„Anfang des Jahres hätte ich das, was in Washington passiert ist, für ausgeschlossen gehalten“, antwortete der langjährige Abgeordnete auf die Frage, ob er einen solch gewalttätigen Angriff auf die Demokratie auch hierzulande für vorstellbar halte. „Es geht nicht mehr um unsere Vorstellungskraft“, so Lammert. Die Frage sei vielmehr, ob wir so einen Angriff auf unsere Demokratie für tolerabel und zumutbar halten. „Wenn nicht, müssen wir alles tun, damit das, was vorstellbar geworden ist, nicht passiert“, sagte er. Eine Mahnung, die bei der Landjugend nicht ungehört verhallte.
Solche klaren Worte hatten sich die ehrenamtlich Aktiven von ihm erhofft. Sie wollten aber auch erfahren, was ihn ausmacht, wie aus dem jungen Norbert Lammert die zweitwichtigste Person im Staate werden konnte. So folgerichtig wie das heute erscheint, sei es nicht gewesen, sagte Lammert gegenüber den etwa 70 Landjugendlichen. Eher eine zufällige Abfolge von Entwicklungen, für die allerdings sein Geschichtslehrer und sein Elternhaus ausschlaggebend waren.
Denn Politik war für ihn ein ständiger Begleiter. Sein Vater, der Kommunalpolitiker, Bäcker- und Konditormeister in einer Person war, brachte sie auf den Küchentisch. „In der heimischen Backstube war ich eher für meine Qualitätskontrolle der Berliner Bollen berüchtigt“, gibt der geborene Bochumer freimütig zu. Doch mit dem politischen Interesse hatte das Elternhaus ihn nachhaltig geprägt.
Klar und spitzzüngig, wohlüberlegt und kurzweilig diskutierte der ehemalige Bundestagspräsident mit dem Landjugendpublikum. Die Frage, was heute einen guten Politiker oder eine gute Politikerin auszeichnet, hätte er lieber in mehr als zwei möglichst prägnanten Sätzen beantwortet. Doch er zügelt sich und fasst es zusammen: Überdurchschnittliches Engagement und die Bereitschaft und Fähigkeit, komplizierte Sachverhalte nachvollziehbar erläutern zu können.
Diese Kompetenz stellt er immer wieder selbst unter Beweis. Bei seiner Fürsprache für den Föderalismus zum Bespiel, der aus seiner Sicht gemeinsam mit der parlamentarischen Demokratie offensichtliche Fehlentscheidungen minimiere und am Ende mehr Akzeptanz für die jeweils getroffenen Entscheidungen bringe.
Oder wenn der Bilderbuch-Demokrat, der heute die Konrad-Adenauer-Stiftung leitet, sehr genau erklärt, warum in einer repräsentativen Demokratie das Parlament keine statistisch korrekte Umsetzung der Bevölkerung ist. „Der Kern von Wahlen besteht darin, dass die souveränen Wähler und Wählerinnen selbst entscheiden, von wem sie repräsentiert sein wollen. Es ist ja nicht so, dass JungwählerInnen immer junge Leute wählen, die meisten WählerInnen haben den Anspruch, selbst zu entscheiden, durch wen sie sich vertreten lassen wollen. Damit haben wir ein Parlament, über das die WählerInnen entschieden haben und nicht die StatistikerInnen“, stellt er klar.
Oder bei der Frage nach §38 des Grundgesetzes, nach dem Abgeordnete nur ihrem Gewissen verpflichtet sind, sie aber doch mit dem Fraktionsdruck hadern. „Eine verlässliche Linie einer Partei ist für die Wählenden wichtig, um eine Wahl treffen zu können“, erläutert Norbert Lammert, der zwölf Jahre lang das deutsche Parlament leitete. Daher sei es wichtig, die Fachexpertise zusammenzutragen und eine gemeinsame Linie zu entwickeln. Das daraus entstehende Spannungsfeld zwischen eigenem Gewissen und dem Fraktionsdruck würden alle im politischen Betrieb kennen. Ihm selbst, verriet er den Landjugendlichen, hätten dabei zwei Fragen als Kompass geholfen: Kann ich das besser beurteilen als die Fachleute? Ist das Thema für mich wirklich wichtig?
„Eine guter Gradmesser“, urteilt der Moderator und fasst damit auch das kurzweilige BDL-Jugendforum mit dem ehemaligen Spitzenpolitiker zusammen, bei dem es auch um die Veränderungen in der Debattenkultur, um den Tagesablauf eines Bundestagspräsidenten, die spannendsten Debatten etc. ging. „Bei allem, was wir heute hier erfahren und diskutiert haben, steht eins fest: Wir müssen selbst aktiv sein, Farbe bekennten, der Demokratie unser Gesicht und unsere Stimme geben“, so der stellv. BDL-Bundesvorsitzende Sebastian Dückers.
Der größte Jugendverband im ländlichen Raum macht sich für junge Menschen auf dem Land stark. Er vertritt ihre politischen Interessen und will vor allem eins: ihre Lebens- und Bleibeperspektiven in ihrer ländlichen Heimat verbessern. In seinen 18 Landesverbänden gestalten rund 100.000 ehrenamtlich Aktive das Leben vor Ort. Der BDL wird von den beiden Bundesvorsitzenden Kathrin Muus und Jan Hägerling geführt.
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