Auch um den gewaltigen Busen von Berlin geht es in dem zweiten Teil der Erinnerungen von C.U. Wiesner „Leb wohl, Rapunzel. Elf Kapitel aus der Jugendzeit“.
Mit der Welt der „Schmetterlinge“ befasst sich der Schriftsteller und Fotograf Wolf Spillner.
„Wie das Christentum entstand“ – darüber berichtet Jakow Lenzmann.
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Und da hat die Literatur schon immer ein gewichtiges Wort mitzureden und heute erst recht. Heute wird eine Art Familiengeschichte vorgestellt, eine mehrhundertjährige Familiengeschichte, die zeigt, wie eng miteinander verwoben die Geschicke der Menschen nicht selten über Grenzen von Ländern und Regionen hinweg waren, wie es sich gefügt hat, dass deutsche Geschichte auch mit Geschehnissen zu tun hat, die sich anderswo ereigneten, und dass Geschehnisse, die sich anderswo ereignet haben, auch mit deutscher Geschichte zu tun haben. Und dass manche Familien in ihrer Geschichte auf ganz persönliche Ost-West-Verbindungen blicken können und dass man aus diesen Geschichten etwas mitnehmen und vielleicht sogar etwas lernen kann für die Gegenwart und für die heutigen Verbindungen zwischen Ost und West und dass diese Verbindungen vor allem eines bleiben mögen – friedlich und zum Nutzen beider Seiten und Himmelsrichtungen.
Als Eigenproduktion von EDITION digital veröffentlichte Manfred Kubowsky 2009 seinen Roman „Schloss Karnitten. Der Weg der Väter“, über den der Schweriner Germanist Dr. phil. Jürgen Borchardt Folgendes schrieb: Vielfältige Recherchen führen den Autor zunächst in das Russland um 1700. Hier begegnet er dem russischen Landadligen Petrus Dobrovskij, dessen Nachkommen sich in halb Europa verstreuen. Ein zentraler Punkt ist das Schloss Karnitten eines walisischen Barons in Ostpreußen, wo der junge Schlossgärtner Gustav sein Vaterland verlässt, um in Potsdam Wildpark die Königlich Preußische Gärtner-Lehranstalt zu besuchen. Erst kaisertreu und später mit nationalsozialistischer Gesinnung wird er in der Prominentensiedlung Kolonie Alsen in Berlin-Wannsee leben. Sein Enkel wird im Osten Berlins geboren und wächst in die DDR und in das später wiedervereinigte Deutschland hinein.
Es ist die überaus facettenreiche Geschichte einer ost-westlichen Familie über dreihundert Jahre, beeinflusst von den Ereignissen dieser Jahrhunderte und deren Protagonisten, von Katharina der Großen, über die Preußenkönige, Kaiser Wilhelm II., u.a. bis in die heutigen Tage hinein …
Das Buch liest sich, wie wenn man lange Abende mit einem Freund verbringt, der Geschichten aus seiner Familie erzählt, gehörte und selbst erlebte, und die gehörten erzählt er wie selbst erlebte. Er durchquert dabei dreihundert Jahre deutscher Geschichte, springt aus älteren in neuere Zeiten, geht zurück in die Stationen dazwischen, um wieder ins Heute zu kommen. Man liest dramatische und anrührende Geschichten, komponiert in einer ungewöhnlichen Abfolge. Man findet interessante Einsichten und Perspektiven und kommt an in der Weisheit Salomons, des Predigers. Und doch will der Erzähler nicht resignieren: sein Roman ist anregend-streitbar, lustvoll. unterhaltsam, melancholisch-hoffnungswillig. Steigen wir also ein in den Beginn dieses gleich im mehrfachen Sinne so vielseitigen Romans und lernen wir auf diese Weise Petrus Dobrovskij ein bisschen näher kennen:
„I. Buch: Erfrorene Sterne
- Das gute Dorf
Seltsam sieht der Karren aus, der an diesem heißen Sonntagnachmittag, aus Richtung Moskau kommend, die staubige, in der unbarmherzigen Sonne flirrende Sandstraße südwestwärts rumpelt. Der ziemlich lange hölzerne Kasten, der zum Transport allerlei Güter bestimmt ist, trägt in der vorderen Hälfte, hinter dem Bock, einen groben, hausähnlichen Bretteraufbau, der nur auf der linken Seite eine Tür mit pergamentbespanntem Fenster besitzt. Der Wagen ist an die sechzehn Fuß lang und ungefähr fünfeinhalb Fuß breit und mit grüner Farbe angestrichen, die nicht zur Gänze gereicht hat, weshalb man noch Blau dazu nahm.
Man hat frühe Kartoffeln, Gurken und allerhand lebendes Geflügel in die Stadt gebracht. Eigentlich hatte Petrus Dobrovskij, Besitzer des Gutes, die Waren nach Moshaisk bringen wollen, das war westlich und nur ein Drittel der Moskauer Wegstrecke. Doch Gawruschka meinte, in Moskau könne man um diese Zeit einen doppelt so hohen Preis erzielen, wenn nicht gar das Dreifache. Ach Gott, bis nach Moskau, nein, Petrus hatte eigentlich gar keine Meinung zu dieser Weltreise gehabt. Fünf volle Tage! Zwei für jede Strecke. Man musste irgendwo übernachten, ach, vielleicht fiele man noch räuberischem Gesindel in die Hände.
Aber Gawruschka, der große, starke Gawruschka hatte seinen Herrn überzeugt, die Muskete, genügend Blei und Pulver und seinen alten Säbel mitgenommen und auf ging es, nach Moskau, der riesigen Stadt, fast so groß wie Petersburg sollte sie inzwischen sein.
Petrus Dobrovskij ist von ziemlich schmaler Konstitution, nicht eben groß zu nennen, von der Sohle bis zum Scheitel misst er gerade einmal einen Meter und fünfundsechzig Zentimeter. Dennoch kann man ihn nicht als unscheinbar bezeichnen. Das schmale, wettergebräunte Gesicht mit den blaugrauen Augen, von buschigen, dunklen, ein wenig langhaarigen Brauen begrenzt, strahlt Willen, Sicherheit und zugleich Güte aus. Wer dem Petrus begegnet, dem öffnen sich sogleich diese Eigenschaften, wenn gleich man nach längerer Bekanntschaft bemerkt, dass dieses Wesen auch mit Zurückhaltung, mit abwartender und auf Ausgleich gerichteter Ruhe gepaart ist. Das schließt seinen Hang zur Fröhlichkeit nicht aus, die oftmals bis zu jungenhafter Scharlatanerie geht; besondere Freude macht es Petrus, wenn es ihm gelingt, bei anderen durch abstruse Behauptungen großes Erstaunen und fragende Gesichter mit weit aufgerissenen Augen hervorzurufen.“ Und damit zu den ausführlicheren Vorstellungen der anderen vier Sonderangebote dieses Newsletters:
Erstmals 1990 erschien im Hinstorff Verlag Rostock der Historische Roman „Odins Schwert“ von Heinz-Jürgen Zierke: Der junge Wikinger Ansgar muss die Ermordung seiner Eltern und den Raub seiner Schwester miterleben. Als er den Göttern geopfert werden soll, zerstört er im Tempel die Nachbildungen der Götter und flieht mit Odins Schwert. Er findet in Egil einen Blutsbruder und beide werden tollkühne Krieger, die von der Burg Vinborg aus zu Seeschlachten und Raubzügen aufbrechen. Odins Schwert scheint Asgar zu schützen, der es nicht durch Blut entweiht. Doch als er die Mörder seiner Eltern kennt, schwört er nur noch Rache und richtet in seinem Heimatort ein Blutbad an. Das blutige Schwert lässt er im Tempel zurück. Hier ein Textauszug vom Beginn des 2. Kapitels:
„Die drei hölzernen Asen wälzten sich auf ihn, und der Wendengott hieb ihm sein schweres Füllhorn ins Genick. Ansgar wollte schreien, brachte aber nur ein klägliches Ächzen zustande. Die Götter hörten ihn nicht.
Er öffnete die Lider, einen winzigen Spalt nur, damit ihn der gleißende Glanz Odins nicht blende, aber sein Blick traf auf Grau, nur auf Grau, auf dunkles und helles, stumpfes und glänzendes, glattes und geädertes Grau. Nicht auf dem gestampften Lehm des Tempels lag er und nicht auf der harten Holzbank in der Halle, nein, in einer Mulde aus gerundetem Geröll und kantigen Kieseln. Hatte ihn der Oberpriester von den Klippen geworfen und einen Felsbrocken auf ihn gewälzt?
Er hörte Laute, menschliche Stimmen, erst kaum vernehmbar und verzerrt, wie ein von einem lichten Waldrand zurückgeworfenes Echo, dann klarer und schließlich erschreckend deutlich: „Werft den Toten in die See! Der Wind hat sich gedreht. Der Sog zieht ihn hinaus.“
Welchen Toten? Von wem sprachen sie?
„Er lebt. Er gehört mir.“
Das Zittern des Fußes auf seinem Nacken verriet Ansgar, dass die Rede von ihm war. Die Worte verstand er, aber die Stimmen klangen fremdartig. Das war nicht der dunkle Singsang der heimischen Sprechweise; hier hörte sich die Sprache heller an, härter, brüchiger, wie wenn man mit einem Eisenhammer gegen verwittertes Gestein schlägt.
Wo war er? Wie kam er hierher?
„Strandgut gehört uns allen.“
„Willst du ihn zerteilen?“
Unwillkürlich zuckte Ansgar zusammen.
„Ich wusste, er lebt.“
Der Fuß löste sich von seinem Nacken. Ansgar rührte sich nicht. Was hatte man mit ihm vor? Die Männer redeten durcheinander. Wessen Wort galt?
„Ein kräftiger junger Bursche. Schade um ihn!“
„Der Händler bietet gewiss einen jungen Ochsen für ihn.“
„Hierher kommen keine Menschenhändler.“
„Aber an die Südküste.“
„Der Weg ist zu weit. Das lohnt den Aufwand nicht.“
Ansgar umklammerte den Schwertgriff. Verletzt war er zum Glück nicht, nur erschöpft. Wenn nur die Waffe keinen Schaden genommen hatte! Sollte er aufspringen und davonlaufen? Weit würde er nicht kommen. Aber es war ehrenvoller, im Kampf zu sterben, als in Knechtschaft zu leben.
„Mir gehört er. Ich habe ihn gefangen.“
„Was soll er uns, mein Sohn? Der Hof ernährt keinen Knecht.“
„Wenn ich ins Wendland ziehe, brauchst du helfende Hände.“
Ins Wendland? Ansgar horchte auf.
„Noch bist du nicht fort. Und deine Brüder wachsen heran.“
Eine andere, etwas ältliche Stimme, die an den näselnden Priester erinnerte: „Er ist uns eine Last. Töte ihn, Egil!“
„Ihn töten ohne Kampf?“
„Töte ihn und wirf ihn ins Wasser, damit der Sog ihn fortträgt!“
„Einen Schwertträger schlachtet man nicht.“
„So nimm ihm das Schwert vorher ab!“, warf ein Fernstehender ein.
„Helft mir, ihn umzudrehen. Ich will ihm ins Angesicht schauen.“
Ansgar stöhnte unter den harten Händen. Er tat noch immer, so sehr es ihn anstrengte, als wäre er nicht bei sich, öffnete aber heimlich die Lider einen Spalt. Ein zittriger Alter und ein lebhafter Bursche mühten sich um ihn.
Der Alte langte nach dem Schwert, aber das hatte Ansgar mit einem Riemen ans Handgelenk gebunden, und seine Finger krampften sich um den Griff, unlösbar wie eine Totenhand.
Da entdeckten sie das Zeichen. „Eine Rune. Odins Rune!“
„Bist du gewiss, Lodbrok? Ist’s nicht die Marke einer fränkischen Schmiede?“
„Es ist das Zeichen des Gottes. Odins Schwert.“
Sie wichen erschrocken zurück, alle, auch der Alte. Der Junge folgte zögernd. Die Hand ließ er nicht von seiner Waffe. Ansgar fiel auf, dass jeder ängstlich bestrebt war, dem Felsblock nicht zu nahe zu kommen. Was bedeutete das? So gut es ging, blinzelte er zum Stein hinüber, entdeckte aber nichts als einen fingerbreit klaffenden gezackten Riss.
„Odin? Das bedeutet Sturm und Ungewitter.“
Ein Mann drängte sich heran. In seiner vornehmen Kleidung wirkte er fremd unter den Fischern. Er betrachtete eingehend die Marke auf dem Schwert, dann hob er lächelnd die Arme und sprach feierlich: „Eine Botschaft der Asen. Odin hat euch diesen Jüngling gesandt. Sein Schwert ist das Erkennungszeichen.“
Ein Raunen ging durch die Menge.
„Ihr glaubt, Odin sei ein Gott wie jeder andere auch; er befiehlt den Stürmen, liebt die Jagd, das Wildbret und den Met. Ich aber sage euch: Er ist unter den Göttern, was der Eichenstamm unter den Bäumen ist, standhaft und unerschütterlich. Seine Wurzeln messen die Tiefe der Erde, und seine Krone trägt den gestirnten Himmel. Er ist der Herr des Krieges und der Lenker der Schlachten.“
„Unheil bringt er, nichts als Unheil“, schluchzte eine Frau.
„Nie höre der Mann auf das Weib, Brüder! Den Weibern geziemt es, das Herdfeuer zu hüten und den Männern siegfreudige Söhne zu gebären, nicht aber im Rate zu reden. Nicht Unheil und Not bringt Odin dem Volke, sondern Glanz und Sieg. Wie Sturmgebraus fallen seine Heerscharen den Feind an und fegen ihn über die Heide. Reich an Ruhm und Beute werden die schwertgewaltigen Krieger aus dem Slawenlande zurückkehren.“
Ansgar hätte die Rede belächelt, wäre nicht das Wort Slawenland gefallen.
„Damit sein Sieg der eure werde, sandte er euch sein Zeichen, sein Schwert. Wisset, dass er diese kostbare Waffe nie aus der Hand gab. Nie hat ein anderer sie je berührt, auch kein Gott, nicht Thor, nicht Frey, nicht der lichte Baldr, außer einem, seinem leiblichen Sohn.“
„Sein Sohn, sein Sohn?“
Der zittrige Alte, der so etwas wie ein Priester zu sein schien, obgleich er sich wie ein Fischer kleidete, schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Hat das je einer gehört? Ein Gottessohn als Menschenkind! Denn dieser ist ein Mensch. Das steht außer Zweifel. Seht die Schramme auf der Stirn. Götter kriegen keine Schrammen.“
„Gewiss ist er ein Mensch, zweifellos, und zugleich Göttersohn. Hat doch auch der Gott der Griechen und Franken mit einer jüdischen Frau einen Erdensohn gezeugt. Haltet ihr unsere nordischen Götter für lendenschwach? Meint ihr, sie wären nicht fähig, eine Menschenfrau zu schwängern?“
Damit schien er die Zuhörer zu gewinnen, zumindest die jungen Frauen. Da wäre wohl manche gern Gottesgebärerin gewesen. Ansgar hingegen verbiss sich das Lachen. Ausgerechnet er, der Tempelfrevler, der Odins Bild in Stücke geschlagen hatte, sollte dieses Gottes Sohn sein? Er konnte sich nicht denken, was der Fremde mit der Mär bezweckte. Anscheinend ging es um eine Fahrt ins Wendland. Na gut, wenn er auf diese Weise doch noch an sein Ziel käme, warum nicht! War es erreicht, würde er den Göttermantel abwerfen wie einen zerrissenen Lumpen und seiner eigenen Wege gehen. Odins Rache fürchtete er nicht. Dessen Un-Macht hatte er erprobt. Diese Gedanken erfrischten Leib und Seele.
Der Alte gab so schnell nicht auf. „Warum“, fragte er spöttisch, „sollten die Asen den Christengott nachäffen?“
Lachen breitete sich aus. Die Zweifler, die Unsicheren schlugen sich wieder auf seine Seite. Ihn kannten sie seit vielen Jahren; er hatte sie gewiss nicht schlecht beraten. Allein seines Alters wegen bestimmte man keinen zum Vormann.
Der Fremde verlor die Geduld. „Toren! Kleingläubige! Ihr opfert dem Donnerer, gut, denn ihr seid Bauern und Fischer. Aber tätet ihr nicht besser, euch auch Odin geneigt zu machen, damit seine Stürme eure Netze nicht zerreißen und eure Boote nicht auf die Klippen werfen? Thor und Odin, sie sind ja nicht Feinde. Einträchtig sitzen sie zu Asgard an der Tafel und trinken einander mit schäumendem Met zu. Und wenn Odin euch seinen Sohn sendet, dann nicht ohne Wissen und Willen seines Mitgottes.“
Der Alte beharrte eigensinnig: „Ein Zeichen – das ist kein Zeichen. Er soll uns ein zweites geben.“
Der Fremde geriet in lichten Zorn über so viel Unverstand. Man sah es, ihm lagen Worte auf der Zunge, die auch die Gutwilligen gegen ihn aufbringen würden. Ansgar kannte die Art der Bauern und Fischer: Wenn sie sich auch untereinander wegen eines Heringsschwanzes ankläfften, gegen Fremde hielt das Rudel zusammen. Schweig, Fremder, oder du wirst statt ins Land der Wenden ins Land der Hel segeln!
Niemand achtete mehr auf Ansgar, über den Streit hatte man ihn offenbar vergessen. Er sprang auf die Beine. „Ein Zweikampf sei das Zeichen!“
„Ein Zweikampf, oh!“ Freudige und besorgte Ausrufe mischten sich. Sie stoben auseinander, als wichen sie den Schwerthieben aus, und kamen neugierig wieder näher.“
Erstmals 1985 veröffentlichte C. U. Wiesner im Eulenspiegel Verlag Berlin „Leb wohl, Rapunzel. Elf Kapitel aus der Jugendzeit“. Dem E-Book liegt die Fassung von 1989 zugrunde. Der Autor selbst bemerkt dazu Folgendes: In der Havelstadt Brandenburg endeten meine Kindheitserinnerungen „Machs gut Schneewittchen“. Und genau da geht es nun weiter. Das Kriegsende naht. Den letzten schweren Luftangriff erlebe ich in einem Hochbunker. Und plötzlich sind die gefürchteten Russen da. Der deutsche Kampfkommandant weigert sich zu kapitulieren. Lieber opfert er die Stadt. Vorbei an den ersten Toten, die ich in meinem zwölfjährigen Leben sehe, geht es hinaus auf einen Flüchtlingstreck. In einem märkischen Dorf hören wir im Reichsrundfunk die Meldung, dass unser heißgeliebter Führer an der Spitze seiner Truppen in heldenhaftem Kampf gefallen sei. Nur den schwachsinnigen Alwin aus unserer Straße freut das: „Wenn der abjekratzt is, kann er mir nich mehr wechholen lassen, sagt mein Pappa.“
Nach dem Abitur versucht mich die Großstadt Berlin an ihren gewaltigen Busen zu drücken. Diese Liebe ist zunächst einseitig, nicht aber meine Liebe zu Luise, die nun für ein Jahr im Städtischen Dolmetscherseminar neben mir sitzt. Voller Seligkeit paddeln wir im Faltboot durch die märkischen und mecklenburgischen Seen, wandern den Rennsteig entlang und spuken auf der Burg Falkenstein im Harz herum. Alles könnte gut sein, wäre da nicht die noch mauerlose Stadtgrenze. Jede Woche zweimal besucht Luise, die in Wirklichkeit Annegret heißt, in Westberlin den Gottesdienst einer christlichen Sekte, und ich bemühe mich, ihr in ihrem Glauben zu folgen. Warum soll ich mir kein Beispiel an dem französischen König Henri IV. nehmen, der zum katholischen Glauben übertrat, weil ihm Paris eine Messe wert war? Man braucht ja nur 20 Pfennige für eine S-Bahnkarte, um das Land zu wechseln.
Voller Zweifel setzte ich mich im Sommer 1955 allein auf mein Fahrrad, um jene andere Welt zu erkunden. Begeistert sah ich die Alpen, den Bodensee, den Schwarzwald – und fuhr zurück in das schäbige, graue und doch so vertraute Ostberlin. Für mich wollte das Wasser nicht von unten nach oben fließen. Viel, viel später las ich Christa Wolfs Roman „Der geteilte Himmel“. Und ich heulte ein bisschen.
Aber die Show musste weitergehen. Ich war Redaktionsassistent, Hilfsredakteur, Redakteur in den Verlagen Volk und Wissen, Volk und Welt und wurde schließlich Lektor im Eulenspiegel Verlag, und der brachte dieses Buch genau dreißig Jahre nach jener Radtour heraus. Soweit der Autor über sein Buch. Und hier ein kurzer, verführerisch duftender Auszug vom Beginn dieser „Elf Kapitel aus der Jugendzeit“:
„Als die Familie noch Kreise zog
Ein verführerischer Duft von Zwiebeln und Knoblauch kitzelt meine Nüstern. Claudia bereitet das Essen für morgen vor; wir bekommen Besuch. Schalet gibt es leider nur, wenn wir Besuch bekommen. Für zwei lohne der Aufwand nicht, meint Claudia, außerdem werde man vom häufigen Schaletessen zu fett.
Man gibt in einen großen Topf: ein Pfund eingeweichte braune Bohnen (die man sich am besten von Freunden aus Ungarn mitbringen lässt; zur Not, aber nur zur Not tuns auch einheimische weiße Bohnen), zwei bis drei Pfund grob geschnittenes Kasslerfleisch, sechs große Zwiebeln, mindestens zwölf Knoblauchzehen, eine Tasse Gerstengraupen, einen Esslöffel Zucker, einen Esslöffel edelsüßen Paprika, einen Teelöffel schwarzen Pfeffer, einen Teelöffel gemahlenen Kümmel, einen Teelöffel scharfen Paprika und Salz nach Belieben. Das Ganze lässt man eine Stunde auf dem Herd bei kleiner Flamme unter ständigem Umrühren kochen, fügt drei bis vier Gläser Rotwein hinzu und stellt den Topf in die vorgeheizte Backröhre. Dort gewährt man dem Schalet – wiederum bei kleiner Flamme – zwei bis drei Stunden zum eigentlichen Reifen. Vor dem Essen reicht man ein Gläschen Kirschwasser, Slivowitz oder Adlershofer Wodka, zum Essen Weißbrot, Gewürzgurke, Bier oder Selters, danach einen Mokka, von dessen Trockensubstanz pro Tasse Friseur Kleinekorte und seine Frau eine Woche lang ihren Morgenkaffee bereiten würden. Gute Gastgeber haben selbstverständlich eine Lage Verdauungstabletten wie Cholecysmon oder das im Volksmund Pupirol genannte Mezym forte zur Hand.
Und wann fängst du heute endlich an zu arbeiten? fragt Claudia; ihre Stimme klingt noch immer freundlich.
Jetzt, sage ich und reiße mich von den Küchendüften los.
Was verstehst du unter Familie?
Friedrich Engels, sagt sie lustlos, Keimzelle der Gesellschaft. Ehemann, Ehefrau, falls vorhanden – Kinder.
Falls aber kein Ehemann vorhanden?
Trotzdem Familie, entscheidet sie.
Wenn man aber von Familienfesten spricht?
Dann gehört noch mehr dazu: Tanten, Onkels, die ganze bucklige Verwandtschaft, die Sippe kurzum.
Wer gehört zur Familie, bohre ich weiter, wer zur Sippe?
Wie so oft, wenn wir uns klein und dumm vorkommen, schlagen wir in gescheiten Büchern nach.
Der Herr Brockhaus schreibt in seinem Konversationslexikon von 1894: Auch bei uns hat das Wort Familie verschiedene Bedeutungen. Im engem Sinne bezeichnet es die Genossenschaft zwischen den Ehegatten und deren Kindern, im weitern Sinne den Kreis der Verwandten, welche durch gemeinschaftliche Abstammung verbunden sind, ohne Unterscheidung, ob die Verwandtschaft durch Männer oder Frauen vermittelt ist. Das beruhigt uns insofern, als Onkel Oswald wenigstens nicht zum harten Kern unserer Genossenschaft gezählt werden muss, sondern allenfalls zur Sippe.
Unter diesem Stichwort klärt uns Herr Meyer in seinem Neuen Lexikon von 1975 auf. Erstens bedeutet es etwas Biologisches, aber das wollen wir gar nicht so genau wissen. Zweitens hat Sippe was mit Völkerkunde zu tun und meint sich aus kleineren vater- oder mutterrechtlichen Verwandtengruppen zusammensetzende Gruppe von Verwandten, deren Mitglieder in der Regel nicht zusammen wohnen. An dem Deutsch merkt man, dass Goethe 1894 erst 62, 1975 hingegen schon 143 Jahre tot war.
Das heißt also, kommentiert Claudia, Verwandtschaft besteht aus einem Klumpen Verwandtschaft, der aus mehreren Klumpen Verwandtschaft besteht. Bloß gut, dass sie wenigstens in der Regel nicht zusammen wohnen, das fehlte noch.
Karl Kraus hat es zwar wissenschaftlich ungenauer, dafür aber umso treffender ausgedrückt: Das Wort Familienbande hat einen Beigeschmack von Wahrheit.“
Erstmals 1989 druckte der Kinderbuchverlag Berlin „Schmetterlinge“ von Wolf Spillner: Worin es darin gehen wird, das verdeutlicht Wolf Spillner, von dem auch die vielen schönen Fotos des Buches stammen, in seinem kleinen Vorwort:
„Was ein Schmetterling ist, meint jeder von uns zu wissen. Schon im Kindergarten malen wir Falter mit großen bunten Flügeln. Wenn wir in blumenreichen Gärten oder über Sommerwiesen und am Waldrand Schmetterlinge gaukeln sehen, werden diese Bilder bestätigt.
Schmetterlinge sind für uns meist nur die bunten Tagpfauenaugen, die gelben Zitronenfalter, die hellen Weißlinge oder andere farbschöne Tagfalter im Sonnenschein. Flattert uns jedoch ein kleines, unscheinbar braungraues Tier im Haus oder gar aus dem Kleiderschrank entgegen, dann heißt es meist entsetzt: Das ist eine Motte! Eine Motte aber will schon nicht mehr so recht in unsere Bildvorstellung von Schmetterlingen passen. Noch weniger wollen wir an Falter glauben, wenn sich am Abend oder in der Nacht dick bepelzte und behaarte Fluginsekten vor der Fensterscheibe versammeln oder burrend und schwirrend im hellen Licht um die Straßenlaternen kreisen. Doch viele dieser seltsam anmutenden fliegenden „Geister der Nacht“ gehören auch in die große Ordnung der Schmetterlinge. Wir brauchen nur genau zu beobachten, dann merken wir bald, dass sie gemeinsame Merkmale haben, die sie deutlich von anderen Insekten unterscheiden.
Insekten haben im Verlauf der Entwicklung von allen Lebewesen die größte Artenfülle erreicht. Wir kennen schon rund 1 000 000 verschiedene Arten. Gut ein Drittel davon zählt zur Ordnung der Käfer. Die zweitgrößte Ordnung des Tierreiches aber bilden die Schmetterlinge mitschätzungsweise 150 000 Arten. Wie viele es wirklich sind, wissen nicht einmal die Fachleute ganz genau, denn noch werden ständig neue Arten entdeckt. In dieser nahezu unüberschaubaren Fülle gibt es Riesen mit einer Flügelspannweite von 30 Zentimetern, wie die südamerikanische Graue Rieseneule. Sie ähnelt im Flug einer Fledermaus. Winzlinge, zum Beispiel unsere heimischen Zwergmotten, dagegen breiten ihre feinen Flügel nur ein paar Millimeter weit aus.
Wir kennen aber auch flügellose Schmetterlinge, beispielsweise die Weibchen der Sackspinner und des Frostspanners. Andererseits gibt es Wanderfalter miterstaunlichen Flugleistungen. Der Monarch, ein Tagfalter des amerikanischen Kontinents, fliegt im Herbst wie ein Zugvogel von Kanada bis nach Mexiko. Hervorragende Flieger sind auch die Schmetterlinge aus der Familie der Schwärmer. Schmale Flügel tragen ihre dicken, spindelförmigen Leiber schneller durch die Nacht, als Autos innerhalb von Ortschaften fahren dürfen! Sie erreichen Fluggeschwindigkeiten von mehr als 50 Kilometern in der Stunde. Der Totenkopfschwärmer wandert vom Mittelmeergebiet bis nach England.
Falter leben rund um die Erde bis zu den arktischen und antarktischen Regionen. Die meisten Arten sind in den Tropen und in den Subtropen zu Hause. Dort gibt es die schönsten und größten Schmetterlinge. Aber auch in Mitteleuropa sind mehr als
3 000 verschiedene Falterarten anzutreffen. Manche können mit ihren Verwandten aus den warmen Ländern an Schönheit wetteifern, wie Schillerfalter, Bären und Ordensbänder. Es wäre jedoch falsch, Schmetterlinge allein nach ihrer Schönheit zu beurteilen. Viel interessanter ist ihr Leben. Davon will dieses Buch einiges berichten.“
Erstmals 1958 erschien im Verlag der Akademie der Wissenschaften der UdSSR die Arbeit „Wie das Christentum entstand“ des Religionswissenschaftlers Jakow Lenzman, der offenbar ein Opfer der Stalinschen Säuberungen in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts geworden war. Die deutsche Ausgabe in der Übersetzung von Hans Bentzien kam 1973 im Verlag Neues Leben Berlin heraus: Sehr fundiert mit exakten Quellenangaben beschrieb Lenzmann die Quellen zur Geschichte des frühen Christentums, das Römische Reich im 1. Jahrhundert und die sozialökonomischen Voraussetzungen des Christentums, die ideologischen Wurzeln des Christentums, das Entstehen des Christentums, die christlichen Gemeinden in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts und das Christentum in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts. Hier ein Auszug des Kapitels, in dem sich Lenzmann den „Christlichen Quellen“ widmet:
„Zu den kanonischen christlichen Werken gehören die vier Evangelien (nach Matthäus, nach Markus, nach Lukas und nach Johannes), die dem Evangelisten Lukas zugeschriebene Apostelgeschichte, eine Reihe Briefe verschiedener Apostel, hauptsächlich des Paulus, und schließlich die Offenbarung (oder Apokalypse) des Johannes, im ganzen 27 Titel. Die Theologen, insbesondere die orthodoxen, betonen stets die Unterschiede zwischen den kanonischen und den apokryphischen christlichen Denkmälern. Sie erklären, dass die ersteren aus göttlicher Offenbarung entstanden seien und folglich im Kanon jeder Buchstabe eine Offenbarung von oben her bedeute, während die zweiten, das heißt die Apokryphen, von Menschenhand stammen.
In Wirklichkeit gibt es keinerlei Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen von Denkmälern. Die kirchlichen Chronisten hielten viele erbitterte Streitigkeiten darüber fest, welche Werke man zu den kanonischen zählen sollte. Der Bischof Euseb von Cäsarea (um 260 – um 340), Autor der ältesten „Kirchengeschichte“, spricht an vielen Stellen (III, 3 u. a.) über die Meinungsverschiedenheiten, die es wegen der Aufnahme der Offenbarung des Johannes, der Paulusbriefe und einiger anderer Werke in den Kanon gegeben hat. Die endgültige Festlegung des Kodex und des Textes der kanonischen Werke erfolgte erst in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts im östlichen und zu Beginn des 5. Jahrhunderts im westlichen Teil des Mittelmeerraums. Die Zusammensetzung des Neuen Testaments wurde deshalb so spät bestimmt, weil in den verschiedenen Gemeinden verschiedene Werke als heilig galten und der endgültigen Aufstellung des Kanons ein erbitterter Kampf zwischen den verschiedenen Gruppen der Diener der Kirche vorausging.
In der theologischen Literatur hält man die vier Evangelien, in denen über Leben und Wundertaten Jesu erzählt wird, für den wichtigsten Teil des Neuen Testaments. Nach der Auffassung der Theologen wurden die Evangelien entweder von den unmittelbaren Jüngern Jesu oder aus ihren Worten zusammengestellt. Das Wort „Evangelium“ bedeutet auf griechisch „gute Botschaft“ und wird von den Theologen ausnahmslos im Sinn von „Mitteilung“ über die Taten des Gottessohns verstanden, der den Märtyrertod als Sühne für die Sünden des Menschengeschlechts erlitt. Doch den Begriff „Evangelium“ treffen wir bereits in den ältesten Überlieferungen der griechischen Literatur, angefangen mit der „Odyssee“ (14,152 und 166) des Homer (8. Jahrhundert v. u. Z.). Er wird auch am Ende des 1. Jahrhunderts v. u. Z. verwandt, zum Beispiel in der Priener (Priene = Stadt in Kleinasien) Inschrift zu Ehren des Geburtstags von Kaiser Augustus. Darin hatte dieses Wort eine rein weltliche Bedeutung.
Außer den vier kanonischen Evangelien gab es noch Dutzende anderer, die aus verschiedenen Gründen nicht in das Neue Testament aufgenommen wurden. Der christliche Schriftsteller Irenäus schrieb gegen Ende des 2. Jahrhunderts in dem Werk „Gegen die Häresien“: „Bei dieser Sachlage sind alle diejenigen töricht, schlecht unterrichtet und frech dazu, welche die Gestalt des Evangeliums aufheben und mehr oder weniger als diese vier Formen einführen wollen.“ (Des heiligen Irenäus ausgewählte Schriften, I. Bd., München 1912, S. 244) Irenäus hätte nicht gerade so über die vier Evangelien schreiben können, wenn diese Frage seinerzeit nicht unter den Christen umstritten gewesen wäre. Über „viele“ Autoren wird auch im Evangelium nach Lukas (1, 1) gesprochen. Verschiedene Autoren erwähnen Evangelien der Nazaräer, Hebräer, Ägypter, Ebioniten, des Petrus, Thomas, Barnabas und viele andere. Nach dem Sieg des Christentums beschlagnahmten die Diener der Kirche all diese Evangelien und vernichteten sie. Einige von ihnen fand man vor kurzer Zeit in Ägypten.
Auch am Text der kanonischen Evangelien wurden starke Veränderungen vorgenommen. In den Jahren zwischen 170 und 180 schrieb der Gegner des Christentums Celsus: „Es gibt unter den Gläubigen einige, die … das Evangelium nach seiner ersten Niederschrift dreifach und vierfach und vielfach umprägen und umformen, um den Beweismitteln gegenüber die Möglichkeit des Ableugnens zu haben.“ (Zitiert nach: Des Origenes ausgewählte Schriften, II. Bd., München 1926, S. 142.) Die Handschriften derselben kanonischen Evangelien gingen so weit auseinander, dass die christlichen Ideologen in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts versuchten, einen einheitlichen Text zustande zu bringen. Danach wurden wegen der Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gemeinden drei Hauptfassungen angenommen (Hesychios von Alexandria, Pamphilos von Cäsarea und Lukian von Antiochia). Doch die Zitate aus den Evangelien in den christlichen Papyri unterscheiden sich häufig stark von jeder der drei Fassungen. Allein im Evangelium nach Lukas finden sich über 3500 abweichende Lesarten.
Sogar vom Standpunkt der Theologen können die kanonischen Evangelien keinesfalls als Primärquelle im strengen Sinn des Worts anerkannt werden. Erstens haben alle in der Überschrift das Wort „nach“ (vom griechischen kata). Folglich waren das selbst für die Diener der Kirche keine Werke dieser oder jener Evangelisten, sondern nur mehr oder weniger genaue Nacherzählungen ihrer Berichte. Der Nimbus der Heiligkeit und Unfehlbarkeit wurde den Evangelien erst später verliehen, als die Kirche den schon vorhandenen Text für gottgegeben erklärte. Außerdem waren nach der kirchlichen Tradition nur Matthäus und Johannes Apostel, direkte Jünger Jesu, die beiden anderen Evangelisten, Markus und Lukas, waren Jünger der Apostel Petrus und Paulus. Das heißt, selbst vom orthodoxen christlichen Gesichtspunkt finden sich in den Evangelien keine Aussagen von Augenzeugen, sondern nur Nacherzählungen ihrer Mitteilungen über Ereignisse.
Die ersten drei Evangelien behandeln im Wesentlichen ein und dasselbe Thema, die Lebensbeschreibung Jesu. Das vergleichende Studium dieser drei Schriften ließ in der Theologie eine umfangreiche sogenannte synoptische Literatur entstehen.
Es stellte sich heraus, dass in allen drei synoptischen Evangelien (nach Matthäus, Markus und Lukas) das Gemeinsame etwa ein Drittel des Inhalts ausmacht. Einzelne Stellen, die man nur in dem betreffenden Evangelium findet, nehmen die Hälfte des Textes im Evangelium nach Lukas ein, ein Drittel im Evangelium nach Matthäus und ungefähr ein Zehntel im Evangelium nach Markus. Die Ähnlichkeit der synoptischen Evangelien erklärt sich wahrscheinlich dadurch, dass sie sich alle auf eine Primärquelle beziehen, auf irgendeinen Sammelband mit Gleichnissen und Aussprüchen, die Jesus zugeschrieben wurden. Allgemein wird angenommen, dass dieser nicht erhaltenen Primärquelle das Evangelium nach Markus von allen am nächsten steht. Es ist übrigens das kürzeste. Die Autoren der zwei anderen synoptischen Evangelien benutzten das erste oder dessen Primärquelle und erweiterten es mit einer Reihe von Einzelheiten, von denen nicht bekannt ist, woher sie stammen.“
Und damit sind wir nicht nur fast am Ende des heutigen Newsletters angelangt, sondern gewissermaßen auch wieder fast am Anfang. Denn auch in „Odins Schwert“ ging es ja um die Frage nach einem Gottessohn. Wahrheit oder nicht? Es lohnt sich zumindest, in die Arbeit von Jakow Lenzmann noch einmal genauer hineinzuschauen und mit den von ihm gebotenen Fakten vertraut zu machen. Gleiches gilt aber auch für die Umstände des Lebens und Sterbens dieses sowjetischen Religionswissenschaftlers, die, wie sich zeigt, nur sehr schwer herauszubekommen sind. Und auch das ist ein eigenes schwieriges historisches Thema, das Thema Stalinismus, mit dem wir wohl noch lange Zeit zu tun haben werden.
Sehr zu empfehlen sind aber natürlich auch die anderen vier Sonderangebote dieses Newsletters, die man – wenn das erstaunlich frühlingshafte Februarwetter so bleibt wie es sich aktuell anfühlt – sogar fast draußen genießen kann. Und tatsächlich hat der Schreiber dieser Zeilen zu Wochenbeginn sogar schon die ersten zwei Schmetterlinge gesehen – ein Pärchen Zitronenfalter …
Viel Vergnügen beim Auswählen und Lesen, beim Schauen nach den ersten Schmetterlingen des Jahres, bleiben auch Sie trotz allem Corona-Hin-und-Her weiter vor allem schön gesund und munter und bis demnächst.
EDITION digital war vor 26 Jahren ursprünglich als Verlag für elektronische Publikationen gegründet worden. Inzwischen gibt der Verlag Krimis, historische Romane, Fantasy, Zeitzeugenberichte und Sachbücher (NVA-, DDR-Geschichte) sowie Kinderbücher gedruckt und als E-Book heraus. Ein weiterer Schwerpunkt sind Grafiken und Beschreibungen von historischen Handwerks- und Berufszeichen sowie Belletristik und Sachbücher über Mecklenburg-Vorpommern. Bücher ehemaliger DDR-Autoren werden als E-Book neu aufgelegt. Insgesamt umfasst das Verlagsangebot, das unter www.edition-digital.de nachzulesen ist, mehr als 1.000 Titel. E-Books sind barrierefrei, Bücher werden klimaneutral gedruckt.
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