Ein Mythos: Die Corona-Impfung macht unfruchtbar. Schon seit Ende des vergangenen Jahres verbreitet sich dieses Vorurteil rasant in den sozialen Medien. Die Behauptung: Die durch die Impfung gebildeten Antikörper würden nicht nur gegen die Coronaviren, sondern auch gegen Bestandteile der Plazenta, konkret gegen das Protein Synctin-1, wirken und so zu Unfruchtbarkeit führen. Professor Ekkehard Schleußner, Direktor der Klinik für Geburtsmedizin am UKJ und Professor Udo Markert, Leiter des Plazenta-Labors, sagen dazu: „Diese Behauptung ist falsch und die Sorge der jungen Frauen unbegründet. Weder aus den bisherigen Erfahrungen mit Schwangeren, die an COVID-19 erkrankt sind, noch aus Sicht der Plazentaforschung lässt sich die Behauptung belegen.
Aber woher kommt das Vorurteil?
Die aktuell in Europa zugelassenen Impfstoffe bestehen aus sogenannter mRNA. Dadurch werden unsere Körperzellen angeregt, Proteine zu produzieren, die der Oberfläche der Coronaviren – sogenannten Spikes – ähneln und damit unsere Immunzellen aktiviert, spezifische Antikörper gegen die Coronaviren zu bilden. Das Corona-Spike Protein besteht aus 1273 Aminosäuren. Darin enthalten ist unter anderem die Sequenz VVNQN, die aus fünf Aminosäuren besteht. Eine ähnliche, aber nicht identische Sequenz aus fünf Aminosäuren, die Sequenz VVLQN, befindet sich im Protein Syncytin-1. Syncytin-1 ist ein Protein aus 538 Aminosäuren, das in der menschlichen Plazenta gebildet wird, und somit eine Strukturähnlichkeit von etwa 0,75 Prozent mit dem Corona-Spike-Protein aufweist. Hier dürfte also der Mythos seinen Ursprung haben. Allerdings: „Die VVLQN-Aminosäuren-Sequenz liegt unterhalb der Oberfläche zwischen den beiden Lipidschichten der Oberflächenmembran, so dass sie für eventuelle Antikörper gar nicht direkt erreichbar ist“, erklärt Professor Markert.
Zudem: Wenn schon die Impfung unfruchtbar machen würde, dann müsste das eine COVID-19-Infektion erst recht. Denn „bei einer Infektion ist die Antigen-Belastung der Patientin durch das Corona-Spike-Protein und somit auch die potenzielle Antikörper-Bildung deutlich höher und auch unkalkulierbarer als im Falle einer Impfung“, so Professor Schleußner. „Unsere bisherigen Erfahrungen mit Corona-erkrankten Schwangeren bestätigen das nicht.“
Und ein weiterer Punkt widerlegt den Mythos: Schon seit einigen Jahren werden zur Behandlung verschiedener Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose oder Diabetes mellitus therapeutische Antikörper gegen ein bestimmtes Protein genutzt. Dieses ähnelt dem Synctin-1-Protein der Plazenta zu 81 Prozent. Zahlreiche Experimente haben gezeigt, dass es praktisch nicht an Synctin-1 bindet und auch keinerlei Einfluss auf eine normale Plazentaentwicklung hat.
Schleußner und Markert empfehlen sogar allen Frauen eine Impfung – sobald der Impfstoff verfügbar ist. „Eine COVID-19-Erkrankung und deren zu großen Teilen noch unbekannte langfristige Folgen gilt es zu vermeiden.“
Weitere Informationen zum Thema Corona und Schwangerschaft finden sich auf der Homepage der Klinik für Geburtsmedizin: https://www.uniklinikum-jena.de/geburtsmedizin
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