subjekt und Objekt ihrer Kunst, bilden sie eine vollkommene künstlerische Einheit, die nicht zwischen Kunst und Leben unterscheidet. Als Living Sculpture verkörpern sie ihre Kunst und sind Thema und Gegenstand ihrer großformatigen, gerasterten Bildwelten. Ihre Bilder folgen keiner ästhetischen, formalistischen oder konzeptuellen Intention – was zählt, ist der Inhalt. Gilbert & George behandeln in ihrer Kunst die großen existenziellen Fragen. Ihre Kunst kreist um Tod, Hoffnung, Leben, Angst, Sex, Geld, Ethnie und Religion. Es sind auch gesellschaftliche Themen, die sie in ihrer Widersprüchlichkeit zeigen: zugleich fröhlich und tragisch, grotesk und ernst, surreal und symbolisch. Gilbert & George befassen sich mit dem, was beunruhigt. Ihr Ziel ist es dabei nicht zu schockieren, sondern vielmehr unter ihrem Credo „Kunst für alle“ sichtbar zu machen, was sich in der Welt abspielt. Punks und Hipster, Autoritäten und Außenseiter, Schlagzeilen und Werbung – überall mischen sich Gilbert & George ein. Ihre Kunst fordert das Weltbild heraus und erweist sich darin immer wieder von Neuem als zukunftsweisend.

Die Ausstellung GILBERT & GEORGE. THE GREAT EXHIBITION wird gefördert durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain.

Philipp Demandt, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, sagt: „Gilbert & George haben sich gänzlich der Kunst verschrieben und hören nicht auf, sie mit harter Disziplin und endloser Fantasie zu befragen und zu erweitern. Sie schaffen Kunst, die hinsieht, sichtbar macht und herausfordert. So ist in fünf Jahrzehnten ein in jeder Hinsicht beeindruckendes Panorama von Tausenden von Bildern entstanden. Ich freue mich sehr, dass wir in der Schirn Kunsthalle Frankfurt nun einen Überblick über das bildgewaltige, uferlose – und bisweilen provokante – Gesamtwerk von Gilbert & George ermöglichen können.“

Die Kuratoren der Ausstellung Hans Ulrich Obrist und Daniel Birnbaum erläutern: „Schon zu Beginn ihrer Karriere wurden Gilbert & George zur Living Sculpture, in der Kunst wie im täglichen Leben. Sie schufen nicht nur Kunst, sie selbst wurden Kunst. Mittlerweile zählen sie zu den weltweit bekanntesten Künstlern. Das ist keineswegs überraschend, da sie sich in ihren Werken mit den fundamentalen Themen der Menschheit auseinandersetzen: Politik, Religion, Sexualität und Schönheit. Letztlich geht es in ihrer Kunst um das menschliche Leben.“

THEMEN UND WERKE DER AUSSTELLUNG

Als junge Bildhauer etablierten Gilbert & George Ende der 1960er-Jahre ihre künstlerische Vorstellung als Living Sculpture. In nahezu perfekt abgestimmten, makellosen Anzügen sind die beiden eine unteilbare Einheit, die sich bedingungslos einem gemeinsamen Leben für die Kunst verschreibt und den Alltag ebenso kreativ wie streng geregelt gestaltet. Mit dieser selbstauferlegten Disziplin, einem Leben, das beinahe ausschließlich zwischen Wohnung und Atelier stattfindet und einfachen, klassenlosen Routinen folgt, haben sie einen Raum für absolute kreative Ungezwungenheit geschaffen. Bekannt wurden Gilbert & George mit ihren Singing Sculptures, bei denen sie mit bunt angemalten Gesichtern das Lied Underneath the Arches (1932) über die Obdachlosigkeit in Zeiten der Weltwirtschaftskrise sangen.

Seit über fünf Jahrzehnten leben und arbeiten Gilbert & George im Londoner Stadtviertel Spitalfields und haben dessen Wandel erlebt und visualisiert. Ihre Wohnung und das Atelier in der Fournier Street sind seit dem Einzug 1968 das Zentrum ihrer Kunst. Zentrale Themen ihrer frühen Bilder sind Trinken und Trunkenheit, etwa in IN THE SHADOW OF THE GLASS (1972) oder SPILT DRINKS (1973). Nach zunächst vorrangig privaten Motiven wandten sie sich mit den DIRTY WORDS PICTURES (1977) und Bildern wie QUEER und BENT SHIT CUNT ganz der Stadt zu. Ihre Kunst aus den späten 1970er-Jahren zeigen das Porträt eines verwahrlosten London in sozialem Aufruhr. In Bildern wie GUARD PLANTS (1980) oder TWO PATRIOTS (1980) tauchen erstmals andere Menschen auf.

Um 1974 begannen Gilbert & George ihre Bilder in ein Raster einzufügen, das zu ihrer Signatur wurde und das sie bis heute verwenden. Sie entwickelten eine unverwechselbare Technik, die es ihnen ermöglicht, großformatige, komplexe Bilder zu realisieren. Ausgehend von detaillierten Skizzen ordneten sie Negative und belichteten sie auf mehreren zusammengefügten Fotopapieren. Nach der Entwicklung wurden sie einzeln von Hand koloriert, gerahmt und zu monumentalen Arbeiten zusammengesetzt. Anfang der 2000er-Jahre gingen sie dazu über, ihre Bilder digital zu entwerfen. Fast ihre gesamte Kunst ist in Gruppen angelegt, sie selbst tauchen in beinahe all ihren Bildern auf.

In den 1980er-Jahren kamen zum Schwarz-Weiß der frühen Jahre zunächst Rot, dann nach und nach weitere Farben hinzu und wurden zu einem tragenden symbolischen wie atmosphärischen Bestandteil der Kunst von Gilbert & George. Ihre Bilder wurden größer und provokanter. Symbolgeladene Motive in grellen Farben stellen gängige Wertvorstellungen zu Sex, Religion und Beziehungen infrage. Dazu zählen u. a. die 1982 Pictures (1982/83), eine Reihe aus Piktogrammen, von denen die Schirn u. a. SPERM EATERS und TONGUE FUCK präsentiert, sowie die NEW DEMOCRATIC PICTURES (1991/92) mit Bildern wie CITY DROP und CHRISTS.

Mitte der 1990er-Jahre rückten Gilbert & George als Reaktion auf die Aids-Krise ihre nackten Körper, Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin und Sperma sowie Exkremente in den Fokus ihrer Kunst. Sie sahen darin den direktesten Ausdruck ihrer selbst und der menschlichen Sterblichkeit. Neben den RUDIMENTARY PICTURES (1998) PISS GARDEN und BLOOD CITY zeigt die Ausstellung auch BUM HOLES oder NAKED FLATS aus der Gruppe NAKED SHIT PICTURES (1994).

Zentrale wiederkehrende Themen ihrer Kunst sind Religion und Politik, etwa in AKIMBO aus der Gruppe SONOFAGOD PICTURES (2005), das verschiedene Glaubenssymbole zusammenführt. Wenig später widmeten sich Gilbert & George mit einer ihrer umfangreichsten Serien, den JACK FREAK PICTURES (2008), dem Thema Nationalismus und kombinierten als Grundelement den Union Jack, etwa in JESUS JACK und GOLD JACK.

Gilberts & Georges Kunst reflektiert den Wandel des Lebens in all seinen Formen. Auf ihren täglichen Spaziergängen durch die Stadt haben die Künstler Tausende von Zeitungsschlagzeilen, Werbeanzeigen, Aufklebern, Schildern, Logos und Parolen gesammelt – Dinge, die von den Menschen hinterlassen wurden und Ausdruck ihrer Lebensbedingungen sind. Aus den urbanen Fundstücken entstanden u. a. die LONDON PICTURES (2011), die SCAPEGOATING PICTURES (2013) oder die UTOPIAN PICTURES (2014), aus denen die Schirn Bilder wie DEATH LEAP, das monumentale, rund 20 Meter breite Triptychon SCAPEGOATING oder THEY SHOT THEM! präsentiert. Mit ihnen richten Gilbert & George erneut den Fokus auf blinde Flecken der Gesellschaft und hinterfragen soziale Tabus und Moralismus.

ÜBER DIE KÜNSTLER
Gilbert (*1943 in den Dolomiten, Italien) und George (*1942, Devon, England) leben und arbeiten in London. Ihre Kunst war international in zahlreichen wichtigen Gruppen- und Einzelausstellungen zu sehen, u. a. im Centre Pompidou, Paris (1981), im Guggenheim Museum, New York (1985), in der Hayward Gallery, London (1987), im Central House of Artists, Moskau (1990), in der National Art Gallery, Beijing (1993), im Stedelijk Museum, Amsterdam (1995–96), im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris (1998), in der Serpentine Gallery, London und dem Kunsthaus Bregenz (2002), der Kestner Gesellschaft, Hannover (2004–05), der Tate Modern, London und dem Haus der Kunst, München (2007), dem Brooklyn Museum of Art, New York und dem Philadelphia Museum of Art (2008), dem Museum für zeitgenössische Kunst, Zagreb und dem Palais des Beaux Arts, Brüssel (2010), den Deichtorhallen, Hamburg und dem Kunstmuseum Linz (2011), dem Laznia Centre for Contemporary Art, Danzig (2011–12) sowie dem Museum of Modern Art, New York (2015).

Die Ausstellung GILBERT & GEORGE. THE GREAT EXHIBITION wurde produziert und organisiert von der Luma Foundation und dem Moderna Museet, Stockholm in Kollaboration mit der SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT.

KATALOG GILBERT & GEORGE. THE GREAT EXHIBITION. Mit einem Interview von Daniel Birnbaum und Hans Ulrich Obrist mit den Künstlern, einer aktualisierten Bibliographie und einem Werkindex sowie einem gemeinsamen Vorwort der Kuratoren, der Luma Foundation, des Moderna Museet und der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Zweisprachige Ausgabe (engl./dt.), 500 Seiten, 200 Abb., 24,5 x 30 cm (Querformat), Softcover, Hurtwood, 35 € (SCHIRN). ­

ORT SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT, Römerberg, 60311 Frankfurt am Main DAUER 12. Februar – 16. Mai 2021 INFORMATION www.schirn.de E-MAIL welcome@schirn.de TELEFON +49.69.29 98 82-0 FAX +49.69.29 98 82-240 EINTRITT 10 €, ermäßigt 8 €, Eintritt für Kinder unter 8 Jahren frei ONLINE ZEITTICKETS Der Besuch der Ausstellung ist bei Wiedereröffnung nur mit Zeitfenstertickets möglich, die vor dem Besuch im Onlineshop zu erwerben sind unter www.schirn.de/tickets SCHUTZ- UND HYGIENEMASSNAHMEN Um den Ausstellungsbesuch auch während der Corona-Pandemie sicher zu gestalten, gelten in Abstimmung mit den zuständigen Behörden entwickelte, umfassende Schutz- und Hygienemaßnahmen. Weitere Informationen unter www.schirn.de/besuch KURATOREN Hans Ulrich Obrist und Daniel Birnbaum PROJEKTLEITUNG Matthias Ulrich ASSISTENZ Marie Oucherif GEFÖRDERT DURCH Kulturfonds Frankfurt RheinMain 

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